Kleine bunte Figuren vor hellblauem Hintergrund. Über einer Figur liegt eine Lupe.
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Vorurteile als Falle bei der Personalsuche

Vor Voreingenommenheit ist niemand gefeit, doch gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist Offenheit gefragt.

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Aktualisiert am 19.11.2024

Man stelle sich folgende Situation vor: Eine Personalistin lädt einen 50-jährigen Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch ein. Doch bereits nach wenigen Minuten glaubt sie zu erkennen, dass dieser für die gesuchte Stelle nicht geeignet ist. Jahrelang als Einkaufsleiter mit einem Team von sechs Leuten tätig, hat sich der Mann auf die Stelle eines Einkäufers ohne Führungsposition beworben. Für die Personalerin ist klar: Hier stimmt etwas nicht. Der Mann ist überqualifiziert. Er erhält eine Absage. Was die Personalistin nicht weiß: Der Mann möchte keine Führungsrolle mehr haben. Stattdessen will er einen Schritt zurücktreten und einfach das machen, was ihm Freude bereitet: Angebote einholen und Waren beschaffen. Oder: Sandra Bauer und Meryem Öztürk bewerben sich auf eine Stelle als Bilanzbuchhalterin. Ihre Qualifikationen sind gleich. Der Name und das Aussehen sind es nicht. Öztürk trägt Kopftuch. Laut Uni Linz muss sie sich um 7,6 Mal häufiger bewerben als Bauer.  

Situationen wie diese kennt Ute Muster, selbständige Headhunterin in Graz, nur zu gut. Das seien klassische Fälle eines „Unconscious Bias“ – also einer unbewussten Voreingenommenheit. „Gewisse Vorurteile hat man einfach. Da muss man sich oft selbst an der Nase nehmen“, erzählt die Expertin. „Ich höre derzeit jeden Tag, dass Unternehmen keine geeigneten Fachkräfte finden. Umgekehrt sagen mir Arbeitssuchende, dass sie keine Stelle bekommen oder gar nicht erst zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Oft werden potentielle Kandidaten allein aus einem unbewussten Schubladendenken heraus früh aus dem Bewerbungsprozess ausgesiebt. Diese Kandidaten könnten aber eigentlich passen“, so Muster. 

Oft werden potentielle Kandidaten allein aus einem unbewussten Schubladendenken heraus früh aus dem Bewerbungsprozess ausgesiebt. Diese Kandidaten könnten aber eigentlich passen.

Seit 16 Jahren ist sie im Bereich Personal tätig. Was ihr auffällt? Das volksmündliche „Gleich und gleich gesellt sich gern“ ist bei der Einstellung neuer Mitarbeiter oft gang und gäbe. Heterogene Teams? Fehlanzeige. Dabei wären sie gerade in Zeiten des Fachkräftemangels wichtig. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass eine vielfältige Belegschaft nicht nur zufriedener ist, sondern auch bessere Leistungen erbringt. 

Strategien gegen Bias

Voreingenommenheiten gibt es viele (siehe unten). Ganz lösen könne man sich von ihnen nicht, es helfe aber, sie zu erkennen. Auch Muster selbst tappe immer wieder gerne in die gleichen Fallen. Vor allem das „Ähnlichkeits-Bias“ beeinflusse die eigene Entscheidung schnell: „Menschen, die einem selbst ähneln, findet man meistens sofort sympathisch – zum Beispiel wenn jemand das gleiche Hobby hat.“ Davon beirren lassen sollte man sich aber nicht, vielmehr gelte es sich auf die Fähigkeiten von Kandidaten zu fokussieren und einen Bias frühzeitig zu entschlüsseln. Dabei helfen können unterschiedliche Strategien wie beispielsweise Sensibilisierungstrainings. Sie zielen darauf ab, das Bewusstsein für unbewusste ­Voreingenommenheiten zu schärfen. Eigene Denkmuster können so hinterfragt werden, um möglichst objektive Entscheidungen zu treffen. Auch strukturierte Interviews, die einem festen Fragenkatalog folgen, können subjektive Einschätzungen minimieren. „Man stellt jedem Bewerber die gleichen Fragen und kann im Anschluss die Antworten sachlich vergleichen“, erklärt Muster. Zugleich gilt: Je vielfältiger das Auswahlkomitee und je reflektierter und erfahrener die Personalentscheider, desto ­besser.

Hat man sich für einen Kandidaten entschieden, rät die Expertin noch zu einem finalen Anti-Bias-Check: „Zum Schluss stelle ich mir immer noch zwei Fragen: Erstens: Was war mein erster Impuls bei dieser Person? Zweitens: Wie sehr hat dieser Impuls meine Gesamtbeurteilung beeinflusst. Seien Sie hier ruhig ehrlich zu sich selbst.“