Virtueller Zwilling für digitales Shopping
„Reactive Reality“ bietet die Möglichkeit, Outfits digital selbst zu kombinieren. Künftig will man auch eine gratis Plattform für individualisierte Avatare in virtuellen Umkleideräume anbieten.
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Die letzten Jahre waren für den Mode- und Online-Handel nicht einfach, so viel steht fest. Die Pandemie führte zu Schließungen stationärer Läden, gleichzeitig erlebte der Online-Handel – zuvor schon am aufsteigenden Ast – einen ungeahnten Höhenflug. Doch mit den Öffnungsschritten und den Krisen der letzten Jahre folgte auch Ernüchterung: Gerade Mode wird immer noch gerne vor Ort eingekauft – immerhin ist „Shopping“ für viele ein soziales Ereignis. Gleichzeitig will man Outfits selbst anprobieren, kombinieren – und sich lästige Retouren möglichst sparen. All das versetzte dem Online-Handel gerade im Modebereich einen Dämpfer – soll aber lösbar sein. Zumindest, wenn es nach dem Grazer Unternehmen „Reactive Reality“ geht. Mit der eigens entwickelten Technologie ermöglicht man „virtuelles Anprobieren“ – und hat auch die soziale Komponente bedacht.
Schon vor zehn Jahren wurde das Spin-off der TU Graz von Stefan Hauswiesner, Philipp Grasmug und Philipp Pani gegründet. Letzterer ist noch heute als technischer Leiter an Board. Mittlerweile führt Silviu Reghin den Betrieb als CEO – und hat viel vor: „Wir haben uns lange auf den Technologieaufbau fokussiert, zuletzt aber einen Strategiewechsel vollzogen: Wir wollen konkrete Use-Cases generieren und die Technologie so an Unternehmen bringen“, berichtet er.
Outfits kombinieren und digital anprobieren
Mit dem neu entwickelten „Virtual-Try-On“ etwa will man Konsumenten möglichst früh in der Customer-Journey abholen. An künstlich generierten Models verschiedenster Körpertypen können Outfits dabei beliebig kombiniert werden (siehe Bild unten). „Für Unternehmen und Labels ist das eine perfekte Möglichkeit, neue Kollektionen bekannt zu machen“, ist sich der Reactive-Reality-CEO sicher. Hinzu kommt die Funktion des „Social Shoppings“. „Wenn ich mein Outfit zusammengestellt habe, kann ich es als Link mit Freunden teilen – oder auch meiner Freundin. Sie gelangen direkt zu meinem Outfit, können es sich ansehen, aber auch verändern und neue Vorschläge machen. So entsteht ein gemeinsames Shopping-Erlebnis.“ Eine interaktive und spielerischere Variante des Online-Einkaufs.
Ein zweites Produkt wiederum sei der „virtuelle Umkleideraum“. „Man sucht sich Kleidung aus, legt sie zurück – und kann sie später an einem eigens erstellten Avatar anprobieren“, so Reghin. Für letzteres entwickelt Reactive Reality gerade eine eigenen Plattform, auf der Konsumenten Avatare kostenlos nach ihrem eigenen Abbild erstellen können – um sie dann im virtuellen Umkleideraum bei verschiedensten Anbietern einzusetzen. Gleichzeitig arbeitet man an physikalischen Passformsimulationen: Mithilfe eines eigens kreierten 3D-Scanners, der verkauft wird, werden Kleidungsstücke digitalisiert. Mittelfristig sollen so für Kunden einfach zugängliche 3D-Modelle und Avatare generiert werden, um ein noch realistischeres digitales Anprobieren zu ermöglichen – und schlussendlich auch Retouren-Quoten deutlich zu senken.
Schon jetzt ist die Technologie von Reactive Reality bei internationalen Größen im Einsatz – etwa bei Hugo Boss oder Target, meist aber noch für interne Prozesse. Das soll sich mit Voranschreiten der technologischen Entwicklung bald ändern. „Wir sind in Gesprächen mit regionalen Modehäusern, aber auch mit globalen Anbietern“, so Reghin. Nach den zuletzt schwierigen Jahren in der Branche spüre man eine Trendwende: „Wir sind zur richtigen Zeit mit der richtigen Technologie am Start!“
Quergefragt
Was ist die Vision hinter Reactive Reality?
Reghin: Einen neuen Standard im Fashion-Online-Shopping zu etablieren und so Retourenquoten zu reduzieren.
Das Besondere an diesem „neuen Standard“?
Reghin: Wir wollen das, was wir alle aus dem realen Leben gewohnt sind, möglichst ins Digitale transformieren.
Was sind die größten Herausforderungen?
Reghin: Die Modebranche ist sehr konservativ. Man will Innovationen – aber machen sollen es zuerst die anderen.