Stellungnahme – Novelle Grazer Dachlandschaftsverordnung

10.1.2024

Lesedauer: 5 Minuten

Aktualisiert am 14.09.2024

Empfänger

Amt der Stmk. Landesregierung
A9 Kultur, Europa, Sport
Referat Kunst, Kulturelles Erbe und Volkskultur
Landhausgasse 7
8010 Graz


Absender

WKO Steiermark
Präsidium
Körblergasse 111–113
8010 Graz


Datum

Graz, am 10.1.2024

Inhalt

Stellungnahme WKO Steiermark – Novelle Grazer Dachlandschaftsverordnung
GZ: ABT09-2380/2014-106

Sehr geehrte Damen und Herren,  

die WKO Steiermark dankt für die Übermittlung eines Verordnungsentwurfes, mit der die Verordnung über die Erhaltung der Dachlandschaft im Schutzgebiet nach dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz 1980 geändert wird und nimmt dazu wie folgt Stellung:

Allgemeines

Die WKO Steiermark unterstützt grundsätzlich die Zielsetzung der vorliegenden Novelle verständliche Vorgaben für Solar- und Photovoltaikanlagen im Schutzgebiet nach dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz (GAEG 2008) zu schaffen und damit Gebäudeeigentümern und Bauwerbern zu klaren Rahmenbedingungen zu verhelfen. Dies entspricht auch der Grundsatzposition der WKO Steiermark betreffend die Priorisierung des PV-Ausbaus:

1. Dach- und Fassadenflächen (gebäudeintegrierte PV);
2. Nutzung von versiegelten/vorbelasteten Flächen und Doppelnutzungen;
3. Konzentration von PV-Freiflächenanlagen (Vorrangzonen/Ausschlusszonen). 

Gleichzeitig stellt das Erscheinungsbild der Dächer der Grazer Altstadt in der Zone 1 und das UNESCO-Weltkulturerbe für uns ein hohes Gut dar. Vor diesem Hintergrund sehen wir die Möglichkeit der Errichtung von Solar- und PV-Anlagen in der Zone 1 kritisch, auch wenn diese farblich angepasst und auf untergeordnete Hofgebäude, Garagen, Flugdächer und neue Dachflächen eingeschränkt werden soll. Für die weiteren Schutzzonen 2, 3, 4 und 5 nach dem GAEG 2008 wird die Zulässigkeit von Solar- und PV-Anlagen auf Dachflächen jedoch ausdrücklich begrüßt.

Darüber hinaus regen wir an, dass das Verhältnis der EU-Notfallverordnung Erneuerbare Energie[1] zum GAEG 2008 und der gegenständlichen Verordnung in den Erläuterungen klargestellt wird. Insbesondere in Bezug auf Artikel 4 „Beschleunigung des Verfahrens zur Genehmigungserteilung für die Installation von Solarenergieanlagen“ der EU-Notfallverordnung und der darin vorgesehenen Genehmigungsfiktion sollten mögliche (Nicht-)Auswirkungen für die Normunterworfenen entsprechend dargelegt werden. Damit könnten allfällige Rechtsunsicherheiten im Vorfeld vermieden werden. 


Im Detail

Zu § 2 Z 1 
Die Leitungsanlagen zu den Solar- und PV-Anlagen sollten in dieser Bestimmung ergänzend berücksichtigt werden, da sie durchaus auch einen optischen Effekt haben, wenn sie nicht sorgfältig bzw. nicht verdeckt verlegt werden. Zudem könnten sie sich auch farblich negativ einbringen.

Änderungsvorschläge (sind fett gedruckt):

„§ 2 Z 1
An die Dachfarbe des Gebäudes angepasste, optisch rahmenlos wirkende Solar- und PV-Anlagen mit matter, entspiegelter Oberfläche sind dachintegriert oder dachparallel sowie aneinandergereiht, in einer geschlossenen Geometrie (ohne gezahnte oder abgetreppte Ränder) oder in Form einer vollflächigen Belegung des Daches mit Paneelen und ergänzenden Blindmodulen zulässig (Anlage „Symbolbeispiele zu Solar- und PV-Anlagen“). Leitungsanlagen von Solar- und PV-Anlagen sind möglichst dachintegriert bzw. durch die Anlagen und die Dachdeckung überdeckt zu verlegen.

In den Erläuterungen sollte zur Montage zusätzlich auf die ÖVE R11-1 und ÖNORM M7778 und deren normative Verweise hingewiesen werden. Um das Schutzziel der ÖVE R11-1 zu erreichen sind unter der Dachdeckung geführt PV-DC-Leitungen in elektrisch leitfähigen durchverbundenen metallischen Rohren zu führen, die beidseitig in den Potentialausgleich einzubinden sind. Dies soll insbesondere den Schutz der Einsatzkräfte sowie vor Schäden durch abrutschende Schnee-/Eismassen und eine Absturzsicherung für Wartungsarbeiten sicherstellen.

Zu § 2 Z 2
Änderungsvorschläge (sind fett gedruckt):

„§ 2 Z 2
Oberhalb und unterhalb von Gaupen sowie Solar- und PV-Anlagen soll eine ausreichend dimensionierter, ungegliederter Dachstreifen verbleiben. Schleppgaupen kommen vorwiegend bei Dächern mit mehr als 45° Dachneigung in Betracht.“
 

Zu Anlage „Symbolbeispiele zu Solar- und PV-Anlagen“

Auf den Skizzen der gegenständlichen Anlage sind vollflächig verlegte PV-Anlagen abgebildet. Aus unserer Sicht wären bei den vorgeschlagenen Symbolbeispielen in der Bilddarstellung zu berücksichtigen, dass für PV-Anlagen auf Dächern gemäß der aktuellen OIB-Richtlinie 2 seit 1. Juni 2023 auch bautechnische Vorgaben und dabei im Speziellen Mindestabstände gelten.[1] Die Mindestabstände zu Brandschutzabschnitten sollten – zwar nicht bemaßt aber als sichtbare Abstände – in die Skizzen der Anlage zur Verordnung aufgenommen werden. Es bestünde sonst die Möglichkeit, dass sich die Normunterworfenen auf die Symbolbilder der Anlage berufen, wenn die bautechnischen Mindestabstände unterschritten werden. Durch eine diesbezügliche Klarstellung könnte allfällige Auslegungsprobleme vermieden werden.


Beispielhafte Darstellung:

 

Zudem wäre auch auf die notwendigen Abstände zu Traufen (bzw. betroffene Säumen) hinzuweisen und geeignete Schneeschutzvorrichtungen unter Berücksichtigung der (teilweise dynamisch) auftretenden Lasten erforderlich.

Die Praxis zeigt, dass durch die Montage von PV-Paneelen häufig Schneeschutzvorrichtungen „außer Kraft“ gesetzt und ein Abrutschen über die vorhandenen Vorrichtungen beobachtet werden kann. Auch werden Paneel häufig bis zur Traufe verlegt, ohne dass Vorkehrungen getroffen werden. Gerade durch die glatte Oberfläche der Paneele ist jedoch ein erhöhtes Gefährdungspotenzial gegeben. Im Ergebnis wären die bestehenden Schneeschutzvorrichtungen damit nicht ausreichend und müssten ersetzt werden.

Zu § 3 Z 2
In der Schutzzone 1 gibt es aufgrund des desolaten Zustands einiger Bestandsdachflächen heute schon neu eingedeckte Dachflächen. Diese, aber auch zukünftig erneuerte Dachflächen in der Zone 1 sollten, wie bereits eingangs ausgeführt, zum Schutz des historischen Kerns keine generelle Ausnahme - wie gemäß § 3 Z 2 geplant - erhalten. Dieser Punkt sollte jedenfalls überdacht und eingeschränkt werden.

Aus technischer Sicht sind Randzonen eines Daches höheren (Wind)Lasten ausgesetzt, verschleißen schneller und weisen häufig neue Eindeckungen auf. Historisch wertvolles Deckungsmaterial auf Dächern der Schutzzone 1 sind innerhalb der Randzonen besonders erhaltenswert, da die technische Nutzungsdauer in diesem Bereich besonders lange ist. Der Einbau einer Indach-PV Anlage bei Umdeckungen oder Neudeckungen (sowie Neudeckungen mit anteiligem historischem Altmaterial) bedingt, dass dieses historisches Ziegelmaterial in der Fläche entfernt, und durch Indach PV-Anlagen ersetzt werden kann. Indach-Systeme auf solchen Dachflächen sollten eingeschränkt werden.

Die WKO Steiermark ersucht um Berücksichtigung der Änderungs- bzw. Ergänzungsvorschläge.

Freundliche Grüße

Ing. Josef Herk, Präsident

Dr. Karl-Heinz Dernoscheg, MBA, Direktor 


Die unterfertigte Stellungnahme finden Sie zum Download rechts in der Downloadbox. (Achtung: Das Download-Dokument ist nicht barrierefrei.)

[1] Verordnung (EU) 2022/2577 zur Festlegung eines Rahmens für einen beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien

[2] Siehe OIB-RL 2 Pkt. 3.13 Photovoltaikanlagen auf Dächern der Gebäudeklassen 3 bis 5

Für auf Dächern aufgebrachte oder in Dächern integrierte Photovoltaikanlagen bei Gebäuden der Gebäudeklassen 3 bis 5 müssen folgende Anforderungen eingehalten werden:

a) (...)
b) Photovoltaik-Module müssen von der Mitte der brandabschnittsbildenden Wand sowie zur Nachbargrundstücks- bzw. Bauplatzgrenze – falls die horizontale Brandübertragung nicht durch gleichwertige Maßnahmen begrenzt werden kann – einen Abstand von mindestens 1 m haben.
c) (...)