Stellungnahme - 4.08 Stadtentwicklungskonzept der Landeshauptstadt Graz 8. Änderung
25.09.2023
Lesedauer: 5 Minuten
Empfänger
Stadt Graz
Stadtplanung
Europaplatz 20/6
8011 Graz
Absender
WKO Steiermark
Präsidium
Körblergasse 111–113
8010 Graz
Datum
Graz, am 25.09.2023
Inhalt
Stellungnahme - 4.08 Stadtentwicklungskonzept der Landeshauptstadt Graz 8. Änderung
GZ: A 14-088058/2023/0001
Sehr geehrte Damen und Herren,
die WKO Steiermark nimmt zum in Auflage befindlichen 8. Änderungsentwurf des Stadtentwicklungskonzepts der Landeshauptstadt Graz (STEK 4.08) wie folgt Stellung:
Allgemeines
Mit dem gegenständlichen Verordnungsentwurf soll laut Erläuterungsbericht im Bereich der Stadtentwicklung insbesondere auf die Herausforderungen der Klimakrise und des Klimawandels reagiert werden. Als Ziel wird dabei eine ressourcenschonende und nachhaltige Siedlungsentwicklung für die Stadt Graz vorgegeben. Seitens der WKO Steiermark unterstützen wir diese Stoßrichtung, sehen jedoch in der konkreten Umsetzung einige Inhalte kritisch.
Die geplanten Änderungen durch das STEK 4.08 enthalten unserer Einschätzung nach eine Reihe von unbestimmten Regelungen, die im Zuge der Rechtsanwendung zu unterschiedlichen Interpretationen bzw. Auslegungen führen werden. Im Sinne der Rechtssicherheit regen wir daher an, diese präziser zu formulieren bzw. gänzlich zu streichen. Daran anschließend möchten wir anmerken, dass aus unserer Sicht einige Regelungsinhalte besser in den jeweiligen Bebauungsplänen behandelt werden sollten und das Stadtentwicklungskonzept nicht das hierfür geeignete raumordnungsrechtliche Instrument ist.
Zudem stufen wir einige der vorliegenden Regelungen als überschießenden Eingriff in die Gestaltungsfreiheit ein (z.B. Situierung von Gebäuden, Vorgaben für Oberflächenmaterialien, Verbot von straßenseitigen Balkonen). Derart restriktive Regelungen sind aus unserer Sicht wenig zielführend und verhindern technische Innovationen bzw. alternative Gestaltungsmöglichkeiten, umso mehr, wenn sie - wie einigen Fällen - von den Regeln der Technik abweichen.
Ablehnend stehen wir auch jenen Änderungen gegenüber, die dem Grundsatz „Leistbares Wohnen“ widersprechen.
Im Detail
§ 8 Abs 5 - Grüngürtel
Die Formulierung „Dachterrassen u. dgl.“ wird in der Praxis Fragen aufwerfen und sollte unserer Einschätzung nach präzisiert werden. Andernfalls gehen wir davon aus, dass es in der Rechtsanwendung zu unterschiedlichen Auslegungen und damit verbunden Problemen kommen wird.
§ 8 Abs 5a und 5b – Grüngürtel
Kritisch sehen wir das „Absolutmaß“ mit einer Gebäudehöhe größer 7,50 m. Hier sollte ein „Toleranzbereich“ verankert werden. Die Regelung ist aus unserer Sicht zudem nur für Gebäude sinnvoll, die an der Grundstücksgrenze situiert sind bzw. werden.
Hinsichtlich des maximalen Bebauungsgrads von 0,2 im Grüngürtel bestehen keine Einwände.
§ 15 Abs 5 – Wohnen
Die Formulierung „ausreichend große, allen Bewohner:innen zugängliche Grünflächen“ ist vage und sollte unserer Auffassung nach entfallen.
§ 26 Abs 1a - Naturraum und Umwelt
Die Bestimmung „Erhalt des schützenswerten Baumbestandes“ ist unklar und zu hinterfragen. Durch diese Regelung wird die Gestaltungsfreiheit in Bezug auf die Situierung von Gebäuden deutlich eingeschränkt, schon ein einzelner Baum könnte die Planung deutlich beeinflussen. Im Einzelfall könnten dadurch massive Mehrkosten entstehen (Widerspruch zu leistbarem Wohnraum). Insgesamt wäre in diesem Bereich vor allem auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu achten.
Zudem möchten wir anmerken, dass mit der Grazer Baumschutzverordnung und der neuen Verordnung über die Festlegung des Grünflächenfaktors vom 6. Juli 2023 in Graz ohnehin sehr restriktive Regelungen in Bezug auf den Baumbestand bestehen.
§ 26 Abs 7 – Klima, Luft, Lärm
Die Regelung betreffend „Forcierung des Einsatzes von klimafreundlichen Baustoffen durch städtebauliche Verträge und Festlegungen in Bebauungspläne“ stellt eine unklare Bestimmung dar und sollte hinterfragt werden.
§ 26 Abs 7a – Klima, Luft, Lärm
Die geplante Regelung hinsichtlich „Überprüfung von Rückwidmungen bzw. Bebauungsbeschränkungen in betroffenen Baulandgebieten“ ist aus unserer Sicht überschießend und würde einen massiven Eingriff ins Eigentumsrecht darstellen. Diese Maßnahme ist insbesondere im Zusammenhang mit der Thematik der Rechtssicherheit kritisch zu beurteilen. Würden Baulandrücknahmen tatsächlich verwirklicht werden, bewirken diese de facto eine (Teil-)Enteignung und müssten daher auch entsprechende Entschädigungen erfolgen, da eine kompensationslose Enteignung wohl nicht mit den österreichischen und europäischen Grundrechten in Einklang zu bringen ist.
§ 26 Abs 7c – Klima, Luft, Lärm
Die gegenständliche Bestimmung gleicht praktisch einer „Vorplanung“ und stellt somit einen starken Eingriff in die Gestaltungsfreiheit dar. Insbesondere die Formulierungen „Einsatz von hellen Oberflächenmaterialien mit geringer Wärmespeicherfähigkeit, angestrebt wird ein Hellbezugswert zwischen 30 und 85“ oder „Sparsamer Einsatz von großflächigen Glasfassaden und großflächigen reflektierenden Metallfassaden durch entsprechende Festlegungen in Bebauungsplänen und Wettbewerbsausschreibungen; Ausnahmen zum Zwecke solarer Energiegewinnung sind im Einzelfall zu prüfen“ werfen Fragen in Bezug auf die geltenden Regeln der Technik auf und werden daher in dieser Form abgelehnt.
§ 26 Abs 9 – Klima, Luft, Lärm
Nicht nachvollziehbar sind die Vorgaben in Bezug auf die Geschwindigkeit von Kraftfahrzeugen bzw. für Lärmobergrenzen bei Veranstaltungen im Rahmen eines Stadtentwicklungskonzepts. Derartige Regelungsinhalte sind aus unserer Sicht in einem raumordnungsrechtlichen Planungsinstrument entbehrlich.
§ 26 Abs 21 – Baulanddurchgrünung
Die Formulierung „Forcierung von Fassadenbegrünungen“ ist unbestimmt. Zudem gibt der Erläuterungsbericht keine weiteren Aufschlüsse in Richtung Umsetzung.
§ 26 Abs 22a – Baulanddurchgrünung
Der Unterpunkt 2 dieser Bestimmung wird als überbordend eingestuft.
§ 26 Abs 24 – Baulanddurchgrünung
Die Verstärkung der extensiven Dachbegrünung wird grundsätzlich positiv beurteilt. In diesem Zusammenhang regen wir aber einen Bezug auf die geltende ÖNORM L 1131 (Mindestbegrünungs-Aufbaudicken) an. Im Sinne des Grundsatzes „Leistbares Wohnen“ muss auch der Kostenfaktor mitberücksichtigt werden.
§ 27 Abs 3a – Siedlungsraum und Bevölkerung
Die mit der letzten ROG-Novelle eingeführte Möglichkeit, Vorbehaltsflächen für den kommunalen Geschosswohnbau ausweisen zu können (§ 26a StROG) sehen wir nach wie vor kritisch. Vor diesem Hintergrund lehnen wir auch die im STEK geplante Erhöhung von Vorbehaltsflächen für den kommunalen Wohnbau ab. Aus Sicht der betroffenen Branchen reichen die derzeitigen Regelungsmöglichkeiten wie z.B. Bebauungspläne oder privatwirtschaftliche Vereinbarungen völlig aus.
§ 27 Abs 8–11 – Wohnen
Die Ausführungen zu den gegenständlichen Bestimmungen stufen wir generell als überbordend ein. Kritisch sehen wir insbesondere die Eingriffe in die Gestaltungsfreiheit und daraus entstehende Kostensteigerungen.
§ 30 – Technische Infrastruktur und Verkehr
Im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Mobilität regen wir an, dass diese Punkte mit der gerade in Ausarbeitung befindlichen Mobilitätsstrategie 2040 abgestimmt werden.
Zu einzelnen Punkten im Räumlichen Leitbild – Änderungsvorschläge:
§ 3 Z 6 – Abstellplätze
Aus unserer Sicht ist diese Reglung im Räumlichen Leitbild entbehrlich.
§ 4 Abs 7-9 – Bereichstypen
Hinsichtlich der beschriebenen typischen Gebäudevolumen für die verschiedenen Bereichstypen regen wir an, diese zur Klarstellung mit dem Zusatz „oberirdische Kubatur“ zu versehen.
§ 6 – Festlegung der Bereichstypen
Die Regelung, wonach straßenseitige Balkone nicht zulässig sind, ist aus unserer Einschätzung überschießend. So sollten z.B. „Französische Balkone“ als Gestaltungselement straßenseitig grundsätzlich zulässig sein.
Die WKO Steiermark ersucht um Berücksichtigung der vorgebrachten Änderungs- bzw. Ergänzungswünsche.
Freundliche Grüße
Ing. Josef Herk, Präsident
Dr. Karl-Heinz Dernoscheg, MBA, Direktor
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