Blick auf einen gelben Bagger auf erdigem Grund
© Adobe Stock/Superingo.jpg

Öffentliche Aufträge in Bewegung

Experten befürchten, dass ohne Vorabregistrierung – wie vom Bundesministerium für Justiz  gefordert – Unternehmer, die an einer Ausschreibung interessiert sind, wesentliche Informationen schlicht und einfach übersehen.

Lesedauer: 1 Minute

Aktualisiert am 22.09.2023

In einem aktuellen Rundschreiben fordert das Bundesministerium für Justiz (BMJ) die Bereitstellung von Ausschreibungsunterlagen ohne eine Vorabregistrierung. Gerfried Weyringer, Experte im WKO-Rechtsservice, informiert über den vergaberechtliche Hintergrund und was das für die Praxis bedeutet: „Wird ein Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung durchgeführt, dann sind die Ausschreibungsunterlagen ausschließlich auf elek-tronischem Weg kostenlos, direkt, uneingeschränkt und vollständig zur Verfügung zu stellen. In der Bekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung ist die Internet-Adresse anzugeben, unter der diese Unterlagen abrufbar sind.“ 

Registrierungsprozess ist unzulässig

Aktuell müssen sich interessierte Unternehmen zuerst unter Angabe ihrer Kontaktdaten kostenlos registrieren, um dann die Ausschreibungsunterlagen herunter-

zuladen, die auf elektronischen Vergabeplattformen bereitgestellt sind. Für das BMJ ist ein derartiger Registrierungsprozess aber unzulässig. Weyringer mit der Begründung:  „Eine Internetadresse entspricht nur dann den gesetzlichen Vorgaben, wenn sie direkt auf die genaue Website mit den spezifischen Ausschreibungsunterlagen (und nicht etwa allgemein auf die Startseite) des Auftraggebes verweist und einen uneingeschränkten Zugang zu den Ausschreibungsunterlagen ohne Registrierungspflicht bietet.“ Das BMJ stützt diese Ansicht insbesondere auf ein bereits etwas älteres Urteil des EuGH. In einem Kommentar der Estermann Pock Rechtsanwälte GmbH heißt es dazu: „Der vom BMJ geforderte Entfall einer Vorabregistrierung ist jedenfalls für die praktische Abwicklung von Vergabeverfahren nicht unbedingt förderlich: Die vorherige Registrierung auf einer Vergabeplattform hat insbesondere den Zweck, dass die jeweiligen Unternehmen automatisch verständigt werden können, wenn der Auftraggeber die Ausschreibung berichtigt oder andere zusätzliche Informationen (z.B. FAQ) bereitstellt. Ohne Vorabregistrierung werden die an einer Ausschreibung interessierten Unternehmen wesentliche Informationen übersehen.“ 

Das BMJ informiert auch darüber, dass die bisherigen Standardformulare für Bekanntmachungen und Bekanntgaben in der EU durch sogenannte „eForms“ abgelöst werden. Dazu der WKO-Experte: „Im Wesentlichen handelt es sich dabei um digitale Standardformulare, von deren Verwendung sich die Europäische Kommission erhebliche Verbesserungen im Hinblick auf die Datenqualität von Bekanntmachungen und Bekanntgaben erwartet.“ 

Ab 25. Oktober gelten nur noch „eForms“

Spätestens ab 25. Oktober sind  eForms von allen öffentlichen Auftraggebern verpflichtend zu verwenden. Auf Bekanntmachungen und Bekanntgaben in Österreich hat die (verpflichtende) Einführung von eForms keine unmittelbaren Auswirkungen. Solange das BVergG 2018 nicht novelliert wird, sind für Bekanntmachungen und Bekanntgaben weiterhin die Kerndaten gemäß Anhang VIII BVergG 2018 zur Verfügung zu stellen: https://360.lexisnexis.at/d/bvergg_2018_anlage8/L-20010295-L8?origin=tc



17.700 öffentliche Auftraggeber vergeben österreichweit jährlich 25.000 Aufträge in Höhe von rund 14 Prozent des BIP von 447,7 Milliarden Euro (2022).