Blick auf große Container für Exporte von oben
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Lieferketten als Fesseln für Exportfirmen

Die EU-Pläne für ein neues Lieferkettengesetz stoßen bei Unternehmen auf heftige Kritik. Praxistauglichere Lösungen für KMU werden gefordert.

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Aktualisiert am 02.11.2023

Wenn Wifo-Chef Gabriel Felbermayr über die „Politisierung des Außenhandels“ spricht, mischen sich in das Aufzeigen von Chancen für die heimische Wirtschaft zunehmend handfeste Warnungen. Forscher wie Felbermayr sprechen dann mit Hinweis auf die komplex vernetzten Volkswirtschaften, weltweite Arbeitsteilung und Abhängigkeiten von Rohstoffen und Vorprodukten auch schon Mal von „Weaponized Interdependence“ – von Verflechtungen, die zur Waffe werden können. 

Österreichs diesbezügliches Abwehrschild ist jedoch löchrig, die Abhängigkeit von Auslandsmärkten latent. Allein die Exportquote der steirischen Wirtschaft liegt bei 51 Prozent, die Hälfte aller Arbeitsplätze in der Steiermark ist – ob direkt oder indirekt – vom Außenhandel abhängig. Entsprechend hohe Bedeutung haben funktionierende Transportwege und Lieferketten als tragende Versorgungsnetzwerke dieses Systems. „Wenn wir weiterhin wertschöpfende Arbeit bei uns haben wollen, müssen die Lieferketten funktionieren“, mahnt Manfred Kainz, Obmann des Außenhandels. Bei den Wirtschaftsvertretern wachsen diesbezüglich aber Sorgen und Kritik.  

Zum einen bringen Krisen wie die Corona-Pandemie, Kriege wie in der Ukraine oder in Nahost oder Einzelereignisse wie Naturkatastrophen, Streiks oder Schiffshavarien die Planbarkeit auch kurzfristig immer wieder ins Wanken. Zum anderen erschweren EU-eigene Vorschriften und Regularien den Handelsalltag. Aktuelles Beispiel: die im Februar 2022 von der EU-Kommission präsentierte „Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit“ – kurz: die Lieferkettenrichtlinie.

Die EU will damit Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards verpflichten – und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette ihrer Produkte. In den Betrieben sorgt das für massive Kritik. „Muss ein Unternehmen tatsächlich den Lieferanten des Lieferanten des Lieferanten kennen“, fragt sich beispielsweise Andreas Gerstenmayer, Vorstandschef des weltweit agierenden Technologieunternehmens AT&S. 


Marktversagen droht

Denn die Richtlinie betrifft nicht nur klassische Lieferanten, sondern sämtliche geschäftliche Aktvitäten, insbesondere solche, die mit Handel, Vertrieb und Transport zu tun haben. Wie die Unternehmen eine derartige Dokumentationspflicht und den notwendigen Dialog mit potenziell Hunderten von Vertragspartnern führen sollen, ist völlig offen. Fest steht nur, dass ein Nichteinhalten und -befolgen hohe Strafzahlungen und ein Verbot, sich künftig an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen, zur Folge hätte. Gerstenmayer hält die vorliegende Regelung aus diesem Grund für „schlichtweg nicht umsetzbar“.

Wirtschaftsvertreter drängen daher auf praxistauglichere Lösungen. Es wird befürchtet, dass größere Unternehmen die Verpflichtungen zur Aufzeichnung der Nachhaltigkeit an ihre Lieferanten weitergeben. Die Einhaltung des Lieferkettengesetzes würde dann auch Klein- und Mittelbetriebe treffen. „Es geht um die Absicherung von Rohstoffen, Vorarbeiten, Assembling und Veredelung, die geleistet werden und funktionieren müssen“, warnt Kainz vor einem Bumerangeffekt für den Standort: „Wenn das nicht möglich ist, suchen sich Inves­toren Alternativen, die es überall auf der Welt gibt.“

Karl Hartleb, Leiter des Internationalisierungscenters Steiermark (ICS), bezeichnet eine – auch für die steirische Wirtschaft und ihren hohen Komplexitätsgrad taugende – Lösung als eine der „großen wirtschaftlichen Herausforderungen dieses Jahrzehnts“. Jedoch fehle bislang nicht nur europaweit, sondern auch global eine systematische geopolitische und geoökonomische Betrachtung, sagt Peter Klimek, Leiter des Supply Chain Intelligence Institutes Austria. Dramatische Folgen drohen: „Wenn man immer nur dem Pfad des niedrigsten Preises folgt, kann das zu einem Marktversagen führen.“  

Das sagen Vertreter aus der Steirischen Exportwirtschaft

Steirische Unternehmen brauchen ein faires System, weil sie als Abnehmer und Lieferanten in globale Lieferketten eingebunden sind.

Funktionierende Lieferketten in einer immer stärker vernetzten Welt sind essenziell. Es braucht stabile Partnerschaften.

Eine Kontrollpflicht gegenüber allen Lieferanten weltweit ist realitätsfern und schlichtweg nicht umsetzbar