Jürgen Roth (l.), Obmann der Fachgruppe Energiehandel, und Stefan Hausberger von der TU Graz, präsentieren den biogenen Diesel-Ersatz HVO100 - hier als eine klare Flüssigkeit in einer Flasche.
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Klimaschonender Treibstoff hält Einzug an heimischen Tankstellen

Künftig kann man auch mit seinem Diesel-Auto einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Und zwar wenn man den neuen Treibstoff HVO100 tankt – ein biogener Diesel-Ersatz, der im Vergleich zu fossilem Diesel die CO2-Emissionen um bis zu 90 Prozent senkt, und das bei vergleichsweise geringen Mehrkosten. In der Transportbranche ist HVO100 mittlerweile bereits weitverbreitet, und auch für die private Nutzung ist der Klimaschutz-Treibstoff bereits an einigen Tankstellen in Graz und Graz-Umgebung erhältlich.

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Aktualisiert am 10.06.2024

An den Tankstellen bieten sich neue und vielversprechende Möglichkeiten, um CO2-Emissionen zu senken. Das Schlagwort lautet HVO, was für „Hydrated Vegetable Oil“, also „hydriertes Pflanzenöl“, steht. Es wird aus Abfällen und Reststoffen, etwa Frittierfetten und Ölen, hergestellt. Damit ist es möglich, CO2-Emissionen über den Lebenszyklus des Kraftstoffs einzusparen und somit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten - und das mit einem herkömmlichen Diesel-Kraftfahrzeug. „HVO ist geruchlos, farblos und hat bessere Verbrennungseigenschaften als herkömmliche Dieselprodukte“, so Jürgen Roth, Obmann der Fachgruppe Energiehandel in der WKO Steiermark. Für die Transportunternehmen ist HVO bereits jetzt eine attraktive und vor allem schnell umsetzbare Alternative zu herkömmlichem Dieselkraftstoff. Jetzt soll HVO auch im Markt für Private vermehrt angeboten werden.

HVO ist der erste wichtige Schritt am Weg in Richtung CO2-Neutralität, gefolgt von E-Fuels und Elektroantrieb. Mit HVO wird ein realistisches Szenario für den CO2-Ausstieg möglich, denn der Elektroantrieb allein wird in dem von der EU und von Österreich vorgegebenen Zeitraum nicht funktionieren. Der große Vorteil zum jetzigen Zeitpunkt ist, dass man HVO um wenige Cent pro Liter teurer tanken kann, gleichzeitig aber um 90% CO2 einsparen kann. Dafür muss man kein neues Elektro-Auto kaufen, sondern man kann einfach seinen Diesel-PKW verwenden.

 

Bis zu 90% weniger CO2-Emissionen

Das finnische Unternehmen Neste ist der weltgrößte Hersteller von erneuerbarem Diesel. Für die Herstellung der Produkte verwendet Neste eine Vielzahl von Rohstoffen von über 600 Lieferanten aus der ganzen Welt. Über 90 Prozent der weltweit eingesetzten erneuerbaren Rohstoffe des Unternehmens sind Abfälle und Reststoffe. Neste hat ein Verfahren entwickelt, um diese Stoffe in hochwertige erneuerbare Produkte zu verwandeln, die zu 100 Prozent aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt werden. Wichtig zu wissen: „HVO ist kein E-Fuel, denn E-Fuels entstehen auf Basis von Wasserstoff und CO2, HVO hingegen basiert auf einer Vielzahl von Fetten und Ölen“, so Jörg Hübeler von Neste. HVO ist freilich nicht HVO, vor allem, was die tatsächliche CO2-Einsparung betrifft. „Wenn Altspeiseöl und Altfette als Rohstoffe genutzt werden, dann passen die minus 90%“, so Stefan Hausberger vom Institut für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme an der TU Graz. „Bei Raps oder Sonnenblumen sind es noch minus 40%, wenn Palmöl als Rohstoff genutzt wird, ergeben sich sogar Diesel-Mehremissionen.“ Das liegt daran, dass für den Anbau dieser Pflanzen Wald gerodet werden muss. Palmöl wird jedoch ohnehin seit 1. Juli 2021 nicht mehr als Biokraftstoff angerechnet.

 

Die Verwendung von HVO aus Reststoffen statt fossilem Diesel ist aus Umwelt- und Fahrzeugsicht absolut sinnvoll. Die Motoren vertragen HVO problemlos und die CO2-Emissionen aus der ganzen Kette von Kraftstofferzeugung bis Verbrennung im Motor können um ca. 90% gesenkt werden. Wer es sich leisten kann, der sollte die geringen Mehrkosten je Liter als Beitrag zum Klimaschutz in Kauf nehmen.

Geringfügig teurer als normaler Diesel

HVO ist im Vergleich zu herkömmlichem Diesel nur geringfügig teurer, die Höhe bewegt sich durchschnittlich in einem einstelligen Cent-Betrag. Wer also in Österreich durchschnittlich unter 15.000 Kilometer im Jahr fährt, muss derzeit mit jährlichen Mehrkosten von lediglich rund 30 Euro rechnen. Zudem müssen keinerlei Umrüstungen bei den Fahrzeugen vorgenommen werden.  


Hier gibt’s HVO bereits

Im Großhandel ist HVO für gewerbliche Kunden mittlerweile fast überall erhältlich und wird auch in ganz Österreich verkauft. Für Private ist HVO in der Steiermark aktuell an ausgewählten Tankstellen erhältlich (siehe Link unten). „Wir rechnen damit, dass in den nächsten Wochen zahlreiche Tankstellen dazukommen. Für HVO gibt es eine eigene Zapfsäule mit dem Hinweis ‚HVO100‘ und zusätzlichen Informationen“, so Jürgen Roth. „Ein Problem ist aktuell, dass das Wissen über HVO noch nicht allzu weit verbreitet ist. Deswegen ist es auch wichtig, den Kfz-Handel über die klimafreundliche Alternative zu informieren.“

 

Aktuell bieten Tankstellen von Roth in Graz sowie von Rumpold in Weißenbach, Lang und Seiersberg HVO100 an. In Kürze werden weitere Rumpold-Stationen folgen, etwa in Graz, Kainbach und Eggersdorf, aber auch in Klagenfurt, Bruckneudorf (Burgenland) und Sollenau (NÖ). Unter diesem Link finden sich tagesaktuell alle Tankstellen, die HVO anbieten:

https://stations.iqcard.at/de/tankstellen

 

Alle Tankstellen mit HVO und HVO100 weltweit sowie weitere Informationen zum Thema: https://efuelsnow.de/tankstellen-karte. Information zu offiziellen Hersteller-Freigaben findet man hier: https://hvo100.team/freigaben-modelle-typen-fahrzeughersteller-hvo100/

 

Mit HVO im Kampf gegen den Klimawandel 

Bis 2025 wird die globale HVO-Produktion voraussichtlich 30 Mio. Tonnen überschreiten. Mittel- und langfristig bieten skalierbare und nachhaltige Rohstoffquellen weitere Mengenpotenziale. „Unsere jährliche Produktionskapazität für erneuerbare Produkte liegt derzeit bei 5,5 Millionen Tonnen und wird sich bis Ende 2026 auf 6,8 Millionen Tonnen erhöhen“, so Jörg Hübeler. Wichtig sei dabei die Erweiterung des bestehenden Rohstoff-Pools bei gleichzeitiger Erschließung neuer Quellen. „Erhebliches Wachstumspotenzial als Rohstoff für erneuerbare Produkte bieten etwa Algen und Lignozellulose sowie Pflanzenöle aus regenerativen landwirtschaftlichen Konzepten.“

 

Wir denken, dass wir alle Lösungen brauchen, um den Klimawandel wirkungsvoll zu bekämpfen und dass eine einzige Lösung nicht ausreicht. Elektrifizierung ist wichtig und richtig, aber selbst bei Erreichen ehrgeiziger Ziele besteht weiterhin erheblicher Bedarf an flüssigen Kraftstoffen. Nachhaltige synthetische Kraftstoffe, einschließlich E-Fuels, haben zusammen mit Elektromobilität das Potenzial, bis 2040 mehr als 50 Prozent des fossilen Rohölverbrauchs im Verkehrssektor zu ersetzen.