WKO Steiermark Präsident Josef Herk und Direktor Karl-Heinz Dernoscheg vor Medienvertretern
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„Das Wirtschaftsklima ist und bleibt frostig“

Die steirischen Unternehmen blicken pessimistisch in die Zukunft. Umfassende Entlastungen und Anreize werden gefordert.

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Aktualisiert am 08.07.2024

Die Sommertemperaturen spiegeln die konjunkturelle Großwetterlage derzeit nicht wider: „Das Wirtschaftsklima ist und bleibt höchst frostig“, fasst Wirtschaftskammer-Steiermark-Präsident Josef Herk das Ergebnis des aktuellen „Wirtschaftsbarometers“ zusammen. Die auf den Angaben von 722 teilnehmenden Unternehmen basierende Umfrage zeigt ein teilweise dramatisches Bild der aktuellen Situation.  Der Negativtrend der letzten beiden Jahre setzt sich nämlich nahtlos fort. Konkret melden aktuell 61,5 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer eine Verschlechterung; nur 6,6 Prozent können sich über eine Verbesserung freuen. Unterm Strich ergibt das den in der Grafik oben abgebildeten Saldenwert von minus 54,9 Prozentpunkten.

Auch die Zukunftserwartungen bleiben trist: Das Erwartungssaldo für die kommenden zwölf Monate hat sich bei minus 42,5 Prozentpunkten eingependelt. „Damit liegen wir zwar etwas besser als in der letzten Umfrage, von einer baldigen Besserung oder gar einem Aufschwung kann aber keine Rede sein“, fasst Herk die Situation zusammen. So zeigen die Trendpfeile nicht nur beim allgemeinen Wirtschaftsklima, sondern auch bei der Geschäftsentwicklung des eigenen Unternehmens nach unten. Besonders dramatisch äußert sich das in der Investitionsbereitschaft – einem Indikator für den Glauben an eine prosperierende Zukunft: Sie bleibt aktuell am Tiefpunkt eingefroren und unterschreitet im Saldo mit minus 29 Prozentpunkten sogar das bisherige „All-Time-Low“ (minus 20,8 Prozentpunkte) der letzten Konjunkturumfrage. „Ein Alarmzeichen“, so Herk. 


Investitionsbremse

Mittelfristig ist keine Trendwende in Sicht. 41 Prozent der Unternehmen erwarten für die kommenden zwölf Monate einen Rückgang ihres Investitionsvolumens, fast jeder fünfte steirische Betrieb plant überhaupt einen Investitionsstopp. Die Zurückhaltung fußt nicht zuletzt auf den Erfahrungen der vergangenen Monate. So hat der Saldo der Umsatzentwicklung im letzten Jahr mit minus 8,4 Prozentpunkten erneut die Null-Linie unterlaufen. Auch auftragsseitig  zeigt sich mit minus 19,5 Prozentpunkten ein deutlich negatives Wirtschaftsklima. Und für die kommenden Monate wird ein Fortschreiben dieser Entwicklung erwartet. Sorgen bereiten diesbezüglich vor allem die exportorientierten Unternehmen, so Wirtschaftskammerdirektor Karl-Heinz Dernoscheg: „Sie leiden unter einer schwindenden Wettbewerbsfähigkeit, unter anderem durch hohe Lohnkosten.“ 

„Darum fordern wir eine Senkung der Lohnnebenkosten und – mit Blickrichtung Herbst – moderate KV-Abschlüsse“, betont Herk: „Ein Steuerbonus auf Lohnerhöhungen wäre der richtige Schritt, damit den Mitarbeitern mehr Netto vom Brutto bleibt und nicht der Staat wieder der größte Nutznießer der Lohnerhöhungen ist.“ 

Die aktuelle Entwicklung hinterlässt auch am Arbeitsmarkt Spuren (siehe Seite 2): Knapp ein Drittel der Unternehmen rechnet mit einem Beschäftigungsrückgang. Parallel klagen Betriebe weiterhin über Arbeitskräftemangel – nicht zuletzt, weil Anreize für einen Wiedereinstieg beziehungsweise Mehrarbeit fehlen, wie Herk moniert. 


Zu hohe Arbeitskosten

Er verweist auf die aktuelle „Leistungsagenda“ der Wirtschaftskammer, in der ein Bündel an Forderungen an die Politik formuliert und entsprechende Maßnahmen erarbeitet wurden, um die Situation für die Unternehmen zu entspannen – unter anderem ein Vollzeitbonus sowie Anreize für ein freiwilliges Weiterarbeiten in der Pension, ein Entbürokratisierungspaket inklusive Verfahrensbeschleunigung und die Wiedereinführung einer Investitionsprämie.  

Denn die Wettbewerbsposition gegenüber ausländischen Mitbewerbern verschlechtert sich zunehmend. Die Gründe? Mit 98,3 Prozent auf Platz eins liegen für die Unternehmer die zu hohen Arbeitskosten, gefolgt von Energiekosten mit 71,8 Prozent und überbordender Bürokratie (53,1 Prozent). 


Die Entwicklungen im Detail

UMSATZ. Die Rückmeldungen zur bisherigen Umsatzentwicklung gestalten sich ähnlich wie bei der vergangenen Umfrage. Die Situation in den Unternehmen bleibt angespannt, was in einem Negativsaldo von 8,4 Prozentpunkten zum Ausdruck kommt (Umsatz ist gestiegen: 32,0 %; gesunken: 40,4 %). Den Ausblick für die kommenden zwölf Monate dominieren ebenfalls die pessimistischen Einschätzungen: 24,9 % der befragten Unternehmen – und somit in etwa jeder vierte Betrieb – gehen zwar von einer positiven Umsatzentwicklung aus, 36,6 % rechnen jedoch weiterhin mit einer Abwärtsbewegung. Der Erwartungssaldo legt damit gegenüber der letzten Umfrage zu, fällt aber dennoch mit -11,6 Prozentpunkten negativ aus. 

AUFTRAGSLAGE. Die Beurteilung der bisherigen und erwarteten Auftragslage zeigt ebenfalls eine Aufwärtstendenz, die Saldenwerte fallen aber dennoch negativ aus. Mit -19,5 (bisher) und -19,4 Prozentpunkten spiegeln die Rückmeldungen zu den Auftragszahlen die allgemeine Konjunkturschwäche wider. In den vergangenen zwölf Monaten konnten 25,1 % der Unternehmen einen Anstieg ihrer Auftragszahlen verbuchen, wohingegen 44,6 % Auftragsrückgänge hinnehmen mussten. Ähnlich fallen auch die Erwartungen an die kommenden Monate aus: 18,7 % der befragten Betriebe gehen zum Befragungszeitpunkt von einer Verbesserung der Auftragssituation aus, 38,1 % rechnen mit einer negativen Auftragsentwicklung.      

PREISE. Auch wenn die Inflation weiterhin rückläufig ist, liegen die Salden zur Verkaufspreisentwicklung in den steirischen Unternehmen weiterhin auf überdurchschnittlich hohem Niveau (Saldo bisher: +33,7; erwartet: +19,5 Prozentpunkte). Gegenüber der Umfrage im Winter 2023 gibt es keine wesentlichen Veränderungen: 53,0 % haben bisher ihre Verkaufspreise erhöht, 36,1 % gehen auch künftig eher von einer Anhebung ihres Preisniveaus aus. 

INVESTITIONEN. Die Investitionsbereitschaft der steirischen Unternehmen ist seit 2023 von deutlicher Zurückhaltung geprägt. Der Saldo zur Entwicklung des Investitionsvolumens in den vergangenen zwölf Monaten kommt zum zweiten Mal in Folge unter der Nulllinie zu liegen. Mit -20,8 Prozentpunkten fällt dieser sogar marginal schlechter aus als in der Winterumfrage. Insgesamt haben 17,2 % ihr bisheriges Investitionsvolumen erhöht und 38,0 % dieses gesenkt. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen ist auch in den kommenden Monaten keine Trendumkehr zu erwarten: 41,2 % gehen von einer (weiteren) Reduktion aus, nur 12,2 % planen in den kommenden Monaten mehr zu investieren – Ersatzbedarf bleibt dabei das Hauptmotiv (54,6 % der befragten Unternehmen). Jeder fünfte befragte Betrieb plant keine Investitionen zu tätigen, obwohl gerade Investitionen in Zukunftstechnologien notwendig wären, um den Produktivitätsfortschritt in der heimischen Wirtschaft voranzutreiben. 

BESCHÄFTIGUNG. Dem aktuellen Konjunkturbild entsprechend fallen auch die Rückmeldungen zur Beschäftigungsentwicklung aus. In den vergangenen zwölf Monaten hat sich die Beschäftigtenzahl in 25,5 % der befragten Betriebe erhöht und in 31,4 % verringert. Der Saldo kommt damit bei -5,9 Prozentpunkten zu liegen. In puncto Erwartungen setzt sich die Seitwärtsbewegung fort: 31,4 % rechnen künftig mit einem Rückgang ihrer Mitarbeiterzahl, 8,1 % planen hingegen Personal aufzustocken (Saldo: -23,3 Prozentpunkten). Sofern sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht wesentlich verbessern, ist auch mit einer Trendwende am steirischen Arbeitsmarkt nicht zu rechnen. Trotzdem bleibt der Fachkräftemangel virulent, für 31,5 % zählt der Arbeitskräftemangel zu den größten Herausforderungen. 

EXPORT. Die steirische Exportwirtschaft erwies sich in der Vergangenheit immer als Stütze der heimischen Wirtschaft, nun beginnt diese aber zunehmend zu wanken. Erstmals seit der Corona-Krise liegt der Saldo des bisherigen Exportumsatzes wieder unter der Nulllinie bei
-14,1 Prozentpunkten. Nur mehr 17,5 % der befragten Exportunternehmen konnten in den vergangenen zwölf Monaten ihren Exportumsatz steigern, 31,6 % sahen sich mit Rückgängen konfrontiert. Der Ausblick gibt aber Anlass zur Hoffnung: 31,6 % zeigen sich optimistisch gestimmt, wohingegen 23,9 % von einer (weiteren) Verschlechterung ausgehen. Der Erwartungssaldo kommt damit erstmals seit zwei Jahren wieder im Positivbereich bei +7,7 Prozentpunkten zu liegen.

 

Wirtschaftsklima in den Regionen

Das allgemeine Wirtschaftsklima wird seit der Corona-Krise als schwierig eingestuft. Auch im Sommer 2024 ist diesbezüglich keine deutliche Verbesserung zu erkennen, wenngleich sich in der regionalen Betrachtung durch-aus Unterschiede zeigen. In der Region Murau-Murtal fallen die Einschätzungen sowohl zur bisherigen (-6,8 Prozentpunkte) als auch zukünftigen Entwicklung (-22,4 Prozentpunkte) vergleichsweise am besten aus. Auch im Großraum Graz (Saldo bisher: -37,2; erwartet: -27,9 Prozentpunkte) ist die Stimmung – trotz Negativsalden – besser als im steirischen Durchschnitt. Auf den hinteren Rängen finden sich hingegen u.a. die Oststeiermark, wo der Saldo zum bisherigen Wirtschaftsklima mit -75,4 Prozentpunkten den Steiermarkwert klar unterschreitet, sowie die Hochsteiermark. Dort ist die Skepsis beim Ausblick besonders stark ausgeprägt (Erwartungssaldo: -58,9 Prozentpunkte). 

 

Geschäftslage nach Betriebsgröße

EIN-PERSONEN-UNTERNEHMEN. Die wirtschaftlichen Herausforderungen, mit denen die Ein-Personen-Unternehmen (EPU) seit einiger Zeit konfrontiert sind, werden auch im Sommer 2024 nicht weniger. Die Geschäftslage ist weiterhin angespannt und drückt auf das Gemüt. Die Umsatzentwicklung der letzten zwölf Monate weist einen Saldo von -12,3 Prozentpunkten (gestiegen: 29,2 %; gesunken: 41,5 %) auf und hat sich seit dem vergangenen Winter (Wintersaldo: -1,5 Prozentpunkte) weiter verschlechtert. Die Umsatzerwartungen, die zuletzt noch knapp positiv ausgefallen sind, rutschen mit -6,6 Prozentpunkten ins Negative: 23,6 % der befragten steirischen EPU rechnen mit einem Anstieg ihres Gesamtumsatzes im weiteren Jahresverlauf, einen Umsatzrückgang erwarten hingegen 30,2 %.

KLEINUNTERNEHMEN. Etwas besser stellt sich die Geschäftslage der steirischen Kleinunternehmen im Vergleich zu den Wintermonaten dar. Der Saldo von +9,9 Prozentpunkten ist der höchste Wert innerhalb der Größenklassen und zudem der Einzige im positiven Bereich. 39,8 % konnten ihren Umsatz in den letzten zwölf Monaten erhöhen, 29,9 % vermelden einen Rückgang. Für die folgenden Monate sind die Umsatzerwartungen zwar etwas optimistischer als im Winter, jedoch mit -8,9 Prozentpunkten nach wie vor mit einem negativen Vorzeichen versehen (Umsatz wird steigen: 23,8 %; wird sinken: 32,8 %). Die Stimmung der steirischen Kleinunternehmen bleibt somit für die zweite Jahreshälfte gedämpft. 

MITTELUNTERNEHMEN. Das Konjunkturprofil der steirischen Mittelunternehmen zeigt mehrheitlich einen Trend nach unten. Die Umsätze haben sich in den letzten zwölf Monate verschlechtert, was sich in einem Saldo von -5,7 Prozentpunkte ausdrückt (Umsatz bisher gestiegen: 33,8 %; gesunken: 39,5 % einen Rückgang). Der Ausblick für die kommenden zwölf Monate deutet ebenfalls auf keine wesentliche Trendumkehr hin: 28,4 % erwarten sich zwar eine Steigerung ihres Umsatzes, 32,7 % rechnen jedoch mit einem (weiteren) Umsatzrückgang. Der daraus resultierende Erwartungssaldo von -4,2 Prozentpunkten bleibt damit – trotz Verbesserung gegenüber Jahresende 2023 – unter der Nulllinie. 

GROSSUNTERNEHMEN. Die schwierige Wirtschaftslage zeigt sich vor allem bei den Rückmeldungen der steirischen Großunternehmen deutlich. Auch im Sommer 2024 fällt das Konjunkturprofil überwiegend negativ aus (Saldo: -34,9 Prozentpunkte). 19,9 % gelang noch ein Umsatzzuwachs, mehr als die Hälfte (54,8 %) war jedoch mit einem Rückgang konfrontiert. Auch der Ausblick bleibt getrübt: Der Erwartungssaldo hat sich zwar verbessert, erweist sich aber mit -25,0 Prozentpunkten als negativ (Umsatz wird steigen: 21,7 %, sinken: 46,6 %).


Was die Wirtschaft von der Politik fordert 

WETTBEWERBSFÄHIGKEIT SICHERN

  • Moderate Brutto-KV-Abschlüsse: Steuerbonus auf Lohnerhöhung
  • Wettbewerbsfähige Energiekosten: Energiepreisbremse
  • Lohnnebenkosten senken 

KONJUNKTURIMPULSE VERSTÄRKEN

  • Rasche Umsetzung des Wohnbaupakets auf Landesebene
  • Investitionsimpulse setzen: Investitionsprämie wiedereinführen
  • Entbürokratisierungspaket inklusive Verfahrensbeschleunigung 

LEISTUNGSANREIZE SETZEN

  • Steuerbonus auf Vollzeitbeschäftigung
  • Steuerkurve abflachen: weitere Senkung der Grenzsteuersätze
  • Arbeiten im Alter abgabenrechtlich attraktivieren