Portraitbild Herbert Jerich
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Großinvestition trotz multipler Krisen

Als Unternehmer und „Graz99ers“-Präsident hat Herbert Jerich geschafft, was er von der Politik fordert: „Wir müssen wieder ein wettbewerbstauglicher Standort werden.“

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 07.11.2024

Sie sind seit dieser Saison Präsident des Eishockeyclubs Graz99ers und als solcher sehr umtriebig. Wie geht sich das neben der Führung eines Unternehmens mit knapp 900 Mitarbeitern aus?

Herbert Jerich: Ich bin als CEO schon im Tagesgeschäft aktiv, aber in der glücklichen Lage, dass ich langjährige Angestellte habe, die gleich denken wie ich. Da gibt es großes Vertrauen und eine sehr lange Leine. Gemeinsam stellen wir uns permanent die Frage, wie wir besser werden und Prozessabläufe optimieren können. So haben wir zuletzt 305 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet.

Gehen die Krisen an Ihnen spurlos vorüber?

Nein. Ich habe im Jahr 2020 die Geschäftsführung von meinem Vater übernommen...

... kurz bevor Corona ausbrach und die Energiepreise in die Höhe schossen. 

Am Beginn der Pandemie habe ich tatsächlich zwei bis drei Wochen nicht gewusst, wo die Reise hingeht. Es hat so ausgeschaut, als würde ich das, was mein Vater fünfzig Jahre lang aufgebaut hat, binnen zwei Monaten aus externen Gründen an die Wand fahren, weil unter anderem massive Reiseeinschränkungen für Transportunternehmen im Raum standen. Aber es war dann nicht so dramatisch und wir hatten Glück, weil einer unserer größten Kunden Etiketten herstellte, die auch auf Desinfektionsflaschen gebraucht wurden. Da ging plötzlich ein völlig neuer Markt auf.

Wie wirken sich die aktuellen multiplen Krisen aus?

In Österreich spüren auch wir die allgemeine konjunkturelle Talfahrt. Momentan haben wir vier bis sechs Prozent Gewinneinbruch. Und es wird für die gesamte steirische Wirtschaft noch schlimmer kommen. Die VW-Krise wird sich nicht nur auf die Zulieferer durchschlagen. Es entwickelt sich generell in Europa in eine Richtung, wo die Produktion hier fast nicht mehr erschwinglich sein wird. Allein wir haben drei Mal hintereinander 9,5 Prozent Lohnerhöhung für unsere Mitarbeiter zu verkraften gehabt. Die Kosten sind also massiv gestiegen. Zum Vergleich: Die Schweizer hatten das nicht. Als Folge lassen sie in Österreich nichts mehr produzieren, weil es in der Schweiz gleich teuer ist. Diese Entwicklung kann für ganz Europa noch ein schweres Thema werden. Da ist das Ende noch nicht einmal absehbar. Wir sind aber gerüstet.

Wie?

Wir haben 32 Standorte weltweit.  Wenn man da etwas Neues findet, das zu strukturellen Verbesserungen in den Abläufen führt, kann man die Idee gleich 32 Mal ausrollen. Wenn also in Europa die Wirtschaft schwächelt, können wir auf ein starkes Amerika-Geschäft zurückgreifen. Dort gab es nie eine Null-Zins-Politik, auch die Inflation ist nie so in die Höhe geschnellt und die Kaufkraft blieb erhalten.

Welchen Anteil hat dieser Auslandsmarkt aktuell an Ihrem Gesamtergebnis?

Knapp 20 Prozent. Der Markteintritt dort vor fast 25 Jahren war also eine gute Investition.

Und in Österreich?

Wir werden in den Ausbau unserer Zentrale in Gleisdorf 33 Millionen Euro investieren. Die notwendigen Grundstücke haben wir kürzlich gekauft. Es werden 40 neue Arbeitsplätze entstehen.

Werden Sie die finden?

Wir haben noch immer alle gefunden, die wir brauchen. Wir zahlen aber auch hoch über Kollektiv.

Sie sind unter anderem Geschäftspartner von Amazon. Hören Sie in diesem Zusammenhang daheim in Gleisdorf manchmal Kritik, dass Sie als regional stark verwurzeltes Unternehmen mit einem Riesen kooperieren, der den lokalen stationären Handel umbringe?

Dazu kann ich nichts sagen. Wir sind Serviceprovider und machen zehn Millionen Shipments für Amazon. Ich fühle mich da in keiner Position, wo ich sagen kann, Amazon ist schlecht. Im Gegenteil: Amazon hat die Welt verändert. Es gibt einige Vorteile für den alltäglichen Gebrauch. Wenn man da was bestellt, habe ich kein schlechtes Gewissen.

Was muss sich am Standort Österreich ändern?

Wir müssen wieder ein wettbewerbstauglicher Standort werden, an dem man sich eine Produktion leisten kann. Das inkludiert Lohnnebenkosten bis zu Energiebepreisungen. Die EU darf da nicht am Ast sägen, auf dem sie sitzt. Denn die Chinesen sind währenddessen mit ihren Windkrafträdern und den Solaranlagen schon über Plan. Die haben zwar noch immer Kohlekraftwerke. Aber wenn eine Solaranlage ein Kohlekraftwerk abdeckt, werden sie es abschalten. In der EU wird dagegen eilig gesagt „Ich schalte ab!“, man weiß aber nicht, wie man den Bedarf decken kann. Was Brüssel da macht, ist eine Kindergarten­politik. 


ZUR PERSON

Herbert Jerich führt seit 1. Jänner 2020 den von seinem Großvater als Transportunternehmen gegründeten und seinem Vater zu „Jerich International“ ausgebauten Logistikspezialisten. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Gleisdorf hat weltweit 32 Standorte in 22 Ländern. Der dreifache Vater ist zudem seit März Präsident des Grazer Eishockeyvereins „Graz99ers“