Burger steht auf einem Haufen Mehlwürmer
© Robin Consult

„Großes Krabbeln“ wird nun zur Mahlzeit

Insekten-Snacks, Dubaischokolade oder Fermente: Neue Produkte erobern den Markt. Warum das so ist und worauf Produktentwickler achten müssen.  

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Aktualisiert am 06.02.2025


Wer im Februar in einem der Restaurants von Le Burger Platz nimmt, könnte große Augen machen. Neben Klassikern serviert die Gastrokette nun auch den „Wormwich“ – einen Burger, der anstatt aus einem saftigen Rindfleischpatty aus einem Mehlwurm-Laibchen besteht. Wer nun das Gesicht verzieht, sei beruhigt. Für Ekel gebe es laut Lebensmitteltechnologe Lukas Teschmit von Le Burger keinen Grund: „Die Mehlwürmer werden getrocknet, zu Proteinmehl vermahlen und mit weißen Bohnen, roten Rüben und Knoblauch zu Pattys verarbeitet. Die Textur ist saftig und der Geschmack nussig.“ Das Vorhaben von Le Burger ist gewagt, jedoch wird hierzulande immer mal wieder mit Krabbeltieren in Nahrung experimentiert. 2021 hat die Europäische Kommission erstmals Larven von Mehlkäfern für den Lebensmittelmarkt freigegeben. Später legte man mit Wanderheuschrecken, Hausgrillen und Bufallowürmern nach. Mit gutem Grund: Insekten gelten als proteinreich, enthalten Omega-3-Fettsäuren, B-Vitamine, Mineralstoffe und ungesättigte Fettsäuren. 

Le Burger-Gründer Thomas Tauber und Geschäftsführer Lukas Tauber stehen nebeneinander
© Le Burger Le Burger-Gründer Thomas Tauber und Geschäftsführer Lukas Tauber

Mit Mehlwürmern und deren Vorteilen kennt sich auch Simon Berner vom Institut für nachhaltiges Lebensmittelmanagement an der FH Joanneum aus. Der Lebensmitteltechnologe und Zukunftsforscher untersuchte jahrelang, wie sich Mehlwürmer als alternative Proteinquelle für Menschen nutzen lassen. Massentauglich sind sie jedenfalls nicht: „Essen ist etwas sehr Traditionelles. Weder Insekten noch das oft ins Spiel gebrachte Laborfleisch werden Fleisch in Zukunft völlig ablösen. Das Mehlwurm-Laibchen beispielsweise ist eine Aktion. Es wird immer ein paar Leute geben, die das probieren wollen und denen es schmeckt. Bei Insekten herrscht aber in unseren Breitengraden schon eher Skepsis.“ 

Weniger Fleisch, mehr pflanzliche Alternativen

Schnell und radikal verändern wird sich unser Essen also nicht. Neue Produkte kommen aber dennoch ständig auf den Markt. Generell werde in der Lebensmittelindus­trie zwischen Hypes und Trends unterschieden. Die Dubaischokolade sei ein gutes Beispiel für ersteres: „Von einem Hype spricht man bei Lebensmitteln dann, wenn sie schnell Fahrt aufnehmen, heutzutage häufig auch von Sozialen Medien befeuert. Sie sind neu, schmecken vielleicht gut, aber ihr Erfolg ist nicht planbar. Er kommt, vergeht aber auch meist wieder schnell.“ 

Simon Berner im Labor der FH Joanneum
© Andrea Jerković Simon Berner beschäftigt sich an der FH Joanneum mit Foodtrends

Anders ist es bei sogenannten Trends, die eine gesellschaftliche Entwicklung widerspiegeln. Als Beispiel nennt Berner das „convenience food“, also Fertiggerichte, oder auch den Trend zu weniger Fleisch. Zahlen von Statistik Austria untermauern die Entwicklung. So betrug 2023 der Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch 86,6 kg, das entspricht einem Rückgang von 10,9 kg im zehnjährigen Vergleich. Und auch bei der Milch gab es 2023 mit 76 kg pro Kopf einen geringeren Verbrauch gegenüber 2022 (-3 kg). Heimische Lebensmittelhändler können das bestätigen. Spar verzeichnet bei Fleischersatz-Produkten eine zweistellige Zuwachsrate. Einer der aktuellen Bestseller sei ein Veggie-Leberkäse aus Erbsenproteinen. Ähnlich die Lage bei Billa: Jede zehnte verkaufte Milch sei aktuell bereits eine rein pflanzliche Variante.

Was heißt das nun für heimische Lebensmittelentwickler? „Wenn man ein neues Produkt kreieren möchte, dann macht es durchaus Sinn, auf Trends zu setzen, da diese beständiger sind. So hält sich das Produkt möglichst lange am Markt. Weniger Fleischkonsum entspricht der derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklung. Aber natürlich ist es für Firmen auch nicht unbedingt schlecht, Hypes zu nutzen. Wenn man da rechtzeitig einsteigt, kann man durchaus profitieren“, weiß Berner. 

Mit einer guten Idee allein ist es aber noch nicht getan. „Die Idee ist nur ein kleiner Teil. Ich muss mir als Entwickler aber auch einen Überblick über die benötigten Rohstoffe verschaffen, über die Marktsituation, die juristischen Rahmenbedingungen, über die Produktion und vieles mehr. Eine Idee hat erst einen Wert, wenn sie den Innovationsprozess durchlaufen hat. Es hilft, die Fragestellungen strukturiert anzugehen, sich zu vernetzen, selbstkritisch zu sein und sich auch fachkompetente Unterstützung zu suchen, wo man diese braucht.“

Wenn man ein neues Produkt kreieren möchte, dann macht es durchaus Sinn, auf Trends zu setzen, da diese beständiger sind. So hält sich das Produkt möglichst lange am Markt. 

Steirische Entwickler, die Rat benötigen, müssen sich jedenfalls nicht allein den Kopf zerbrechen. Hilfe bietet sowohl der Styrian Food Hub mit einer Food Masterclass in Graz (mehr dazu unten) als auch das Institut von Simon Berner. Gemeinsam mit Studierenden werden Lösungen erarbeitet und bei Bedarf auch Technologien entwickelt. „Zu uns kam einmal ein Lebensmittelunternehmen, das zu viele Tomaten hatte und nicht wusste, wie man sie am besten vermarkten kann. Mit unseren Studierenden haben wir dann verschiedene Prototypen entwickelt. Die Firma wählte das regionale Ketchup, das wir dann noch finalisiert haben und das es seither zu kaufen gibt.“ 

Von heute auf morgen gehe  das selbstverständlich nicht: Für die Entwicklung eines einfachen Produkts, wie eines Müsliriegels, brauche das Institut drei bis sechs Monate. Ist das Lebensmittel komplexer oder benötigt man für die Herstellung auch eine eigene Anlage, müssen Gründer sechs bis zwölf Monate Entwicklungszeit einplanen.