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Die steirische Wirtschaft befindet sich in einer tiefen Rezession

Der steirischen Wirtschaft weht zum Jahresende weiter ein eisiger Konjunkturwind um die Ohren. Davon zeugen die Umfragewerte des aktuellen Wirtschaftsbarometers: Sie zeugen bei der Frage nach dem Wirtschaftsklima von einer tiefen Rezession.

Lesedauer: 7 Minuten

Aktualisiert am 11.12.2024

Für die heimische Wirtschaft bleiben die Konjunkturaussichten auch 2025 herausfordernd. Hohe Arbeits- und Energiekosten sorgen angesichts der angespannten weltwirtschaftlichen Lage für ein weiterhin höchst frostiges Wirtschaftsklima im Steirerland – das zeigt das aktuelle Wirtschaftsbarometer deutlich auf: 77,8 Prozent der 720 befragten Unternehmer melden in dieser großen Konjunkturumfrage der WKO Steiermark eine weitere Verschlechterung der allgemeinen Wirtschaftssituation zurück, während nur 4,2 Prozent eine Entspannung feststellen – ergibt unterm Strich einen Negativsaldo von -73,6 Prozentpunkten.

Auch in Bezug auf ihre Erwartungen für 2025 sehen nur wenige Unternehmen Licht am Ende des Tunnels (6,7 Prozent), der Großteil (58,6 Prozent) zeigt sich weiterhin pessimistisch. „Ohne entsprechende politische Maßnahmen ist keine baldige Trendumkehr in Sicht“, mahnt WKO Steiermark Präsident Josef Herk.  

Karl-Heinz Dernoscheg und Josef Herk stehen neben einander und halten Wirtschaftsbarometer-Karten vor sich
© Foto Fischer Direktor Karl-Heinz Dernoscheg und Präsident Josef Herk

Negativ eingeschätzt wird nämlich nicht nur das allgemeine Wirtschaftsklima, sondern auch die bisherige Entwicklung des eigenen Unternehmens. Mit Ausnahme des Preisniveaus befinden sich sämtliche Saldenwerte weiterhin im Minusbereich. Das steirische Konjunkturprofil im Detail: Gesamtumsatz -4,6 Prozentpunkte, Auftragslage -27,9 Prozentpunkte, Preisniveau +31,3 Prozentpunkte, Investitionen -22,8 Prozentpunkte und Beschäftigung -5,7 Prozentpunkte.


Bei den Erwartungen ist das Bild ein ähnliches. Der Saldenwert für die künftige Entwicklung des Gesamtumsatzes kommt bei -15,4 Prozentpunkten zu liegen, jener der Auftragslage bei -22,6 Prozentpunkte, das Preisniveau kommt auf +23,3 Prozentpunkte, die Investitionserwartungen auf -20,6 Prozentpunkte und der Beschäftigungsausblick auf -20,8 Prozentpunkte.

„Die Situation ist und bleibt ernst, die Herausforderungen sind groß. Es braucht seitens der Politik endlich entschiedene Taten, um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts zu stärken. Konkret brauchen wir eine Entlastung der Unternehmen, speziell was die Kosten für Arbeit aber auch Energie betrifft“, betonen Josef Herk und Direktor Karl-Heinz Dernoscheg.


76,3 Prozent (Arbeitskosten) bzw. 36,7 Prozent (Energiekosten) der im Wirtschaftsbarometer befragten Betriebe geben an, dass sich ihre Wettbewerbsposition gegenüber ausländischen Mitbewerbern aus diesen Gründen verschlechtert habe. Dazu kommen die allgemeine Unsicherheit (61,9 Prozent), Bürokratie (57,8 Prozent), Nachfrageschwäche (50,8 Prozent) sowie – nach wie vor – der Arbeits- und Fachkräftemangel (47,2 Prozent) und weiters zu hohe Steuern und Abgaben (41,2 Prozent). „Die Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts muss jetzt oberste politische Priorität haben“, betonen Herk und Dernoscheg, die in diesem Zusammenhang einen „Steuerbonus auf Lohnerhöhungen“ und die Wiedereinführung einer Investitionsprämie fordern. Darüber hinaus gelte es Leistungsanreize für mehr Vollzeitarbeit und ein längeres Arbeiten im Alter zu setzen.    



Die steirische Wirtschaftsentwicklung im Detail

UMSATZ. Obwohl der Trendpfeil des bisherigen Umsatzsaldos nach oben gerichtet ist, bleibt dieser mit -4,6 Prozentpunkten unter der Nulllinie. Von 35,2 % der befragten Unternehmen hat die Umsatzentwicklung einen positiven Pfad eingeschlagen, bei 39,8 % setzt sich der Negativtrend fort. Den Ausblick für das kommende Jahr dominieren ebenfalls die pessimistischen Einschätzungen: 36,3 % der befragten Betriebe – und somit mehr als jeder Dritte – rechnen mit einem weiteren Rückgang ihres Gesamtumsatzes in den nächsten zwölf Monaten, 20,9 % gehen von einer Aufwärtsbewegung aus. Der Erwartungssaldo verschlechtert sich daher gegenüber der Sommer-Umfrage und fällt auf -15,4 Prozentpunkte.  

AUFTRAGSLAGE. Die Trendpfeile zur Auftragslage sind ebenfalls nach unten gerichtet, die zumindest leicht positive Tendenz der letzten Sommer-Umfrage konnte sich leider nicht fortsetzen. Im Gegenteil: Der Saldo zur bisherigen Auftragslage markiert mit -27,9 Prozentpunkten den niedrigsten Wert seit der Corona-Krise (Auftragslage hat sich verschlechtert: 49,1 %; verbessert: 21,2 %). Auch die Auftragserwartungen bringen den Ernst der Lage zum Ausdruck: Nur mehr 15,3 % der befragten Unternehmen erwarten steigende Auftragszahlen im kommenden Jahr, 37,9 % rüsten sich für einen weiteren Auftragsrückgang. Der Erwartungssaldo kommt dementsprechend im Winter 2024 bei -22,6 Prozentpunkten zu liegen und damit zum fünften Mal in Folge unter der Nulllinie. 

PREISE. Auch wenn sich die Inflation im Laufe des Jahres wieder normalisiert hat, liegen die Salden zur Verkaufspreisentwicklung in den Unternehmen weiterhin auf überdurchschnittlich hohem Niveau (Saldo bisher: +31,3; erwartet: +23,3 Prozentpunkte). Insgesamt rechnen 37,7 % mit einem (weiteren) Anstieg ihrer Verkaufspreise in den kommenden Monaten. Hauptgrund dafür sind vor allem die gestiegenen Löhne und Gehälter. 

INVESTITIONEN. Das Investitionsklima bleibt frostig: Der Saldo zur Entwicklung des Investitionsvolumens in den vergangenen zwölf Monaten erreicht mit -22,8 Prozentpunkten einen neuen Tiefststand. Insgesamt haben 17,7 % ihr bisheriges Investitionsvolumen erhöht und 40,6 % dieses gesenkt. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen ist auch in den kommenden Monaten keine Trendumkehr zu erwarten: 37,0 % gehen von einer (weiteren) Reduktion aus, nur 16,3 % planen in den kommenden zwölf Monaten mehr zu investieren – Ersatzbedarf bleibt weiterhin das Hauptmotiv (60,6 % der befragten Unter-nehmen). Rund jeder fünfte befragte Betrieb plant gar keine Investitionen zu tätigen, obwohl diese gerade jetzt notwendig wären, um den Produktivitätsfortschritt in der heimischen Wirtschaft voranzutreiben.  

BESCHÄFTIGUNG. Die hohen Arbeitskosten in Kombination mit der schwachen Auftragslage belasten die steirischen Unternehmen sehr und wirken sich allmählich auch auf die Beschäftigungsentwicklung aus. In den vergangenen zwölf Monaten hat sich die Beschäftigtenzahl in 24,1 % der befragten Betriebe erhöht und in 29,8 % verringert. Der Saldo bleibt damit auf dem Niveau der diesjährigen Sommer-Umfrage bei -5,7 Prozentpunkten. In puncto Erwartungen sind ebenfalls keine großen Veränderungen zu beobachten: 36,5 % rechnen künftig mit einem Rückgang ihrer Mitarbeiterzahl, 15,7 % planen hingegen Personal aufzustocken. Daraus resultiert ein Negativsaldo von -20,8 Prozentpunkten, womit ein ähnliches Ergebnis wie bei den letzten fünf Umfragen erzielt wird.

EXPORT. Die steirische Exportwirtschaft, die für gut die Hälfte der Wirtschaftsleistung verantwortlich ist, leidet besonders unter den schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der zunehmend schlechter werdenden internationalen Wettbewerbsposition Österreichs. Der Saldo des bisherigen Exportumsatzes, der im Sommer erstmals seit der Corona-Krise unter die Nulllinie gefallen ist, setzt seine Abwärtsbewegung im Winter 2024 weiter fort: Nur 18,7 % der befragten Exportunternehmen konnten in den vergangenen zwölf Monaten ihren Exportumsatz steigern, 42,9 % sahen sich mit Rückgängen konfrontiert. Auch der Ausblick zeigt vorerst keine Besserung an: 25,0 % sind optimistisch gestimmt, wohingegen 33,5 % von einer (weiteren) Verschlechterung ausgehen. Der Erwartungssaldo rutscht damit wieder in den Negativbereich auf -8,5 Prozentpunkte. 

 

Wirtschaftsklima in den Regionen

Das Wirtschaftsklima in den Regionen fällt auch im aktuellen Wirtschaftsbarometer pessimistisch aus. Dieses Ergebnis spiegelt sich in einem im Vergleich zur Sommerumfrage niedrigeren Saldenniveau wider. Regionale Unterschiede sind vorhanden, verändern jedoch nicht das Gesamtbild. Die Einschätzungen zur bisherigen bzw. erwarteten Entwicklung in der Region Murau-Murtal (Saldo erwartet: -38,5 Prozentpunkte) fallen trotz negativen Vorzeichens besser aus als in den übrigen Regionen, zeigen aber die angespannte Wirtschaftslage deutlich auf. Im Großraum Graz (Saldo bisher: -66,4 bzw. erwartet: -43,4 Prozentpunkte) sowie in Liezen (bisher: -72,2 Prozentpunkte; erwartet -64,4 Prozentpunkte) liegt man ebenfalls teilweise über dem Steiermarkschnitt. In allen übrigen Regionen wird das Wirtschaftsklima noch schlechter bewertet: Die Hochsteiermark blickt schwierigen Monaten entgegen (bisher: -77,1; erwartet: -76,2 Prozentpunkte), in der Oststeiermark (bisher: -79,4 bzw. erwartet: -46,4 Prozentpunkte) bzw. dem Schlusslicht Süd-/Weststeiermark (bisher: -82,4 Prozentpunkte; erwartet: -53,7 Prozentpunkte) liegen die Salden ebenfalls weit unter der Nulllinie. 

Geschäftslage nach Betriebsgröße

EIN-PERSONEN-UNTERNEHMEN. Die Geschäftslage der steirischen Ein-Personen-Unternehmen (EPU) bleibt weiterhin angespannt, auch wenn die Trendpfeile – anders als in den übrigen Größenklassen – was die eigene unternehmerische Tätigkeit angeht, mehrheitlich nach oben gerichtet sind. Die Umsatzentwicklung der letzten zwölf Monate weist einen Saldo von -1,0 Prozentpunkt auf (gestiegen: 30,6 %; gesunken: 31,6 %). Damit haben sich die Umsatzerwartungen bei steirischen EPU, die zuletzt noch negativ ausgefallen sind, entgegen der allgemeinen Entwicklung erholt: 31,6% der befragten steirischen EPU rechnen mit einem Anstieg ihres Gesamtumsatzes im weiteren Jahresverlauf, einen Umsatzrückgang erwarten hingegen 21,4 % (Erwartungssaldo: +10,2 Prozentpunkte).

KLEINUNTERNEHMEN. Die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schlagen sich auch im Konjunkturbild der steirischen Kleinunternehmen nieder: Der Umsatzsaldo verringert sich gegenüber der diesjährigen Sommer-Umfrage und kommt mit +1,9 Prozentpunkten nur knapp über der Nulllinie zu liegen. Anders als in den übrigen Größenklassen verzeichneten damit noch geringfügig mehr Kleinunternehmen eine positive (36,5 %) als eine negative Umsatzentwicklung (34,6 %) in den vergangenen zwölf Monaten. Für die folgenden Monate bleiben die Umsatzerwartungen – wie auch schon bei den letzten Befragungen – mit einem negativen Vorzeichen versehen (Gesamtumsatz wird steigen: 23,6 %; wird sinken: 31,4 %). Die Stimmung der Kleinunternehmen bleibt damit vorerst gedämpft.

MITTELUNTERNEHMEN. Auch die steirischen Mittelunternehmen spüren die Auswirkungen der Re-zession deutlich. Die Umsätze haben sich in den letzten 12 Monate verschlechtert, was sich in einem Saldo von -6,1 Prozentpunkten ausdrückt (Umsatz bisher gestiegen: 36,2 %; gesunken: 42,3 %). Der Ausblick für die folgenden zwölf Monate deutet ebenfalls keine Trendumkehr an: 22,4 % erwarten sich zwar eine Steigerung ihres Umsatzes, 38,2 % rechnen jedoch mit einem (weiteren) Umsatzrückgang. Der daraus resultierende Erwartungssaldo von -15,8 Prozentpunkten verschlechtert sich gegenüber der Sommer-Umfrage und fällt weiter unter die Nulllinie.

GROßUNTERNEHMEN. Die Ernsthaftigkeit der aktuellen Wirtschaftslage zeigt sich vor allem an den Rückmeldungen der steirischen Großunternehmen, die Wachstumsaussichten sind demnach für das kommende Jahr stark eingetrübt. Der Saldo der bisherigen Umsatzentwicklung bleibt mit -15,6 Prozentpunkten trotz Aufwärtsbewegung klar negativ. Der Ausblick steht im Zeichen der Rezession: Der Erwartungssaldo verschlechtert sich auf -31,4 Prozentpunkte (Umsatz wird steigen: 12,2 %; sinken: 43,5 %). 

Was die Wirtschaft von der Politik fordert

WETTBEWERBSFÄHIGKEIT SICHERN

  • Lohnkostendynamik bremsen: Steuerbonus auf Lohnerhöhung
  • Lohnnebenkosten senken
  • Wettbewerbsfähige Energiekosten: Energiepreisbremse

KONJUNKTURIMPULSE VERSTÄRKEN

  • Investitionsimpulse setzen: Investitionsprämie wiedereinführen
  • Entbürokratisierungspaket inklusive Verfahrensbeschleunigung
  • Rasche Umsetzung des Baupakets

LEISTUNGSANREIZE SETZEN

  • Steuerbonus auf Vollzeitbeschäftigung
  • Steuerkurve abflachen: weitere Senkung der Grenzsteuersätze
  • Arbeiten im Alter abgabenrechtlich attraktivieren