
Ob Asphalt oder Schotter: Immer auf dem Laufenden
Lauschangriff beim Laufen, Schuhe aus der Spraydose oder Sohlen mit Sprungfeder-Eigenschaften: Die Sportartikelindustrie versucht mit Produktinnovationen mit dem Lauf-Boom Schritt zu halten.
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Der Ort, an dem die Revolution stattfindet, liegt hinter einer unscheinbaren Tür mit Milchglasscheiben. Es ist die Entwicklungsabteilung der Schweizer Sportschuhmarke „On“ in Zürich. Hier hat ein Team an einer völlig neuartigen Produktionsmethode für Laufschuhe getüftelt. „LightSpray“ nennt sie sich. Der Clou: Auf das Sohlenelement wird mittels automatisierten Fertigungsprozesses ein Obermaterial aufgesprüht. Diese Methode bringt neben einer sockenähnlichen, optimalen Passform einen ressourcenschonenden Materialeinsatz (sieben statt 34 Einzelteile, 75 Prozent weniger Kohlenstoffemissionen) und vor allem eine neue Bestzeit in der Produktion: Gerade einmal drei Minuten braucht es, bis ein Schuh einsatzbereit gefertigt ist. Und das nicht in Asien, sondern wo immer man die circa zwei mal vier Meter große Box mit den Roboterarmen hinstellt. Mehr Innovation am Laufschuhmarkt geht fast nicht.
Gravel? Marketinggag! Jein.
Andere Neuerungen, die den anhaltenden Lauf-Boom unterstützen und die Absatzzahlen in die Höhe schrauben sollen, sind zumindest massentauglicher als der für Spitzenathleten konzipierte Hightech-Laufpatschen aus der Schweiz. So sind die meisten Marken mittlerweile auf den neuen Trend „Gravel Running“ aufgesprungen – ein Mix aus dem klassischen Straßenlauf und dem mittlerweile schon etablierten und anhaltend wachsenden Trailrunning-Segment. Marketing-Gag? Jein. Tatsächlich sorgen die dafür eigens entwickelten Sohlen für Halt und gute Rückstoßeigenschaften auf jedem Terrain.
Für das reine Geländelaufen hat Salomon
indes ein neues, vierteiliges Sohlensystem am Start, bei dem der Mix verschiedener Schaumstoffmischungen im wuchtigen Mittelbau, eine reaktionsfreudige Dämpfung und die speziell designte Außensohle mit kugelförmigen Ausbuchtungen und gezielt gesetzten Druckpunkten Stabilität im Gelände garantieren.
Strittig bleibt die Frage nach Carbon-Platten. Im Straßenlaufbereich bieten mittlerweile sämtliche Hersteller für bestzeiten-hungrige Hobbysportler entsprechende Modelle, die den Schuh dank dieser Sohlen-komponente im Abroll-verhalten zwar spürbar versteifen, aber am Asphalt bei richtiger Technik für einen fast trampolinartigen Abstoß sorgen. Im Trailrunning gehen die Philosophien der Marken jedoch auseinander. „Um von diesen Eigenschaften zu profitieren, braucht es eine Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 17 km/h“, rechnet Österreichs Traillauf-Ikone Markus Kröll vor. Wenn man langsamer ist, bleibt die Wirkung aus und das Gesamtsystem Schuh-Sprunggelenk wird aufgrund der Steifigkeit der Sohle instabil. Salomon verzichtet daher auf Carbon im Gelände, andere wie Adidas, Hoka, Nike oder Altra haben es in ihren Modellen verbaut.
Der unterschätzten Bedeutung passender Laufsocken trägt X-Bionic Rechnung und liefert speziell auf die Schuhe abgestimmte Socken. Am Bekleidungssektor setzt sich der Trend zu nachhaltigen Textilien fort. In den Regalen matchen sich natürliche Fasern wie Merinowolle mit funktionellen Pflanzenfasern aus Zuckerrohr- oder Maisresten. Gemeinsam ist den nachwachsenden und den erdölbasierten Funktionsfasern, dass sie Atmungsaktivität, Feuchtigkeitsmanagement und optimalen Sitz vereinen wollen, um eine Überhitzung oder ein Auskühlen des Körpers zu vermeiden.
Musik über den Kieferknochen
Nur laufen muss man noch selbst. Das Konservieren der Leistung übernehmen wiederum Wearables aller Art. Für sichere Unterhaltung sorgen hier Außenohrkopfhörer, wo es ebenfalls Neuerungen gibt. Als innovativ gilt die Idee, über den Kopfhörer das Atemmuster während des Trainings zu überwachen, um über das „Schnaufen“ – als Ergänzung zu all den Daten, die Laufuhren liefern – ein besseres Verständnis des Belastungsniveaus zu erreichen.
Klaus Höfler