
Wenn „Senior Talents“ noch einmal richtig Gas geben
Im Ruhestand weiterarbeiten? Für 80 Prozent denkbar. Wie Senioren und Betriebe davon profitieren, zeigt die Region Schladming-Dachstein
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Ans Aufhören denkt Manfred Steinberger noch lange nicht. 40 Jahre gearbeitet – das hat er bereits. Und auch das Alter für den Pensionsantritt hat Steinberger schon erreicht, doch der 65-Jährige kann es nicht lassen. Im Hotel Schütterhof ist er nach wie vor geringfügig als Allrounder beschäftigt: Mal arbeitet er als Wanderführer, mal macht er Saunaaufgüsse oder aber er kümmert sich um die Schwimmbad- und Gästebetreuung. Warum er das macht? Für ihn eine klare Sache: „Ich bin beschäftigt und immer unter Menschen. Das hält fit – körperlich und geistig“, erzählt der Schladminger. Seinen Chef, Hotelier Roland Gyger, freut das Engagement. Keine Sekunde lang habe er gezögert, den Pensionisten weiterhin stundenweise zu beschäftigen: „Manfred ist ein Vollprofi. Wir sind wirklich froh über sein Know-how und auch, dass er zeitlich flexibel ist.“

Steinberger ist mit seinem Einsatz nicht allein. 1,86 Millionen Senioren leben in Österreich. Fast 16 Prozent arbeiten im Ruhestand zumindest zeitweise weiter. Die Gründe sind vielfältig. Doch fast die Hälfte gibt laut Statistik Austria an, es aus Freude an der Arbeit zu tun. Das weiß die Region Schladming-Dachstein zu nutzen. Die vielen hier angesiedelten Tourismusbetriebe haben bereits seit geraumer Zeit mit einem Arbeitskräftemangel zu kämpfen. Um dem entgegenzuwirken, startete der hiesige Tourismusverband (TVB) im Vorjahr das Projekt „Senior Talents“. Das Ziel: Tourismusbetriebe und Senioren sollen unkompliziert zusammengebracht und über die rechtlichen Rahmenbedingungen einer Zusammenarbeit aufgeklärt werden (mehr dazu unten). Damit traf man sowohl bei der Hotellerie als auch bei der älteren Bevölkerung einen Nerv. Nach nicht einmal einem Jahr Laufzeit zählt das Projekt des TVB bereits 13 Partnerbetriebe. Und auch das Interesse der Senioren ist groß, erzählt TVB-Geschäftsführer Matthias Schattleitner: „Wir haben letzten November eine erste Infoveranstaltung abgehalten. 20 Pensionisten haben daran teilgenommen. Dieser Andrang hat uns überrascht.“ Für April sei bereits eine Folgeveranstaltung geplant.
Senioren sind die besten und erfahrensten Mitarbeiter. Viele Betriebe und Pensionisten klagen über die rechtlichen Rahmenbedingungen.

Matthias Schattleitner
TVB Schladming-Dachstein
Von Stunde eins im Projekt mit dabei ist auch Hotelbetreiberin Waltraud Bliem: „Jeder im Tourismus sucht händeringend nach Mitarbeitern. Wenn langjährige Beschäftigte auch im Ruhestand weitermachen wollen, ist das ein Glücksfall.“ Aktuell beschäftigt sie im Familienhotel Bliem in Haus im Ennstal zwei Pensionisten. In Zukunft solle aufgestockt werden. „Ich bin wirklich überrascht, wie viel Interesse da ist“, so die Unternehmerin.
Zurück im neun Kilometer entfernten Schütterhof kann sich Branchenkollege Roland Gyger ebenso mehr vorstellen. In den kommenden Jahren stehen viele Pensionierungen in seiner Belegschaft an. Die Schätzung des Hoteliers: „Ein Drittel davon würde im Ruhestand sicher gerne weitermachen. Für Leute im Tourismus ist es fast ein Entzug, wenn sie nicht mehr ständig unter Menschen sind.“ Und er stellt klar: Mit Zwang habe das rein gar nichts zu tun: „Wir zwingen niemanden, länger zu arbeiten. Bei uns ist jeder willkommen, der Spaß am Job hat und sich die Pension finanziell aufbessern möchte. Das können sowohl Leute mit Tourismuserfahrung sein als auch Quereinsteiger.“

Ein Betrieb, der so gut wie alle Altersklassen vom Lehrling bis hin zum arbeitswilligen Pensionisten beschäftigt: Kann das in der Praxis denn tatsächlich funktionieren? Durchaus, erklärt Klaus Rottenhofer von „Senior Quality“. Die Jobplattform mit Sitz in Graz ist auf ältere Arbeitssuchende spezialisiert und mit diesem Schwerpunkt einzigartig in Österreich. „Firmen erkennen zusehends, dass jede Altersgruppe unterschiedliche Stärken hat und das Zusammenwirken ein Unternehmen widerstandsfähiger und innovativer macht.“ Das Projekt vom TVB Schladming-Dachstein könnte somit auch in anderen steirischen Bezirken Schule machen. Waltraud Bliem ist jedenfalls überzeugt davon.
Und die Jungen? Müssen sie künftig fürchten, keinen Job mehr zu bekommen? Davon ist eher nicht auszugehen. „Sollte sich eine junge Person bei uns bewerben, nehmen wir sie mit Handkuss“, geben Bliem und Geiger Entwarnung