175 Jahre - 1850
© WKO Steiermark

Die WKO: Vom Provisorium bis in die Verfassung des Staats

Teil 1. Aus den Wirren der Revolution 1848 wächst der Vorläufer der heutigen Wirtschaftskammer. Die Unternehmensvertretung wird zu einem Begleiter des Aufschwungs der Republik.  

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Aktualisiert am 06.02.2025

Revolutionen in Frankreich und den Staaten des Deutschen Bundes, Aufstände in Ungarn und Böhmen, Proteste in der Slowakei, Siebenbürgen und Serbien: Es sind turbulente Wochen, die im Frühjahr 1848 auch Österreich – das Machtzentrum der Habsburger-Monarchie – erreichen. Im Oktober beginnt in Wien ein Kampf zwischen kaiserlichen Truppen und Aufständischen, im Dezember dankt Kaiser Ferdinand I. ab, sein Neffe Franz-Joseph I. folgt ihm nach.

Damit war die Revolution in Österreich niedergeschlagen, die Zeit des sogenannten Neo-Absolutismus beginnt. Parallel wird Unternehmen erstmals in Form einer eigenen Vertretung Mitbestimmung eingeräumt, indem die rechtlichen Grundmauern für eine eigene Kammer gelegt werden. Auf den ersten Blick scheint das widersprüchlich, aber der junge Kaiser benötigt wirtschaftliche Prosperität zur Sicherung seiner Macht. Während eine Gründerwelle losbricht (u.a. Maschinenfabrik Andritz, Mayr-Melnhof, Brauindustrie, Puch, Pichler-Elin),  gewährt der Kaiser ökonomische Freiheiten und hält so störende sozialrevolutionäre Strömungen in Zaum. Die dafür eingerichteten Kammern sind als „beratende Institute“ gedacht, die Gutachten über Gesetze aus unternehmerischer Sicht erstellen, Berichte über „den Zustand und Gang der Industrie und des Handels“ erstellen und bei Förderungen und Zolltarifen mitwirken dürfen.

Einstige Handelskammer in der Neutorgasse in Graz
© KK Einstiger Standort der damaligen Handelskammer in der Grazer Neutorgasse

Erst 18 Jahre später (1868) wird im Windschatten des Staatsgrundgesetzes auch ein grundlegendes „Gesetz über die Organisierung der Handels- und Gewerbekammern“ verabschiedet – und gleich einmal eine Reform eingeleitet. Die Kammern werden aus der Bevormundung der Ministerien gelöst und zu autonomen „Körperschaften“. Sie bekommen die Aufzeichnung von Marken- und Musterregistern sowie die Schiedsgerichte in Handels- und Gewerbesachen übertragen. Gleichzeitig wird die Zahl der Standorte auf 29 reduziert, wobei Graz und Leoben aber (vorerst) erhalten bleiben. Erst 1920 wird die jeweilige Landeshauptstadt zum alleinigen Sitz der Bundesländer-Kammern. Ab dann gibt es auch ein Frauenwahlrecht bei Kammerwahlen und – als Ergänzung zum Präsidium – ein „Kammeramt“, das 1991 in „Kammerdirektion“ umgetauft wird. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg und der Reorganisation (Steiermark und Kärnten werden 1939 zur „Wirtschaftskammer Südmark“ bzw. 1942 Gauwirtschaftskammern) wird 1937 mit dem neuen Handelskammergesetz die Einrichtung einer Bundeshandelskammer initiiert.

von Bomben zerstörtes Gebäude der WKO Steiermark im zweiten Weltkrieg
© Stadtarchiv

Nach dem Krieg erfolgt 1946 nicht nur die Wiederbelebung der Kammerorganisation mit einem eigenen „Gesetz zur Errichtung von Kammern der gewerblichen Wirtschaft“ , es werden auch sechs Sparten (Information und Consulting kommt erst 1998 dazu) eingerichtet, in den Bundesländern Wirtschaftsförderungsinstitute (WIFI) installiert und in weiterer Folge die Außenwirtschaftsorganisation (AWO) aufgebaut. Um ein Drittel abgebaut wird hingegen 2005 die Zahl der Fachverbände und Fachgruppen. Auch im Namen kommt es zu einer Änderung: 1993 löst die Bezeichnung „Wirtschaftskammer“ das geschichtsträchtige „Handelskammer“ ab. 

Bevor die Kammern der Sozialpartnerschaft 2007 in den Verfassungsrang gehoben werden, sorgen die Ostöffnung und der EU-Beitritt Österreichs  auf internationaler Ebene für völlig neue Rahmenbedingungen. Die Veränderung bleibt somit eine Konstante in den vergangenen 175 Jahren. Und darüber hinaus.  

Der 18-jährige Franz Joseph wird am 2. Dezember 1848 zum Kaiser von Österreich und König von Ungarn und Böhmen gekrönt. Er regiert bis zu seinem Tod 1916.

In der Frankfurter Paulskirche wird Erzherzog Johann zum deutschen Reichsverweser und damit zum ersten demokratisch legitimierten Staatsoberhaupt Deutschlands gewählt. 

Ein Sägewerk, das in Leoben eröffnet wird, ist Grundstein für die heutige Unternehmensgruppe Mayr-Melnhof-Saurau, den größten Privatforstbetrieb Österreichs.

Eröffnung der ersten Weltausstellung in London. Der für diesen Zweck errichtete Kristallpalast zeigt eine neuartige, mehrstöckige Eisen- und Glasarchitektur.

Russland besetzt Moldau und die Walachei, der osmanische Sultan erklärt Russland daraufhin zusammen mit Frankreich und Großbritannien den Krieg, der sich zum Krimkrieg ausweitet.

Die 42 Kilometer lange Semmeringbahn komplettiert nach sechsjähriger Bauzeit die von Wien bis Laibach reichende Südbahnstrecke. Bis 1857 wird sie bis Triest verlängert.

In Wien werden das Handelshaus Waagner und die Bauschlosserei Biró gegründet. Daraus wächst das Stahlbauunternehmen Waagner-Biró, das 1899 ein Werk in Graz übernimmt. 

Das Bankhaus Rothschild initiiert die Gründung der „k.k. privilegierten Österreichischen Kredit-Anstalt für Handel und Gewerbe“ – die spätere Creditanstalt (CA).

Steinbrucharbeiter entdecken im Neandertal (Nordrhein-Westfalen) Knochenfragmente und einen Schädel. Der Vorfahr des heutigen Menschen wird auf 42.000 Jahre datiert.

Ausgelöst durch Spekulationen im Bahnsektor, breitet sich von New York über London und Hamburg als internationales Handelszentrum die erste Weltwirtschaftskrise aus.

Eine liberale Gewerbeordnung sorgt für einen Gründerboom. Erzherzog Johann stirbt in Graz. Er war Förderer und Modernisierer von Industrie, Landwirtschaft, Eisenbahnwesen und Kultur- und Bildungswesen.

Im gleichen Jahr publiziert Charles Darwin  „Über die Entstehung der Arten“ und präzisiert darin seine Theorie der Evolution durch natürliche Selektion („Survival of the fittest“).