Zeitraum 1920 bis 1929
© WKO Steiermark

Teil 8/2. Börsencrash und Grenzveränderungen: Grenzen im Zeitenfluss

Österreichs Geschichte im 20. Jahrhundert ist geprägt vom Wechsel zwischen „gro­ßen“ und „kleinen“ Wirtschaftsräumen.

Lesedauer: 5 Minuten

Aktualisiert am 10.04.2025

 Von Christoph Huber*

Das Ende des Ersten Weltkrieges – der „Urkatas­trophe des 20. Jahrhunderts“, die insgesamt 17 Millionen Menschen das Leben kostete – markierte einen gro­ßen wirtschaftlichen und politischen Umbruch für Mitteleu­ropa. Das Reich der Habsburger, ein Wirtschaftsraum mit zuletzt rund 52 Millionen Einwohnern, der sich über Jahrhunderte entwickelte, war untergegangen. 

Davor hatte sich in der Doppelmonarchie ein Binnenmarkt Österreich-Ungarn entwickelt, der geprägt war von räumlicher Spezialisierung. So war Ungarn die Kornkammer des Reiches. Böhmen, das Wiener Becken und die Mur- und Mürzfurche fungierten als die industriellen Motoren. Das Tor zur Welt bildete das an der Adria gelegene Triest, das ab 1857 mit der Südbahn an Wien angebunden wurde (siehe Teil 8/3).

Grenzstein zu Slowenien
© KK

Dieses Gesamtkonstrukt zerbrach nach dem Ersten Weltkrieg. Auf dem Gebiet der einstigen Monarchie entstanden mittelgroße Nachfolgestaaten wie die Tschechoslowakei oder Jugoslawien. Die neu gegründete Republik (Deutsch-)Österreich wurde von seiner eigenen Bevölkerung und den politischen Eliten indes als zu klein empfunden – es herrschte weiterhin ein Denken in Großräumen vor. Als Resultat der Friedensverträge blieb aber nur ein kleiner Reststaat über, dessen wirtschaftliches Potential allerdings höher gewesen wäre, als man es ihm zugestanden hatte. Stattdessen sprach sich eine Mehrheit für einen Zusammenschluss mit dem Deutschland der Weimarer Republik aus. Dies untersagten die Entente-Mächte letztlich bei den Pariser Vorortefrieden. Es gab aber auch andere Stimmen, wie den Ökonomen und kurzzeitigen Finanzminister des Jahres 1919, Joseph Schumpeter, der für eine Donauföderation der Nachfolgestaaten eintrat.

Dunkle Kriegsjahre

Die junge Republik stand vor enormen wirtschaftlichen Herausforderungen: Hungersnot, Grenzstreitigkeiten und Hyperinflation – die Preissteigerung lag 1922 um das 12.300-fache höher als vor dem Krieg – prägten den Alltag. Parallel blieben manche Bereiche der Wirtschaft für die Alpenrepublik mit ihren sechs Millionen Einwohnern zu groß dimensioniert, wie der Bankensektor. Nicht zuletzt aufgrund dieser inneren Instabilität wurde Österreich von der von außen einwirkenden Weltwirtschaftskrise und ihren Zollschranken, besonders hart getroffen. Als die Creditanstalt 1931 als eine Folge des globalen Konjunktureinbruchs pleite ging, musste der Staat sie auffangen, was wiederum zu einer Schuldenkrise und einer Anleihe beim Völkerbund führte. Die Industrieproduktion des Landes sank zwischen 1929 und 1933 um 38 Prozent. Die Dollfuß/Schuschnigg-Diktatur („Ständestaat“) versuchte zwar, durch verschiedene Programme Arbeitsplätze zu schaffen und die Arbeitslosenquote zu senken. Es gelang allerdings nicht. Die wirtschaftliche Krise und soziale Not wurde zur Nährlösung für den sich über Deutschland ausbreitenden Nationalsozialismus.  

Grenzkontrolle in Bad Radkersburg
© KK Zollkontrolle an der Grenzbrücke in Bad Radkersburg

Durch den sogenannten „Anschluss“ Österreichs an Hitler-Deutschland im Jahre 1938 hatte man die staatliche Eigenständigkeit verloren. Als Teil des „Dritten Reichs“ war das Land direkt eingebunden in die Kriegspläne der Nationalsozialisten. Die Goldreserven der Österreichischen Nationalbank wurden sofort nach Berlin gebracht. Der industrielle Massenmord und der Raub von Vermögen von Jüdinnen und Juden, Roma und Sinti, Homosexuellen und Regimegegnern und die Auswanderung von Tausenden führte zu sehr großem persönlichen Leid und zu einem intellektuellen Aderlass. Parallel verdoppelte sich zwischen 1937 und 1947 aufgrund des Ausbaus der Kriegsproduktion allerdings die Beschäftigung in der Industrie. Gleichzeitig traten volatile Frontlinien an die Stelle von völkerrechtlich legitimierten Grenzen.

Öffnung zu Europa

Aber bereits in der Moskauer Deklaration von 1943 traten die Alliierten für die Wiedererrichtung Österreichs in den Grenzen der Ersten Republik ein. Das nach dem Krieg soeben vom Nationalsozialismus befreite und vierfach besetzte Österreich musste, vor allem in der sowjetisch besetzten Zone, Plünderungen und Demontagen von Industriebetrieben hinnehmen. Beim Wiederaufbau war man auf diverse Wirtschaftshilfen angewiesen. So erhielt das Land zwischen 1948 und 1953 pro Kopf die dritthöchste Quote an von den USA finanzierter Marshallplan-Hilfe. 

Der „Grenztisch“ in der Südsteiermark steht direkt an der Grenze zu  Slowenien
© Mmuenzl I adobe.stock.com Zeichen des Dialogs: Der „Grenztisch“ in der Südsteiermark steht direkt an der Grenze zu Slowenien

Die Beteiligung an der Planungsgemeinschaft der OEEC bildete schließlich die Grundlage für die weitere Integration Österreichs Richtung Westen. In den 1950ern verdreifachte sich der Handel mit der damaligen Bundesrepublik Deutschland, die zum größten Handelspartner wurde (und es bis heute ist). Die nächste Zäsur folgte 1955: das Ende der Besatzungszeit, dessen „Preis“ die Neutralität des Landes war. Da die Sowjetunion auf Grund des Anschlussverbots an Deutschland im Staatsvertrag eine EWG-Mitgliedschaft untersagte, wurde Österreich 1960 Gründungsmitglied der „kleineren Schwester“ EFTA. Österreich war trotzdem bestrebt, gute Handelsbeziehungen mit der EWG aufzubauen. 1973 erfolgte ein Freihandelsabkommen mit der EWG und drei Jahre später wurde der Schilling an die D-Mark gebunden. 

Der zu Ende gehende Kalte Krieg ermöglichte Österreich eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Das Land wurde 1995 in jene Staatengemeinschaft mitaufgenommen, die mitverantwortlich ist für die längste anhaltende friedliche Periode in der Geschichte ihrer Mitgliedsländer. 


*Christoph Huber forscht am Ludiwg Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung und am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Graz.


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