175 Jahre - 1870
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Krisen als treue Begleiter

Teil 3/2. Von der Monarchie über die Zwischen- und Nachkriegszeit bis in die Gegenwart erschütterten in regelmäßigen Abständen massive Wirtschaftskrisen das soziale und wirtschaftliche Leben in Österreich. 

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Aktualisiert am 13.02.2025

Schon kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs stolperte die junge Republik auf der Suche nach einem funktionierenden Staatskonstrukt in eine veritable ökonomische Schieflage. Das Österreich der Zwischenkriegszeit blieb ein Land der Krisen und Konflikte. Der strukturelle Bruch nach dem Zerfall der Monarchie war durchaus dramatisch und die ökonomische Ausgangslage damit wenig erbaulich: Ein über Jahrhunderte gewachsener, aufeinander eingespielter Wirtschaftsraum, in dem es klare Rollenverteilungen – etwa landwirtschaftliche Produktion auf ungarischem, Kohlebergbau auf tschechoslowakischem, industrielle Erzeugung auf österreichischem Gebiet – gegeben hatte, war zerbrochen und nunmehr durch Zollgrenzen zerschnitten.

Lange Schlange vor Geschäft. Schwarzweiß-Foto
© Stadtarchiv

Der österreichische Anteil war aber – vor allem auf dem Sektor der verarbeitenden Industrie – immer noch bedeutend. „Die gern kolportierte Lebensunfähigkeit Österreichs war eine Mär“, relativiert demzufolge Walter M. Iber, Experte für Wirtschafts- und Sozialgeschichte am Institut für Geschichte der Karl-Franzens-Universität Graz. Was fehlte, war jedoch ein Grundvertrauen in die junge Republik. Was kam, war eine rasante Geldentwertung, die sich ab 1922 zu einer Hyperinflation auswuchs und Österreich an den Rand des Staatsbankrotts trieb. Dazu kam, dass an den Börsen gegen die Krone spekuliert wurde. „Aus Sicht der Regierenden hatte die rasante Geldentwertung kurzfristig sogar ihr Gutes“, so Historiker Iber: Die schwache Währung wirkte als Exportprämie, sie kurbelte die Wirtschaft vorübergehend an und sorgte für Vollbeschäftigung.

Dennoch rutschte Österreich durch den Umgang mit seinen Staatsfinanzen, die hohen Ausgaben für Preisstützungsmaßnahmen, Sozialhilfen und einen überdimensionierten Verwaltungsapparat international in ein schiefes Licht. Als Reaktion wurde immer neues Papiergeld gedruckt – und damit die Inflation angeheizt. Für 10.000 Kronen bekam man 1914 noch einen Häuserblock, im Dezember 1922 dagegen nur noch einen Laib Brot, lautet eines der kolportierten plakativen Rechenbeispiele von damals.

Durch strikte Sparmaßnahmen, die Gründung einer neuen Notenbank und eine Währungsreform, die 1924/25 zur Einführung des Schillings führte, musste die Republik binnen kürzester Zeit ihre Staatsfinanzen ins Gleichgewicht bringen.

Am Ende eilte im Herbst 1922 der Völkerbund Österreich zu Hilfe und übernahm – verbunden mit harten Auflagen – Garantien für Kredite. Iber: „Durch strikte Sparmaßnahmen, die Gründung einer neuen Notenbank und eine Währungsreform, die 1924/25 zur Einführung des Schillings führte, musste die Republik binnen kürzester Zeit ihre Staatsfinanzen ins Gleichgewicht bringen.“ Die Übung gelang, die Verschnaufpause war allerdings nur kurz. 

Der Börsencrash 1929 in New York löste erneut eine Weltwirtschaftskrise aus, die Österreich am Beginn der 1930er-Jahre voll traf. „Das mühsam Wiederaufgebaute stürzte wie ein Kartenhaus in sich zusammen“, so Iber. Die Arbeitslosenzahlen schnellten von ohnehin schon hohen 15,4 Prozent (1930) auf 27,2 Prozent (1933) in die Höhe. Mit der Creditanstalt brach die damals wichtigste österreichische Bank zusammen. Die wirtschaftlichen Probleme  begleitete eine immer schärfere politische Polarisierung, die schließlich im Februar 1934 zu Kämpfen mit mehreren hundert Toten (Februaraufstand) führten. Dieser soziale Unfriede war fruchtbarer Nährboden für den Nationalsozialismus, der wenig später das Land und weite Teile der Welt in eine Katastrophe stürzen sollte.

Anstellen an der Tankstelle. Bild aus den 1970ern
© Brandstetter

Zwar gelang der Wiederaufbau aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs mit Bravour, von den Folgen von (weltweiten) Krisen blieb aber auch die Zweite Republik nicht verschont. So stieß das jahrelange Wirtschaftswachstum durch massive Ölpreisanstiege 1973 und 1979/80 an seine Grenzen und löste in Industrieländern massive Rezessionen aus. Auch in Österreich verteuerten sich Tankfüllungen rapide. Benzinkanister wurden Mangelware, autofreie Tage und ein 100km/h-Tempolimit auf Autobahnen eingeführt. Es war das Ende der billigen Energie.

Österreich leistete sich abseits von globalen Verwerfungen aber auch – befeuert von der internationalen Konjunktur – exklusive nationale Krisen. So rutsche Mitte der 1980er-Jahre die gesamte verstaatlichte Großindustrie in die Pleite. Zehntausende Arbeitsplätze vor allem in der obersteirischen Mur-Mürz-Furche waren in Gefahr oder gingen überhaupt verloren. Die Betriebe mussten mit enormen staatlichen Geldspritzen gerettet werden. Heute gehören viele davon in ihren Branchen zu den Weltmarktführern. Auch diese Kraft zur eigenen Neuerfindung ist ein treuer Begleiter der krisendurchsetzten vergangenen eineinhalb Jahrhunderte.

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