Zeitraum 1910 bis 1919
© WKO Steiermark

Teil 7/1. Das ewige Talent zum Wandel und Wiederaufbau

Als Kernland der Monarchie und Grenzland am Eisernen Vorhang durchlebt die Steiermark einige Zäsuren und wandelt sich vom Agrar- zum Industriestandort. 

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Aktualisiert am 03.04.2025

Große Kriege, kleine Konflikte, Friedensabkommen und Staatsverträge: Militärische und zivile Auseinandersetzungen haben die Geschichte Österreichs wesentlich mitgeschrieben. Es sind Kapitel, die nachhaltige Folgen haben. Sie zeigen sich als immer wieder aufbrechende Narben im kollektiven Gedächtnis, wirken als Auslöser für radikale und bisweilen robuste gesellschaftliche Veränderungen. 

Ausgehend vom Revolutionsjahr 1848 machen sich erste wesentliche Zäsuren an bitteren militärischen Momenten für das damalige Habsburger-Reich fest. Zum einen führt die Niederlage in der Schlacht bei Solferino 1859 zum Verlust der Lombardei, zum anderen verlor man bei der Schlacht bei Königgrätz 1866 den Führungsanspruch unter den deutschen Territorialmächten an Preußen. In der Monarchie selbst musste das Herrscherhaus in weiterer Folge einer ersten Verfassung zustimmen, die schließlich 1867 im Staatsgrundgesetz mündete, das den Bürgern Versammlungsfreiheit sowie die Gründung von Parteien und Gewerkschaften zugestand. Ein rechtlicher Rahmen, der bis heute seine Wirkkraft nicht verloren hat.

Metallablieferung im Jahr 1916
© Graz Museum Metallindustrie im Jahr 1916

Massive gesellschaftliche Veränderungen im Schatten von kriegerischen Auseinandersetzungen brachte dann vor allem auch der Erste Weltkrieg. Durch die frontdienstbedingte Abwesenheit der Männer gewannen die Frauen als tragende Säulen der Gesellschaft an Bedeutung. Sie nutzten dieses Erstarken für erste Emanzipationsschritte. Dieses wachsende weibliche Selbstbewusstsein fand in der verfassungsrechtlichen Verankerung des allgemeinen und gleichen Frauenwahlrechts am 12. November 1918 seinen Niederschlag. Die Zeiten blieben stürmisch. Der durch die Niederlage im Ersten Weltkrieg radikal verkleinerte, junge Nachfolgestaat des untergegangenen Großreichs musste mühsam zu sich selbst finden. Die Einwohnerzahl war von mehr als 60 auf unter sieben Millionen geschrumpft, der einst große Binnenmarkt radikal verkleinert, über Jahrhunderte gewachsene Wertschöpfungsketten durchtrennt, die Fabriken und andere Infrastruktur waren damit zu groß dimensioniert, gleichzeitig aber der Verwaltungsapparat für die auf ihre Pragmatisierung pochenden Beamten aus den ehemaligen Kronländern eigentlich viel zu klein. Die damals aufgeblähte Bürokratie wirkt bis heute nach.

Erbeutete russische und serbische Geschütze
© Graz Museum Erbeutete Geschütze im Ersten Weltkrieg

Gleichzeitig führte die damalige Hyperinflation zu massiver Armut und Unmut über eine quasi Enteignung. Dieses Verlusterlebnis, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg bei vielen wiederholte, verfing sich als Trauma im gesellschaftlichen Gedächtnis und führte langfristig zu einer bis heute anhaltenden, ausgeprägten Sparkultur. Die beiden Weltkriege brachten aber auch demografische Kahlschläge ganzer Jahrgänge. 

Lebensmittelanlieferung im Jahr 1916
© Graz Museum Lebensmittelanlieferung in Graz 1916

Im Zweiten Weltkrieg kam noch die direkte Zerstörung von Infrastruktur und Lebensraum dazu. Der Bombenkrieg machte an der „Heimatfront“ ganze Orstschaften dem Boden gleich. 


Nachhaltige Folgen

Aus dieser Not und Trostlosigkeit wuchs allerdings nach Kriegsende eine radikale Transformation der Steiermark: Sie wandelte sich vom agrarindus­triellen zum industriellen Standort. Waren 1937 noch 39.900 Menschen in der Industrie beschäftigt, waren es 1948 bereits 87.000, die in vielen ehemaligen Rüstungsbetrieben, die im Krieg nicht völlig zerstört worden waren, Arbeit fanden (deutlich größere Schäden hinterließen die Demontagen und Plünderungen der russischen Besatzungsmacht). Neben den Industriebetrieben wurden damals auch Großbanken und Energie­versorgungsunternehmen verstaatlicht. Die Steiermark wird diesbezüglich eines der Kernländer – und in den 1980er-Jahren dadurch zur Krisenregion. Mit dem Talent des steirischen Unternehmertums zum Wandel und Wiedererstarken wachsen aus diesen Turbulenzen nach der Privatisierung einige Unternehmen zu Weltmarktführern. Befeuert wird diese Entwicklung durch eine weitere Zäsur: den EU-Beitritt und die spätere Ostöffnung. Sie bricht davor durch den Kalten Krieg implementierte Grenzlandtristesse auf und bringt die Steiermark zurück ins Zentrum Europas. 


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ratifiziert den Vertrag von Saint Germain.