Thomas Hofer in seinem Büro
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„Wo ist die Mehrheit? Da bin ich auch!“

Strategieberater Thomas Hofer über politische Themensurfer, Gefahren für die Demokratie, Bauchgefühle und Kommunikationsversäumnisse in der Politik.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 28.02.2025

„Wir haben ein Problem“, analysiert Thomas Hofer die aktuelle politische Lage. Ihm fehlt über weite Strecken ein „Common Ground“-Ansatz, der es den einzelnen Lagern ermöglicht, Bereiche von gemeinsamem Interesse zu identifizieren und ein entsprechendes Vertrauen für eine gemeinsame Problemlösung aufzubauen. „In die andere Richtung geht es mir dagegen schon deutlich zu lange“, so der Politikberater. Am „Installateurfachtag“, dem jährlichen Branchentreff der steirischen Installateure, sprach Hofer außerdem über…

... politische Logik:

„Es gibt im politischen Lehrbuch die Idee des Agenda Settings. Das heißt, dass Persönlichkeiten, Parteien oder Bewegungen gewählt werden, weil sie als Agenda-Setter für gewisse Konzepte stehen, für gewisse Ideen, für gewisse Programmatik. Allerdings kommen sie in der aktuellen politischen Landschaft sehr selten vor. Sie wurden abgelöst von einer anderen Spezies von Politikerinnen und Politikern – den Agenda-Surfern. Das heißt, es kommt irgendwo her eine Themenwelle – beispielsweise eine internationale oder nationale Krise – und die politisch Handelnden packen ihre politischen Surfbretter aus, wuchten sich auf die Welle und wollen auf dieser Welle, die sie selbst nicht erzeugt haben, surfen. Und das jedenfalls weiter als der politische Mitbewerber. Das ist mittlerweile in der österreichischen politischen Landschaft die Erfolgsdefinition: dass es einem selber relativ gesehen weniger schlecht geht als dem anderen. Ich glaube nicht, dass das das ist, was sich Bürgerinnen und Bürger von der Politik ganz allgemein erwarten dürfen.“ 

... den Umgang mit Umfragen:

„Sie werden nicht so gelesen, wie sie gelesen werden sollten, nämlich als Orientierungshilfe. Wo man sagt, das sind meine Vorstellungen, das sind meine Konzepte, dorthin will ich. Und wo ist die Bevölkerung? Was muss ich also argumentativ machen und kommunikativ leisten, um zu überzeugen und in eine Richtung voranzugehen. Stattdessen liest man heute Umfragen so, dass man sucht, wo die Mehrheit ist – und sagt: ,Da bin ich auch!‘“

... den Kontrollverlust in der Politik und seine Folgen:

„Wenn die Politik, egal welche Partei, suggeriert, dass man aus Österreich heraus jede Krise lösen kann, ist es Unsinn. Alle wissen, dass das nicht so ist. Aber man hat, und das ist Teil des Problems, aufgrund der chaotischen Situation in unterschiedlichen Bereichen auch nicht das Gefühl als Staatsbürgerin und Staatsbürger, dass da irgendwer am Vorsitz sitzt. Sondern dass die Politik selber Passagier ist. Aber wenn man nicht einmal versucht, in eine Richtung zu gehen, und dabei auch die Unsicherheit erklärt, braucht man sich nicht wundern, wenn aus dem Kontrollverlust etwas anderes entsteht. Nämlich der Vertrauensverlust.“

... Nähe und Sicherheit:

„Gerade in Zeiten eines größer werdenden Kontrollverlusts werden Nähe und Sicherheit wichtiger. Damit steigt die Bedeutung von Institutionen wie Gemeinden oder Bürgermeistern oder für Unternehmen der direkte Kontakt zu den Kunden.“

... die Entwicklung der Demokratie zur „Emokratie“:

„Es ist tatsächlich immer Emotion in der Politik. Bei jeder Wahl gibt es viele Faktoren, aber am Ende ist es ein Bauchgefühl, eine Emotion, die einen diese oder eine andere Partei wählen lässt. Es ist ein Grundproblem der EU, dass sie in ihrer Gesetzgebung, in der Ausrichtung ihrer Politik, zu wenig auf das Bauchgefühl der Bürger achtet. Auch sie könnte etwas mehr auf positive Emotion setzen, weil sich die Emotionen immer stärker von der „Zahlen, Daten, Fakten“-Ebene loslösen. Wenn heute Parteien in ihrer politischen Kommunikation – und das ist durchaus eine gefährliche Entwicklung in der Demokratie – nur mehr in ihren eigenen Kanälen kommunizieren und nicht mehr über allgemeine Plattformen, wo es auch einen Faktencheck gibt, dann brauchen sie keine wahren Zahlen, Daten und Fakten mehr. Sie können ihre eigenen erfinden. In Österreich ist dieser Trend noch nicht so weit fortgeschritten wie in den Vereinigten Staaten. Dort ist es mittlerweile vollkommen wurscht, was sie sagen – wenn es emotional eingebettet ist, funktioniert es. Das ist Emokratie. Das dürfen wir nicht passieren lassen. Wir brauchen als Gesellschaft gemeinsame Plattformen, wo wir gemeinsam Demokratie und die Themen verhandeln, die über unsere Zukunft entscheiden. Wenn wir die nicht mehr haben, dann reden wir nicht mehr miteinander, sondern immer gegeneinander.“

... die Ideologisierung von Themen:

„Die Frage der Elektrifizierung des Verkehrs zum Beispiel ist keine ideologische Frage. Es ist auch keine parteipolitische Frage. Es ist möglicherweise eine ökonomische oder eine ökologische Entscheidung oder kann beides sein – aber es ist jedenfalls keine politische. Dazu wird sie aber in einer ideologisierten Politiklandschaft wie heute immer mehr. Und das ist ein Problem.“

... das Wohlstandsversprechen:

„Die Aufstiegserzählung der Zweiten Republik – dass es den Kindern einmal besser geht – ist ins Rutschen geraten. Das ist nicht gut.“