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„Wir befinden uns in einer Revolution“
Robert Holzmann, Chef der Nationalbank, über Erzherzog Johann, fehlendes Risikokapital, die Vorteile des digitalen Euro und einer Kapitalmarktunion.
Lesedauer: 3 Minuten
Politische Debatten in Österreich rund um eine Bankenabgabe, die weitere Senkung des Einlagenzinssatzes der Europäischen Zentralbank und Zoll-Drohgebärden aus den USA: „Wir befinden uns mitten in einer Revolution der Finanz- und Kapitalmärkte“, analysiert Robert Holzmann die aktuelle Lage. Zum Auftakt des Jubiläumsjahres „200 Jahre Steiermärkische Sparkasse“ sprach der Nationalbank-Gouverneur bei einer Veranstaltung in Graz über ...
... Geldpolitik als Lenkungsinstrument in wirtschaftlichen Krisenzeiten:
„Es wäre ein Fehler, daran zu glauben, dass die Geldpolitik die Dinge in Ordnung bringt. Geldpolitik ist dazu da, die Inflationsrate auf einen Zielwert zu bringen beziehungsweise dort zu halten. Sie kann aber nicht Angebotspolitik sein. Angebotspolitik kann nur die Wirtschaft selbst machen – und ab und zu gestaltend der Staat. Daher ist es notwendig, dass das Kapital, der Kapitalismus und die dahinterstehenden Kräfte wirken. Die Politik kann Rahmenbedingungen vorgeben, aber nicht die Leistung erbringen.“
... die Kapitallücke am europäischen Markt und die amerikanische Konkurrenz:
„Die USA hat in den vergangenen 50 Jahren Zeit gehabt, Kapital anzulegen und es in weiterer Folge zur Verfügung zu stellen in einem Ausmaß, wie es in Europa nur ganz wenige Länder – und nur in Bruchteilen – machen. Diesbezüglich haben wir in den meisten Ländern einen enormen Nachholbedarf. In Österreich sind beispielsweise nur drei Prozent in Pensionsfonds angelegt. In Holland sind es 40 Prozent. Es ist dieser Zugang zum Kapital, das notwendig ist und das in Österreich in hohem Maße fehlt. Da müssen wir nachziehen, was einige Zeit dauern wird. Aber ohne wird es nicht gehen.“
... eine Kapitalmarktunion:
„Die Amerikaner haben große Kapitalinstitutionen, die mit ihrem Geld nach Europa kommen und hier Start-ups aufkaufen. Wir in Europa finanzieren den Kapitalismus der Amerikaner, weil wir hier nicht die Rahmenbedingungen haben, es selbst zu machen. Das muss sich ändern. Daher der Ruf nach einer Kapitalmarktunion – den ich teile.“
... den digitalen Euro:
Ja, wir haben bereits international eine Reihe von Institutionen, die Geld zur Verfügung stellen und es verschicken können. Wir wissen allerdings nicht, ob dieses „Pseudogeld“ gedeckt werden kann. Und ja, wir haben unsere Bezahlkarten. Allerdings können die von Geschäften abgelehnt werden oder gelten nicht in allen Ländern. Der digitale Euro dagegen wäre das einzige Zahlungsmittel, das in jedem Geschäft in Europa angenommen werden muss. Er ist das elektronische Äquivalent zum Bargeld. Das wäre die Revolution von morgen. Daher müssen wir an einem digitalen Euro arbeiten.
... das Dollar-Euro-Verhältnis und Donald Trump:
„Wir haben einen neuen amerikanischen Präsidenten, dessen Pläne und Tun noch nicht so klar einschätzbar sind. Daher ist es auch sehr schwierig vorherzusagen, ob der Dollar als relevante Währung gegenüber dem Euro auf- oder abwerten wird. Wenn Trump beispielsweise seine Zollfantasien einsetzt, wird das aus heutiger Sicht wahrscheinlich zu einer Aufwertung des Dollars und Abwertung des Euros führen – nicht in großen Dimensionen, aber doch messbar.“
... Erzherzog Johann:
„Er war ein Entwicklungsökonom erster Ordnung und eine der Hauptfiguren für den steilen Aufstieg der Steiermark Anfang des 19. Jahrhunderts. Seine Impulse und Initiativen waren etwas, was von der Durchführung und den Anstrengungen her dazu geführt hat, dass es die Steiermark von einem in der ökonomischen Bewertung weit hinten liegenden Land bis in die vorderste Stufe des damaligen Kaiserreichs geschafft hat. Was er nicht nur gepredigt, sondern auch gemacht und umgesetzt hat, ist das, was für Entwicklungsländer heute noch wichtig ist: unter anderem auch Spar-Institutionen aufzubauen. Denn bis dahin existierte die Möglichkeit, Geld als Einkommen anzulegen, nicht. Man konnte es irgendwo verstecken, aber man konnte es nicht einer Institution anvertrauen. Und umgekehrt waren die damaligen Banken – wenn man Geld in Form von Krediten benötigte – nur für den Staat, für die Aristokratie oder für die aufstrebenden, ganz wenigen großen Unternehmen da.“
... den Beginn des Sparkasse-Wesens in Europa:
„Aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien kam die Idee, eine Institution zu schaffen, die die Möglichkeit bot, auch kleine Geldbeträge in Form eines Sparbuchs zu veranlagen. Man konnte das Geld aber auch nehmen, wenn man es brauchte. Der Zugang zu diesem System war einer breiten Bevölkerungsschicht möglich. Es gab keine Diskriminierung. Damit wurde etwas ausgelöst, ohne das der wirtschaftliche Aufschwung, der Beginn des Kapitalismus, unmöglich gewesen wäre. Auch das war eine wahre Revolution.“