Sigrid Stagl
© Lukas Pelz

"Wenn wir es nicht gleich angehen, wird es noch viel teurer werden"

In Baku findet dieser Tage die 29. UNO-Weltklima­konferenz statt. Umweltökonomin Sigrid Stagl über grüne Investitionen als Wettbewerbsvorteil, den Weg zur Energie-Autarkie und die Zukunft des Mobilitätsstandorts Steiermark.

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Aktualisiert am 15.11.2024

Ihr Forschungsfokus ist nachhaltiges Wirtschaften. Mit Blick auf Wetterextreme und die lahmende Wirtschaft: Wie kann dieser Spagat gelingen?

Sigrid Stagl: Transformation kostet, erfordert Veränderung und Investitionen. Wenn wir diese Umstellung so schnell wie möglich bewerkstelligen, ist das ein Wettbewerbsvorteil. Wer jetzt in zukunftsfähiges Wirtschaften investiert, kann auch  ökonomisch profitieren. Umstellungen zu verzögern, macht keinen Sinn. Wenn wir es nicht angehen, wird es noch viel teurer.  

Lassen sich Wirtschaftswachstum und Klimaschutz überhaupt in Einklang bringen?

Dazu muss man sich den Ressourcenverbrauch anschauen und das BIP. Aktuell schaut es nicht danach aus, der Ressourcenverbrauch sinkt nicht ausreichend. Je mehr Menge produziert werden soll, desto stärker müsste die Technologie sein, um Emissionen zu drücken. 

Nachhaltigkeit betrifft längst alle Wirtschaftszweige. Viele Betriebe verbinden das Thema aber mit hohen Auflagen und Kosten. Wie lassen sich solche Zweifel überwinden?

Wer von zukunftsfähigem Wirtschaften spricht, impliziert die Chancen, die dadurch entstehen. Die menschliche Spezies muss sich an die neuen Gegebenheiten anpassen. Wir müssen in Infrastruktur investieren. So können wir nachhaltig besser heizen, kühlen und mobil sein. Am Status quo zu verharren, diese Option gibt es nicht. 

Mittlerweile gibt es umfassende Regulatorien, etwa die ESG-Kriterien. Für nicht nachhaltig wirtschaftende Betriebe wird es schwieriger, an Kredite zu kommen. Wie beurteilen Sie solche Maßnahmen?

Sie sind nützlich und können ein starker Hebel sein, allerdings sind Finanzinstrumente allein zu wenig. Ähnlich ist es mit der CO2-Bepreisung, hier bräuchte es eine kluge Kombination aus Preissignal und Ordnungspolitik. 

Industriebetriebe wie die ­Voest haben viel Geld in grüne Technologien investiert. Lässt man da die Betriebe allein?

Das lässt sich pauschal nicht sagen, es gibt ja viele Förderungen. Die Umstellung ist je nach Branche unterschiedlich aufwändig. Es braucht aber öffentliche und private Investitionen in diesem Bereich.  

Auch die Energiegewinnung ist ein großes Zukunftsthema. Wie schreitet die Energiewende aus Ihrer Sicht voran? 

Da wurde zuletzt ein ordentliches Tempo vorgelegt. Der grüne Strombedarf steigt – beim Umstieg auf E-Mobilität um weitere 18 Prozent. Wir müssen also die Kapazitäten bei erneuerbaren Energien ausbauen. Das Burgenland und Niederösterreich machen es bei den Windkraftanlagen vor. So sollten wir alle geeigneten Standorte und auch Dachflächen für PV nutzen. In Haunoldstein liegt der Selbstversorgungsgrad durch PV-Anlagen, Windräder und Wasserkraftwerk bei 92 Prozent. Das könnten auch viele andere schaffen.  

Die Steiermark ist in der Autoindustrie verankert, jetzt brechen Aufträge weg. Wie lässt sich der Mobilitätsstandort absichern?

Diese Entwicklung kam nicht überraschend, sie hat sich abgezeichnet. Die Arbeitsmarktpolitik ist jetzt gefordert, längerfristig auf andere Sektoren zu setzen, es wird Umschulungen brauchen. Allerdings verfügen die steirischen Betriebe auch über viel Know-how, diese Expertise können sie auch künftig gut einbringen. Die E-Mobilität wird die Zukunft sein. 

Die Versicherungswirtschaft stöhnt unter den häufigen Unwettern. Wie kann hier eine Lösung ausschauen?

Es braucht einen physischen Ausbau beim Hochwasserschutz, aber auch er wird nicht alles abfangen können. Der Anteil der Hochwasseropfer mit ausreichendem Versicherungsschutz ist viel zu gering. Es bräuchte hier eine Kombination aus privater Versicherung  und einer staatlichen Garantie, wenn das Objekt nicht versicherbar ist.

Es gibt noch keine Regierung, aber was braucht es künftig an  politischen Maßnahmen?

Dass Klimaschutz notwendig ist, muss außer Frage stehen. Alle Parteien müssen sich dazu bekennen und Maßnahmen setzen. Wir müssen die Klimaziele bis 2040 erreichen.