„Noch kein Silberstreif am Horizont“
Im hundertsten Jahr seines Bestehens hat der Alpenländische Kreditorenverband unerfreuliche Nachrichten. Direktor Hans Musser erklärt, warum.
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Der Alpenländische Kreditorenverband warnt in seinen letzten Prognosen vor einem „Rekordpleitenjahr“. Wird es dazu kommen?
Hans Musser: Ja. Wir hatten heuer zum Halbjahr 3.500 Unternehmenspleiten und rechnen mit einem ähnlich hohen Niveau im zweiten Halbjahr. Und die Zahlen steigen nicht nur dieses Jahr. 2025 wird es wohl eine weitere Verschlechterung geben.
Woran liegt das?
Zum einen an der aktuellen Konjunkturlage – die Wirtschaft ist da generell nicht frohen Mutes. Zum anderen sind es auch Folgen der großzügigen Förderpolitik während der Pandemie.
Ist Österreich da ein Sonderfall?
Manches kommt bei uns zeitverzögert. In anderen Ländern wurden Förderungen früher zurückgefahren.
War man bei uns zu großzügig?
In Österreich wurden damals sehr viele Unternehmen gestützt, die schon zu diesem Zeitpunkt eigentlich subventionsunwürdig oder aufgrund von Liquiditätsproblemen zumindest am Rande dazu waren. Die trifft es jetzt mit voller Wucht. Das zeigt sich unter anderem auch an der steigenden Zahl von Verfahrenseröffnungsabweisungen, wo sogar nicht einmal mehr die 4000 Euro, die dafür notwendig sind, aufbringbar sind. Allein im Jahr 2023 hat es da eine Steigerung von 17 Prozent gegeben. Das ist erschreckend.
Verharren Unternehmen zu lange in Schockstarre?
Da gibt es zwei Gruppen: Zum einen die, die „Fachleute“ sind, das System kennen und nicht zum ersten Mal in Konkurs gehen. Zum anderen vor allem Familien- und eigentümergeführte Unternehmen, die über keine Insolvenzerfahrung verfügen. Sie haben eine tiefere Beziehung zu ihren Mitarbeitern, kennen deren Lebensumstände, nehmen darauf Rücksicht – und tun nichts oder hoffen zu lange auf eine Rettung beziehungsweise übersehen den Zeitpunkt. Bis dann Finanz oder Sozialversicherung mit ihren Forderungen kommen.
Sind Bundesländer, die besonders industrielastig sind, wie die Steiermark, besonders gefährdet?
Im Augenblick sieht es zumindest nicht rosig aus. Von einem Silberstreif am Horizont zu sprechen, ist jedenfalls verfrüht. Beispiele wie die Fisker-Pleite, die Magna getroffen hat, zeigen die globalen Verflechtungen. Durch das Einbrechen der Konjunktur trifft es zudem Unternehmen, die betriebswirtschaftlich eigentlich gesund sind.
Welche Brachen sind die größten Sorgenkinder?
Aktuell ist es vor allem die Bauwirtschaft – da drohen viele Unternehmen wie die Dominosteine umzufallen, oder zumindest werden sich Neubauten verzögern. Dazu nimmt auch im Handel der Druck zu. Die Leute haben weniger Geld und kaufen auch weniger. Sie verzichten, mit Ausnahme des Urlaubs, auf Investitionen. Parallel geht es auch der Gastronomie nicht unendlich gut. Hier wirkt sich vor allem auch der Personalmangel negativ aus.
Apropos Personal: Die letzten Kollektivvertragsverhandlungen haben bei den Unternehmen zu einer massiven Erhöhung der Personalkosten geführt. Wozu raten Sie für die bevorstehenden Verhandlungen?
Zu moderaten Forderungen. Die an die Inflation angepassten Gehälter haben zuletzt ohnehin massive Sprünge gemacht.
Schlägt sich die angespannte Konjunktur auch bei der Zahlungsmoral nieder?
Bis vor zehn Jahren war der sogenannte „Lieferantenkredit“ – also das zeitverzögerte Zahlen von Rechnungen noch üblich. Mit dem später lange Zeit niedrigen Zinsniveau ist das weniger geworden. Mittlerweile ist die Zahlungsmoral zwar schlechter geworden, gleichzeitig sind Unternehmen aber klüger geworden und sind schneller mit Mahnungen zur Hand. So sind die B2B-Forderungen, die wir außergerichtlich ja auch abwickeln, massiv gestiegen. Im B2C-Bereich glauben viele Konsumenten, dass sich Unternehmen das Einfordern von Kleinbeträgen nicht antun – was aber nicht stimmt.
Traditionell gilt die Öffentliche Hand als Bereich, bei dem die Zahlungsmoral besonders schlecht ist. Woran liegt das?
Das ist eine tradierte und gepflegte Realität. Zwar gibt es einige Gemeinden, die sofort zahlen und auch ein Skonto geltend machen können, aber vor allem Land und Bund sind lahme Zahler. Dagegen kann man als Unternehmen relativ wenig tun. Zumindest kann man darauf vertrauen, dass das Geld irgendwann kommt.