Astrid Steharnig-Staudinger
© Pamela Russmann

"Nicht mehr, sondern die richtigen Gäste"

Österreich-Werbung-Chefin Astrid Steharnig-Staudinger über wachsende Wertschöpfung, Strategien gegen Overtourism und Folgen des Klimawandels.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 25.07.2024

In Barcelona „schießen“ Einheimische mit Spritzpistolen auf Gäste, in Mallorca demonstriert die Bevölkerung gegen Massentourismus, Venedig kassiert von Urlaubern Eintritt, Hallstatt leidet unter „Overtourism“. Verstehen Sie den Unmut?

Astrid Steharnig-Staudinger: Es geht nur miteinander. Die Bevölkerung muss bei wesentlichen Entscheidungen eingebunden werden und sie muss auch artikulieren dürfen, wenn sich etwas in eine falsche Richtung entwickelt. 

Vielerorts ist der Tourismus aber auch wichtiger bis einziger Auslöser, damit sich wirtschaftlich etwas entwickelt. Wie ist dieser Spagat zu schaffen?

Es muss Verständnis hergestellt werden, dass der Tourismus in einigen Regionen der Wertschöpfungsbringer schlechthin ist. Die komplexen Zusammenhänge sind vielleicht nicht für jeden verständlich. Da sehe ich Aufholbedarf. Und für Phänomene wie Staus bei der Anreise oder Stoßzeiten mit sehr vielen Menschen an einem Ort gibt es Lösungen, an denen die Regionen mit allen Partnern arbeiten müssen.

Kann Digitalisierung helfen, Overtourism in den Griff zu bekommen?

Die Nutzung von Daten kann durchaus zum Schlüssel werden und ist es in einigen Pilotprojekten bereits.  Ein interessantes Beispiel ist das Projekt beim Schlegeis-Stausee im Zillertal. Dort konnte auf Grund der Datenlage die Taktung der Buslinie optimiert werden, um die Gefahr von Staus zu verringern.

Aber sind Regionen offen dafür, Daten ihrer Gäste untereinander auszutauschen?

Die Offenheit von Regionen hängt von verschiedenen Faktoren ab: Ein wesentlicher Aspekt ist die Einhaltung europäischer Werte wie Datenschutz und Datensouveränität. Datenräume wie unser „Tourism Data Space“ sind ein effektives Mittel, um Datensouveränität zu gewährleisten. Sie bieten eine sichere, kontrollierte und transparente Umgebung für einen – nie personenbezogenen – Austausch von Daten. Teilnehmer können die Nutzung ihrer Daten zwischen verschiedenen Systemen steuern und ermöglichen die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben.

Wie passt das Streben nach vielen oder immer mehr Gästeankünften und -übernachtungen mit dem Thema Nachhaltigkeit zusammen?

Wir streben nicht nach mehr Gästen, sondern nach den richtigen. Wir sprechen sie in unseren insgesamt 27 Zielmärkten mit entsprechenden Themen – etwa Kulinarik oder Kultur – an und fördern damit Qualitätstourismus und eben nicht Massentourismus. Es geht um die Wertschöpfungssteigerung, die im besten Fall mit weniger Menschen generiert wird. Wir wollen jedenfalls eine der nachhaltigsten Tourismusdestinationen der Welt bleiben. 

Höhere Wertschöpfung geht auch über höhere Preise. Die Kosten für Urlaub haben bereits massiv angezogen. Läuft Österreich Gefahr, als Tourismusdestination zu teuer zu werden?

Nicht nur unsere Landschaft ist vielfältig, auch die Angebote der Betriebe sind es. Grundsätzlich ist unser Preis-Leistungs-Verhältnis im Vergleich zu Konkurrenzländern sehr gut und es gibt in Österreich Angebote für jede Geldbörse, sei es bei den Unterkünften oder bei den Freizeitaktivitäten.

Dennoch ist Österreich keine „Billigdestination“. Parallel schwächelt Deutschland als wichtigster Auslandsmarkt derzeit wirtschaftlich. Befürchten Sie Auswirkungen?

Unsere aktuelle Sommerpotentialstudie prognostiziert, dass wir aus Deutschland eine solide – und im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht steigende – Nachfrage erwarten können. Daneben ist Reisen eines der wichtigsten Konsumgüter. Menschen verzichten eher auf andere Dinge. Das bedeutet für uns, dass wir eben ein passendes Angebot für jede Art von  Nachfrage bieten müssen.

Kann Österreich im Sommertourismus zum Profiteur des Klimawandels werden?

Aus einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie der EU-Kommission wissen wir, dass skandinavische Länder, aber auch der Alpenraum auf Grund der hohen Temperaturen im mediterranen Raum potentiell profitieren könnten. Ich würde aber nur ungern von einer Chance oder von Profiteuren sprechen, denn auch wir sind so wie jede Destination vom Klimawandel betroffen.

Sie waren selbst Gründerin und Unternehmerin. Was fehlt Ihnen in Ihrem heutigen Job im Vergleich zur Selbständigkeit?

Klar war ich in der Selbständigkeit ein wenig flexibler. Aber gleichzeitig kann ich meine Erfahrung aus der Selbständigkeit im Bereich der Kooperationsbildung jetzt stark einfließen lassen, was ein großes Asset darstellt.   

Astrid Steharnig-Staudinger ist seit Mai 2023 Geschäftsführerin der Österreich Werbung. Die gebürtige Kärntnerin war an der Tourismusschule in Villach, hat Internationale Betriebswirtschaft studiert und vor ihrem ÖW-Engagement eine Kreativagentur gegründet und geführt.