"Neue Regierung braucht Mut zu Reform"
Bürokratische Hürden und Versäumnisse bei steuerpolitischen Lenkungsmaßnahmen bremsen die Konkurrenzfähigkeit heimischer Betriebe. Die kommende Regierung ist daher gefordert.
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Die Nationalratswahl ist geschlagen, die Problemfelder sind geblieben: Wirtschaftlich weht Österreich in der allgemein eingetrübten Konjunkturgroßwetterlage ein anhaltend rauer Wind entgegen. Zwar hat der Standort in den vergangenen Jahren mehrfach seine Krisenfestigkeit unter Beweis gestellt. „Dennoch verlieren wir sukzessive an internationaler Wettbewerbsfähigkeit“, warnt der steirische Wirtschaftskammer-Präsident Josef Herk. Ins selbe Horn stieß kürzlich Wirtschaftsforscher Christoph Badelt.
Der aktuelle „Deloitte Standort Radar“ stützt diese Diagnosen. Demnach befinde sich Österreich „bestenfalls noch im Mittelfeld und hat in den letzten Jahren an Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit eingebüßt“, so die Schlussfolgerung aus der Befragung von 600 heimischen Führungskräften. Auch im „World Competitiveness Ranking“ (WCR), einem Standortcheck der Schweizer Business School IMD unter 67 Staaten der industrialisierten Welt, hat Österreich zwei Plätze eingebüßt und liegt nur noch auf Rang 26. Damit setzt sich ein Abwärtstrend fort: 2020 lag man noch auf Platz 16.
Unterkühlte Stimmung
In allen vier Hauptkategorien zeigen die Pfeile seither nach unten: In Sachen wirtschaftlicher Performance sackte Österreich vom 15. (2020) auf den 33. Platz ab, in der Kategorie „Government Efficiency“ ging es von Rang 25 auf Rang 40, bei der „Business Efficiency“ wurde Österreich von Platz 16 binnen vier Jahren auf Platz 29 durchgereicht. Nur im Hauptfeld „Infrastruktur“ holte man gegenüber dem letzten Jahr zumindest einen Platz auf, fiel aber gegenüber 2020 auch hier von Rang 10 auf Rang 14 zurück (siehe rechts).
Alarmierend: Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 fällt Österreich sogar sieben Plätze zurück. Diese Negativspirale lässt auch die Zufriedenheit mit der Standortpolitik sinken. Fast jeder zweite befragte Unternehmer bewertet in der Deloitte-Untersuchung die Stimmung nur mit „Genügend“ oder „Nicht genügend“.
Rezession hält an
Es sind vor allem die hohen Kosten und Abgaben, die für die Mehrheit der befragten Unternehmen untragbar geworden sind. Entspannung ist zumindest in Bezug auf die konjunkturelle Großwetterlage keine in Sicht. Die Wirtschaftsforscher haben dieser Tage ihre Prognosewerte für das vierte Quartal weiter nach unten geschraubt. Die Rezession hält damit an. Österreich gerät damit auch im Vergleich zu den anderen EU-Staaten weiter ins Hintertreffen. Lag es laut WCR 2023 noch bei der Hälfte der makroökonomischen Indikatoren über dem EU-Schnitt, ist es jetzt nur noch bei einem Drittel. So gab es zwar tatsächliche Verbesserungen beim Erwerbswachstum, der Zinslast und dem strukturellen Defizit, am Ende bleiben in der Gegenüberstellung der EU-Staaten aber nur noch drei Top-10-Plätze (BIP/Kopf, Forschungs- und Entwicklungsquote, Arbeitslosenrate). Am dramatischsten fielen die Verschlechterungen bei den Lohnstückkosten und Investitionen sowie beim Exportwachstum und der Inflationsrate aus.
Potenziale heben
„Wir brauchen daher dringend unternehmerfreundliche Maßnahmen“, urgiert Herk von der nächsten Regierung entsprechenden „Mut zu Reform“ und verweist auf langjährige Forderungen aus der Unternehmerschaft. Sie zielen vor allem auf einen Abbau bürokratischer Hürden und eine Senkung der Lohnnebenkosten ab. Um den demografischen Wandel zumindest abfedern und angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels ungenutzte Potenziale heben zu können, brauche es zudem ein Ende der steuerlichen Begünstigung von Teilzeit gegenüber Vollzeit sowie Erleichterungen bei den Zuverdienstmöglichkeiten für Pensionisten.
Lohnstückkosten: Aufgrund einer Steigerung um 30 Prozent gegenüber 2015 verliert Österreichs exportorientierte Industrie an preislicher Wettbewerbsfähigkeit. Man liegt dabei rund neun Prozentpunkte über dem Schnitt der EU-27. Entspannung ist keine in Sicht: Die Europäische Kommission prognostiziert eine weitere Verschlechterung bis 2025.
Infrastruktur: Hier liegt Österreich im IMD-Ranking mit Rang 14 gerade noch unter den Top-15; Wermutstropfen ist hier allerdings der 28. Platz in Bezug auf die technologische Infrastruktur, handelt es sich dabei doch um einen wesentlichen Kennwert für die „Zukunftsfitness“ eines rohstoffarmen Landes.
Inflation: Die über lange Zeit hohe und noch immer im europäischen Spitzenfeld liegende Inflationsrate hat der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Österreichs massiv geschadet – ergibt im Wettbewerbsranking der Schweizer Business School Platz 37.
Effizienz der Regierung: Österreich sackte von Platz 28 (2019) auf Platz 40 ab. Die neue Regierung steht damit vor immensen Hausaufgaben, den dichter gewordenen Bürokratiedschungel zu roden und eine Verwaltungs- und Verfahrensvereinfachung zu initiieren.
Arbeitsethik: Die Stellung von Arbeit und Leistung im gesellschaftlichen Wertekanon ist in Österreich unterentwickelt. Mit Rang 54 liegt Österreich diesbezüglich im Schlussdrittel der verglichenen Länder.