„Es braucht Mut zur Eigenverantwortung“
Österreichs Rekord-Olympionike Felix Gottwald ortet Führungsschwäche, wo Führungskraft notwendig wäre. Er rät zu mehr Wertschätzung sich selbst gegenüber.
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Wir leben in bewegten Zeiten. Balance zu finden und zu halten, wird zunehmend schwerer. Wozu raten Sie Führungskräften?
Felix Gottwald: Zunächst zu Selbstführung. Weil Führung ohne Selbstführung geht sich nicht aus. Aber es gibt leider immer noch ganz viel Führungskräfte, die eine Führungsschwäche sind, weil sie physisch schwach sind, also nicht in Form. Man könnte auch sagen: zu klein für ihr Gewicht. Aber sie sind vor allem – im wahrsten Sinne des Wortes – unbeweglich. Und jetzt ist die Frage: Ist Unbeweglichkeit etwas, was einem in bewegten Zeiten hilft? Oder bewirkt sie eher das Gegenteil? Das ist wie auf einer Rolltreppe.
Auf einer Rolltreppe?
Ja. Da macht man zwar den einen ersten Schritt, die meisten bleiben aber dann stehen, lassen sich transportieren und hoffen, dass irgendwas passiert. Aber es wird nichts passieren. Zumindest nichts, was mit Erfolg oder befriedigendem Tun zu tun hat. Dafür muss man es schon selbst machen. Also nach dem ersten Schritt weitergehen, in Bewegung bleiben. So ändert sich dann auch die Perspektive. Gerade in bewegten Zeiten ist das wichtig.
Wie wird man abseits von Rolltreppen wieder beweglich oder beweglicher?
Indem wir Bewegung buchstäblich „verkörpern“. Indem wir Rahmenbedingungen schaffen, in denen man sich mobilisieren kann, damit man wieder mehr Geschmeidigkeit in sich reinkriegt. Und plötzlich wird man wieder mehr Interessen an sich selbst bekommen – was man isst, was man tut, wie man schläft und regeneriert. Dieses Bewusstsein nimmt man dann auch mit in die Firma, in Sitzungen, in Situationen, in denen Entscheidungen getroffen werden. Man wird besser führen.
Es gibt aber Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die lassen sich einfach nicht führen. Was dann?
Natürlich lässt sich keiner erziehen. Das merkt man ja auch bei den eigenen Kindern (lacht). Aber ein Vorbild durch Vorleben zu sein – das funktioniert. In jeder Familie. In jedem Unternehmen.
Braucht es mehr Achtsamkeit sich selbst gegenüber?
Ich glaube, dass man mit einem gesunden Bezug zum eigenen Körper – mit einem „Offline“ von der großen, weiten Welt, aber online zu unseren eigenen Sinnen – wieder in einen Zustand kommt, wo der Tag auch in „überbewegten“, flüchtigen Zeiten wieder eine Bedeutung kommt. Es geht darum, weg vom Ärger über gestern und dem Denken an und Hoffen auf morgen in den Moment zu kommen. Wenn man sich in die Präsenz hineinbewegt, hat man nicht mehr das Gefühl, dass einem das Leben um die Ohren fliegt. Über diese Haltung kann es gelingen, dass man sagt: Ok, der Tag hat immer noch nur 24 Stunden, aber ich habe zumindest das Gefühl, dass ich aktiv dabei war. Die Zeit läuft ja nicht schneller als früher, wir haben sie nur vollgestopft mit Ablenkungen und Nebengeräuschen. Umso wichtiger ist es, sich darüber bewusst zu sein, dass wir jeden einzelnen Tag nur einmal haben und es daher wert und wichtig ist, ihm über das Bewusstsein eine Qualität einzuhauchen.
Als Zeichen von Respekt sich selbst gegenüber?
Ja, weil ich es mir wert bin. Diese Frage kann man sich immer stellen: Bin ich mir die Stunde Bewegung wert, oder bin ich sie mir nicht wert? Mach ich stattdessen den einen Anruf noch, das eine Meeting, und das, das auch noch.
Weniger Work, mehr Life?
Wenn ich den Ausdruck Work-Life-Balance höre, bekomme ich am ganzen Körper einen Ausschlag. Die Frage ist vielmehr, wie bewusst trifft man Entscheidungen, und bleibt man sich selbst dabei treu. In meiner Familie war die Idee ja schon, dass ich von meinem Vater die Autowerkstatt, die er 30 Jahre lang geführt hat, übernehme. Mit 13 Jahren habe ich ihm dann gesagt: Ich werde sie nicht übernehmen, ich möchte Nordischer Kombinierer werden. Das Gesicht hätten Sie sehen sollen. Aber ich bin mir treu geblieben.
Was braucht es dafür?
Es braucht Mut, sein Leben eigenverantwortlich für sich zu gestalten, um auch für andere einen Beitrag leisten zu können. Wenn ich das nicht selbst mache, tut es auch kein anderer für mich.