
„Die Überregulierung stört uns massiv“
Klaus Gaedke, neuer Präsident der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, über Absurdidäten des Steuersystems, unzähmbaren politischen Willen und KI.
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Ein Finanzminister hatte einmal propagiert, die Steuererklärung müsse auf einem Bierdeckel Platz finden.
Klaus Gaedke: Tatsächlich gibt es eine gegenläufige Entwicklung: Die Steuererklärungen werden immer länger, die Aufzeichnungen immer komplizierter. Diese Überregulierung stört uns als Berufsgruppe massiv.
Wo sehen Sie Reformbedarf?
Es gibt zum Beispiel Gebührengesetze in Österreich, bei denen man sich fragen kann, wie viel Aufwand mit diesem Konstrukt produziert wird und wie wenig Geld damit eigentlich eingenommen wird. Da müsste man eigentlich sagen: Gebühren gehören abgeschafft! Es geht um mehr Effizienz.
Wo fehlt die?
Es ist teilweise absurd: So kann die Mitarbeiterprämie vielfach nicht angewandt und ausbezahlt werden, weil es dafür eine entsprechende kollektivvertragliche Regelung oder Betriebsvereinbarung braucht. Die fehlen in den meisten Fällen. Man wollte also etwas Gutes tun, hat es aber schlecht umgesetzt.
Woran leiden Ihre Kunden?
Was Steuerpflichtige tatsächlich belastet, sind die Ad-hoc-Regelungen wie beispielsweise der Energiekostenzuschuss, wo wir ein halbes Jahr auf eine Richtlinie warten und dann binnen zehn Tagen als Berater die Abwicklung machen müssen. Dieses Modell ist für keinen gut. Begonnen hat es mit Covid und den ganzen Beihilfen – deren Abwicklung umgekehrt so streng ausgelegt wird, dass ein kleiner Formalfehler, der angesichts des engen Zeitkorsetts passiert, zum Verlust der gesamten Förderung führen kann. Da geht es teilweise um viel Geld. So etwas belastet das System und ist auch schlecht für den Standort.
Wie hilft die Digitalisierung bei Ihrer Arbeit?
Digitalisierung und Automatisierung helfen massiv bei Standardprozessen, die Abwicklung zu vereinfachen und die Arbeit beispielsweise ins Controlling zu verlagern. Dazu kommt die Künstliche Intelligenz als weitere Dimension, die die Anwendung der Digitalisierung massiv beschleunigt und einen Schub Richtung Verbesserung bei Standardprozessen auslösen wird.
Wie steuerehrlich sind die Österreicher? Im Schnitt gibt es immerhin 7.000 Selbstanzeigen pro Jahr.
Da muss man relativieren. Das Instrument einer Selbstanzeige ist auch dafür da, um geringfügige Steuernachzahlungsbeträge zu korrigieren. Grundsätzlich empfinde ich die Österreicher als steuerehrlich, wobei es natürlich immer schwarze Schafe gibt. Aber die Behörde prüft strenger, es wird stärker darauf geachtet, ob alles in Ordnung ist, und es wird früher bestraft als noch vor zwanzig Jahren.
Der Eindruck „Die Großen können es sich richten, bei den Kleinen wird alles bis auf den letzten Cent kontrolliert“ stimmt also nicht?
Das ist eine subjektive Wahrnehmung. Die großen Unternehmen haben eigene Abteilungen und teilweise auch schon die begleitende Kontrolle durch das Finanzamt. Nachdem wir ein Land mit gut 95 Prozent Klein- und Mittelbetrieben sind, gibt es naturgemäß dort mehr Kontrollen. Das ergibt sich durch die Masse der Unternehmen.
Spürt man dort die sich eintrübende Konjunktur?
Ja. Branchenunabhängig merkt man, dass durch die steigenden Zinsen Investitionen, die vor drei, vier Jahren begonnen wurden, jetzt zu einer hohen Belastung werden und Unternehmen in ihrem Bestand gefährden. Es gibt zum Beispiel deutlich mehr Kleinstkonkurse.
Die angespannte Gesamtlage lässt schnellschussartig Forderungen nach Förderungen, Preisbremsen etc. laut werden. Wie passen derartige Lenkungs- und Regulierungsmaßnahmen in einen freien Markt?
Natürlich ist so etwas nicht dienlich. Man sollte bei notwendigen Maßnahmen das richtige Instrumentarium finden, um etwas treffsicher an Mann und Frau bringen zu können. Das Finanzministerium hat genug Informationen dafür, wie man so etwas machen könnte. Aber wieder gibt es das Dilemma, dass die Politik vielleicht etwas anderes möchte.
Hört die Politik nicht ausreichend auf Experten aus Ihrer Zunft, wenn es um die Modellierung von Steuersystemen geht?
Mit den Spezialisten in den Ministerien gibt es einen guten und permanenten Austausch, sie hören auf uns und wissen, wo die Probleme liegen. Aber der politische Wille ist eben oft ein anderer. Und den kann man nicht zähmen.
Gemeinden dürfen schon Abgaben einheben. Ihre Horrorvorstellung wäre, wenn auch die Bundesländer noch Steuern einheben dürften?
Das wäre dann noch schlimmer.