Karl Rose beim Sprechen Portraitfoto
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„Auch das 2-Grad-Klimaziel wird fallen“

Energieexperte Karl Rose sieht vor allem beim privaten Verkehr Nachholbedarf in Sachen erneuerbare Energiequellen. Er setzt aber auf neue Technologien.

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Aktualisiert am 20.03.2025

„Es ist noch nicht die Totalkatas­trophe“, beruhigt Karl Rose im Hinblick auf das von ihm prognostizierte Verpassen der globalen Klimaziele. Dennoch mahnt der Aufsichtsratsvorsitzende der Energie Steiermark vor allem die Industrienationen zu mehr Engegament in Sachen Klimaschutz. Bei einer Veranstaltung der steirischen Installateure sprach der Energieexperte außerdem über...

... die Energiewende:

Der Energieverbrauch teilt sich global zu je rund einem Drittel auf Industrie, Versorgung von Gebäuden und Transport auf. Die Energiewende variiert in diesen Sektoren sehr stark. In der Industrie kommen rund 17 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen, bei den Gebäuden rund 16 Prozent. Der große „Problembär“ bleibt der Transport, wo es unter vier Prozent sind. Warum? Weil es um die persönliche Freiheit der Menschen geht, die sie sich nur schwer nehmen lassen. Es gibt also noch sehr viel zu tun. Einiges geht bei unseren Bemühungen schief, einiges ist anders, als wir es erwartet haben – aber wir machen auch große Fortschritte. Entgegen der Meinung vieler werden uns neue Technologien helfen, einiges an Problemen zu lösen. 

... den Klimawandel:

Es ist nicht überraschend, dass wir – wie schon vom Weltenergierat vor zehn Jahren vorhergesagt – jetzt ungefähr doppelt bis dreimal so viele Versicherungsfälle durch Naturkatastrophen und Starkwetterereignisse haben als vorher. Dennoch bleibt der Klimawandel eine globale Herausforderung. Das heißt, dass alle Staaten dieser Erde das gemeinsam lösen müssen, wobei für 80 bis 85 Prozent der Probleme allerdings die G7 – also die sieben größten Industriestaaten – verantwortlich sind. Das heißt, diese sieben Länder könnten am Verhandlungstisch 80 bis 85 Prozent der Probleme lösen. Wozu brauchen wir da 40.000 Leute, die zum Klimagipfel fliegen und dann, eigentlich erwartbar, nicht sehr viel erreichen?

... die angepeilten Klimaziele:

Ich habe vor einem Jahr gesagt, dass das 1,5-Grad-Ziel nicht erreicht wird – was für viel Aufregung gesorgt hat. Heute weiß man, dass es eigentlich gefallen ist. Und auch das 2-Grad-Ziel wird fallen. Auf Basis von Daten aus der UNO rechne ich mit einem Anstieg um 2,7 Grad, wenn wir uns ganz stark anstrengen. Die gute Nachricht dabei ist, dass es nicht 3,5 Grad und auch nicht vier Grad sind. Es sind zwar nicht 1,5 Grad und auch nicht zwei Grad und natürlich sind 2,3 oder 2,7 Grad keine tolle Geschichte, aber es ist auch nicht die Totalkatastrophe. Man muss sich deswegen nicht auf die Straße kleben.

... die Rolle von Unternehmen:

Ich werfe CEOs großer Konzerne vor, dass sie die Politik nicht ehrlich darüber informieren, was sie wirklich denken. Aus Angst vor einer Gegenreaktion aus der Bevölkerung tut man dagegen sehr lange so, als ob eh alles auf Schiene ist. Ist es aber nicht. Die Augen zu verschließen ist jedoch immer eine problematische Geschichte.

... China als Klimaschützer:

Auch wenn die Chinesen am schnellsten und meisten elek­trifizieren, warne ich davor, sie als gute Klimaschützer zu bezeichnen. Sie machen sich aus militärischen Gründen im privaten und im zivilen Bereich von Öl und Gas unabhängig, weil sie sich auf einen Taiwan-Krieg vorbereiten. Und sie haben diesbezüglich eine Achillesferse gegenüber den Amerikanern – nämlich ihre Abhängigkeit von importiertem Öl und Gas. Allein 2024 hat China dafür Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 100 Gigawatt gebaut  – entgegen aller Versprechen der Staatsführung. Parallel wird aber Hochtechnologie entwickelt und damit auch Geld verdient und der Westen in Abhängigkeit gebracht. Strategisch ist das eine äußerst clevere Strategie. Sie tun das jedenfalls nicht aus altruistischen Gründen, um das Klima oder die Welt zu retten.

...die Rolle Europas bei der Energiewende:

75 Prozent der Investitionen in erneuerbare Energie und Basistechnologien kommen aus China, neun Prozent aus den Vereinigten Staaten. Und wo ist Europa? Wir investieren viel zu wenig in Forschung und Entwicklung, weil wir klamme Budgets haben. So kommt Europa in 58 Schlüsseltechnologien nicht vor. Da würde ich mir als EU-Kommission Gedanken machen.

... die Netzinfrastruktur:

Wir müssem wahnsinnig viel Geld in den Netzausbau investieren. Die Bundesregierung weiß noch gar nicht, was da auf sie zukommt.

... die Energiepreise:

Beim Strom gibt es einen Preisunterschied zwischen den USA und China auf der einen und der EU auf der anderen Seite  von 160 Prozent. Beim Gas sind es bis zu 350 Prozent. Wenn man ein energieintensives Unternehmen hat, weiß man, was das heißt. Das kann man nicht wettmachen, sondern wird die Produktion verlagern müssen. So verliert Deutschland seit einem Jahr pro Monat 15.000  Jobs in der Industrie. Das fällt am Arbeitsmarkt nur nicht auf, weil 15.000 neue Arbeitsplätze in der Verwaltung und im Pflegebereich dazukommen. Das ist volkswirtschaftlich aber ein großes strukturelles Problem.