Johannes Benigni
© WKK | Just

Interview mit Energieexperte Johannes Benigni: "Erdgas bleibt unverzichtbar"

Johannes Benigni, Energieexperte und Geschäftsführer von JBC Vienna, der auf Einladung der Wirtschaftskammer Kärnten bei den zweiten Energiepolitischen Gesprächen zum Thema „Die globale Analyse der Energiemärkte“ referierte, über globale Energiemärkte und die Herausforderungen der Energiewende.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 22.11.2024


Die Welt steht vor einer komplexen Energiewende, doch fossile Energieträger bleiben kurz- bis mittelfristig ein entscheidender Faktor. Im Interview erklärt Energieexperte Johannes Benigni warum Erdgas als Brückentechnologie unverzichtbar ist, welche Rolle alternative Energieträger wie Wasserstoff und Biogas spielen könnten und wie ein strategisches Transition Management die Akzeptanz für erneuerbare Energien sichern kann.

Wie sehen die globalen Trends im Energiemarkt aus, und welche Rolle spielt Erdgas in den nächsten Jahrzehnten?

Die Weltenergienachfrage ist in den letzten 30 Jahren um ca. 2/3 gestiegen. Der Anteil der fossilen Energieträger hat sich mit 77,8% im Jahr 1990 und 76,5% im Jahr 2022 nicht wesentlich geändert. Während die Weltbevölkerung im gleichen Zeitraum nur um 50% gewachsen ist, herrscht in weiten Teilen der Entwicklungsländer - nach wie vor - Energiearmut. Mehrere Milliarden Menschen haben keinen oder nur einen sehr marginalen Zugang zu Energie und werden daher versuchen, Zugang zu Energie zu bekommen. Für sie ist die Frage, ob diese Energie fossil oder erneuerbar ist, nicht prioritär.

Kohle hatte vor mehr als zehn Jahren seinen Nachfragehöhepunkt, bevor wir in den letzten Jahren mit den gestiegenen Gaspreisen wieder eine vermehrte Nachfrage nach Kohle in Asien verzeichnen mussten. Prinzipiell hat Kohle aber die besten Zeiten hinter sich und wird der Trend hin zur Dekarbonisierung gerade Kohle auf Kosten von Gas weiter an Stellenwert verlieren.

Die Ölnachfrage ist zwar noch im Steigen begriffen, der Höhepunkt der Nachfrage dürfte aber Anfang der 20230iger Jahre eintreten. 

Gas als Transition Fuel hat den enormen Vorteil, dass es dosiert eingesetzt werden kann und gut speicherbar ist. Gas hat nur halb so viel CO2 wie Kohle und verbrennt deutlich sauberer (Feinstaub). Daher besteht die Hoffnung, dass vor allem viele asiatische Länder, die im Durchschnitt ca. 60 % ihrer Energie aus Kohle gewinnen, auf Gas umsteigen und damit einen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. In Europa wird Gas ein wichtiger Energieträger sein, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht (Dunkelflaute). die erneuerbaren Energien die gesamte Stromnachfrage decken können, haben wir an dunklen und kalten Wintertagen oft einen Gasanteil an der Stromerzeugung von 40% und mehr. Diese Spitzenkapazitäten aus der Gasverstromung werden wir auch in Zukunft brauchen.

Welche Faktoren beeinflussen die Preisentwicklung alternativer Energieträger wie Wasserstoff und Biogas?

Biogas spielt derzeit mit 0,3% des Gasangebots kaum eine Rolle. Es macht aber Sinn die Mengen an biogenen Gasen zu nutzen und daher wäre ein Marktprämienmodell sinnvoll, um Biogas in größerem Umfang zu entwickeln. Wasserstoff ist sehr teuer und könnte in Europa unter zwei Aspekten eingesetzt werden. Erstens würde Wasserstoff die Energiekosten vervierfachen, was zu einem sehr hohen Preisniveau und einer damit verbundenen hohen Inflation führen würde. Selbst wenn Europa sich das leisten könnte, bliebe immer noch die Frage, wie man sich wirksam gegen den Import von Produkten aus Drittländern wehren könnte, die mit billigerer fossiler Energie hergestellt werden, insbesondere wenn diese Länder auch noch ein niedrigeres Lohnniveau und niedrigere Standards haben. Das CO₂-Grenzausgleichssystem (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM)) hat zwar die richtige Idee, ist aber nicht zu Ende gedacht und bietet keinen ausreichenden Schutz. Die Folge wäre eine Deindustrialisierung in Europa, ohne dass CO2 eingespart würde. Europa hätte aber deutlich weniger Wertschöpfung und Arbeitsplätze.

Welche globalen Strategien gibt es, um die Transformation zu erneuerbaren Energien wirtschaftlich und nachhaltig zu gestalten?

Wenn wir die CO2 Ziele erreichen wollen, dann kann das nur gemeinsam im Gleichschritt mit den anderen Staaten funktionieren. Europa hat sich gesetzlich verpflichtet die Klimaziele mit dem Green Deal 2050 einzuhalten und hat den Zwischenschritt bis 2030 unter dem Motto "Fit for 55" verschärft. Während viele andere Länder sich zwar auch darauf verständigt haben, die CO2 Emissionen einzuschränken, haben sie die Klimaziele entweder nicht ratifiziert oder sich nur freiwillig dazu verpflichtet. Das ist die Grundlage für Klima-Opportunismus auf Kosten der Europäer, so dass die Gefahr besteht, dass bei einem schlechten und planlosen Transition Management die Akzeptanz in der Bevölkerung für mehr Erneuerbare Energien sinkt. Wir brauchen Innovationen, um Lösungen für den Schwerverkehr abseits der Bahn zu finden, längere Übergangsfristen, um den Wärme- und Sanierungsbedarf im Gebäudesektor nachhaltig und mit Augenmaß zu entwickeln und ein professionelles und pragmatisches Transition Management, um mittelfristig eine realistische Chance für die Realisierung einer Wasserstoff-Lösung zu ermöglichen

Weitere interessante Artikel