Person mit Brillen sitzt an Tisch und sichtet Dokumente ,weitere Unterlagen und Tasse auf Tisch platziert, im Hintergrund verschwommen Regale mit Ordnern
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Verstoß gegen Internetrecht - Was tun? Auf Rechtsanwaltsbriefe richtig reagieren

Auf Rechtsanwaltsbriefe richtig reagieren

Lesedauer: 7 Minuten

Verstöße gegen Rechtsvorschriften können auch im Internet gravierende Folgen haben, mit denen oft nicht gerechnet wird. Plötzlich wird man von einem Rechtsanwalt in unmissverständlichem Ton aufgefordert, eine Gesetzesverletzung zu unterlassen, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben und vor allem die Kosten des Rechtsanwalts in oft nicht unbeträchtlicher Höhe (bis zu 1.500 EUR sind keine Seltenheit) zu übernehmen.

Was sind die häufigsten Verstöße?

Betreiber kommerzieller Websites müssen detaillierte Informationen in der eines Art Impressum bekanntgeben (§ 5 ECG). Ein Verstoß dagegen kann mit bis zu 3.000 EUR bestraft werden.  

Auch andere Gesetze enthalten ähnliche Informationspflichten, so z.B. das Mediengesetz (§ 25 MedienG), das Unternehmensgesetzbuch (§ 14 UGB) und die Gewerbeordnung (§ 63 GewO).

Das Versenden von Werbe- und Massen-E-Mails ist nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt (§ 174 Telekommunikationsgesetz). Ein Verstoß kann mit bis zu 100.000 EUR (!) bestraft werden. Auch in diesem Fall kann es zusätzlich zu einer zivilgerichtlichen Unterlassungsklage kommen. Darüber hinaus gibt es auch für E-Mails ähnlich wie für Websites Impressumspflichten nach den oben angeführten Gesetzen.

Die Rahmen für die Verwaltungsstrafen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sind besonders hoch:

Bei bestimmten besonders schwerwiegenden Verstößen können Geldbußen von bis zu 20 Mio. EUR oder im Fall eines Unternehmens von bis zu 4 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres verhängt werden, je nachdem, welcher Betrag höher ist (z.B. Verletzung der Betroffenenrechte). In sonstigen Fällen beträgt die Strafhöhe bis zu 10 Mio. EUR oder im Fall eines Unternehmens von bis zu 2 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres, je nachdem, welcher Betrag höher ist (z.B. Verletzung der Datensicherheitsvorschriften).

Es drohen aber nicht nur Verwaltungsstrafen: Auch ein Konkurrent bzw. ein legitimierter Klagsverein (z.B. der Schutzverband gegen den unlauteren Wettbewerb, der allerdings in der Regel zuvor eine Abmahnung ausspricht) kann über einen Rechtsanwalt eine Unterlassungsklage bei Gericht einbringen. Der Streitwert dafür liegt (zumeist) über 40.000 EUR; diesen Betrag muss zwar noch niemand bezahlen, doch orientieren sich an diesem doch recht hohen Streitwert die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten. Die Rechtsanwaltskosten sowie die Gerichtskosten hat je nach Ausgang des Prozesses der Verlierer zu bezahlen. Durch die zunehmende Bedeutung des Datenschutzes wird auch in diesem Bereich häufig abgemahnt.

Wie reagieren Sie richtig für den Fall, dass Ihnen eine Unterlassungsklage angedroht wird?

Grundsätzlich gilt: Wenn die Vorwürfe des Rechtsanwaltes zutreffen, gibt es in der Regel nur eines: „Lehrgeld“ zahlen und die Fehler auf Website zu beheben. 

Am einfachsten können Sie die Impressumsvorschriften nach ECG, GewO, UGB und die Offenlegungsbestimmungen nach dem MedienG mit Hilfe des Firmen A-Z der Wirtschaftskammerorganisation einhalten. Einfach das Firmen A-Z unter firmen.wko.at aufrufen und mit den Zugangsdaten von Ihrem Benutzerkonto einloggen (den Button dazu finden Sie rechts oben). Im Bearbeitungsmodus finden Sie im Menüpunkt „Service“ den Button „E-Commerce-Gesetz (ECG)“. Wenn Sie alle Pflichtfelder ausgefüllt haben und Ihre Website mit Ihrem Eintrag im Firmen A-Z verlinken, haben Sie alle gesetzlich vorgeschriebenen Impressums- und Offenlegungsangaben erfüllt.

Wenn Sie noch Fragen zu Ihrem Benutzerkonto oder zum Editieren Ihrer Daten haben, hilft Ihnen unsere kostenlose WKO Serviceline (T 0800 221 221, E-Mail benutzerkonto@wko.at) gerne weiter. Unter wko.at/benutzerkonto stehen alle Informationen zum Benutzerkonto zur Verfügung.   


Tipp:

Nutzen Sie das ECG-Service von wko.at auch dann, wenn Sie bereits ein Impressum haben. Es steht allen Wirtschaftskammer-Mitgliedern kostenlos zur Verfügung und stellt durch den Link auch für Besucher Ihrer Website deutlich erkennbar sicher, dass Sie keine Pflichtangabe vergessen haben.


Weiterführende Informationen: 

WKO Firmen A-Z: Ihr Auftritt im österreichischen Unternehmensverzeichnis

Auf jeden Fall sollten Sie die Vorwürfe des Rechtsanwalts ebenso wie die üblicherweise verlangte Unterlassungserklärung genauestens lesen. Nicht immer trifft nämlich alles zu, was behauptet wird und nicht immer ist die Unterlassungserklärung korrekt formuliert. 

Checkliste zur richtigen Vorgangsweise

  • Überprüfen Sie die Vorwürfe genau; suchen Sie nach Argumenten sie zu entkräften und besonders wichtig: Sichern Sie Beweise, um Ihre Argumente zu untermauern (z.B. Screenshots Zustimmungen für Werbe- und Infomails und Mitarbeiter als Zeugen)

  • Wenn die Vorwürfe (zumindest teilweise) zutreffen, überlegen Sie, ob Sie die von Ihnen geforderte Unterlassungserklärung in dieser Form überhaupt akzeptieren sollten, oder ob Sie nicht zu weit gefasst ist. Die Unterlassungserklärung ist nämlich sehr wörtlich zu nehmen und kann zu unangenehmen Überraschungen führen, wenn Sie sich darin irrtümlich für zuviel verpflichten (siehe Beispiel unten).

  • Bei Zeitdruck nehmen Sie in jedem Fall Kontakt mit dem Rechtsanwalt (am besten schriftlich oder per E-Mail) auf und ersuchen Sie um Fristverlängerung, da Sie die Angelegenheit erst intern prüfen müssen. Wichtig: Signalisieren Sie Kooperationsbereitschaft. Um eine Unterlassungsklage erfolgreich zu führen, muss immer eine Wiederholungsgefahr gegeben sein. Durch Ihre Kooperationsbereitschaft erschweren Sie den Nachweis der Wiederholungsgefahr.

  • Nehmen Sie Kontakt mit Ihrer eigenen Rechtsberatung auf. Die Servicedienststellen Ihrer Landeskammern stehen Ihnen mit Rat und Auskunft gerne zur Verfügung. Bei solchen Verfahren besteht Rechtsanwaltspflicht; dh Sie benötigen für ein gerichtliches Verfahren jedenfalls einen Rechtsanwalt!

  • Bei Abmahnungen nach deutschen Recht ist es sinnvoll, mit dem AußenwirtschaftsCenter Berlin Kontakt aufzunehmen - deren Kontaktdaten sind:
    AußenwirtschaftsCenter Berlin
    Stauffenbergstraße 1
    10785 Berlin | DEUTSCHLAND
    T +49 30 25 75 75 0
    F +49 30 25 75 75 75
    E berlin@wko.at
    W https://wko.at/aussenwirtschaft/de

Rechtliche Argumentationsmöglichkeiten

  • Auch Rechtsanwälte können irren: Ist das, was Sie (angeblich) getan haben, wirklich verboten? Ein Rechtsanwalt wird Ihnen in aller Regel die von Ihnen angeblich übertretene Gesetzesstelle bereits in seinem Brief mitteilen. Prüfen Sie auf jeden Fall den genauen Wortlaut der Gesetzesstelle und vergleichen Sie mit dem, was Sie angeblich oder tatsächlich getan haben. Sämtliche österreichische Rechtsvorschriften finden Sie unter www.ris.bka.gv.at

  • Wer möchte Sie klagen? Klagslegitimiert für Unterlassungsklagen aufgrund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist grundsätzlich nur jemand, der mit Ihnen in einem Wettbewerbsverhältnis steht, das heißt in der Regel ein Mitbewerber (nicht hingegen Ihre Kunden!). Das ist wichtig z.B. bei (verbotenen) E-Mails an potenzielle Kunden. Diese werden im Normalfall nicht Ihre Mitbewerber sein und können daher in der Regel keine Unterlassungsklage einbringen (nichtsdestotrotz wäre ein solches E-Mail strafbar; juristisch nicht geklärt ist allerdings die Frage, ob dadurch ein Eingriff in die Privatsphäre vorliegt; in diesem Fall könnte auch geklagt werden).


Achtung:
Auch Klagsvereine wie z.B. der Schutzverband gegen den unlauteren Wettbewerb, aber auch andere Klagsverbände, können dann eine Unterlassungsklage einbringen, wenn sie nach Ihren Vereinsstatuten dazu legitimiert sind und entsprechende Mitbewerber oder Betroffene als Mitglieder haben. Das gilt auch für (verbotene) Werbe-E-Mails.


  • Nicht jeder Gesetzesverstoß ist „unlauter“ im Sinn des UWG. Nur dann, wenn Sie aus dem Gesetzesverstoß einen Wettbewerbsvorteil (z.B. zusätzliche Kunden oder eine Ersparnis) erlangen, liegt neben der Verwaltungsübertretung zusätzlich ein Wettbewerbsverstoß vor. Wenn Sie also z.B. auf Ihrer Website bloß auf das Firmenbuchgericht vergessen haben (die Firmenbuchnummer aber angegeben haben) vergessen haben, werden Sie daraus voraussichtlich keinen Wettbewerbsvorteil gegenüber Ihren Mitbewerbern erlangen. Ein UWG-Verstoß wird damit nicht vorliegen und eine Unterlassungsklage nicht erfolgreich sein. Wichtig ist, dass diese Umstände in jedem Einzelfall genau geprüft werden müssen.

Diese Umstände sollten deswegen genau geprüft werden, da mangels Unlauterkeit kein UWG-Verstoß vorliegt und damit das Rechtsanwaltshonorar des gegnerischen Rechtsanwalts nicht übernommen werden muss. Der gegnerische Rechtsanwalt kann bzw. darf sein Honorar Ihnen nur deswegen in Rechnung stellen, weil Sie ja für den Fall, dass die Angelegenheit gerichtsanhängig wird und Sie den Prozess verlieren, ebenfalls die (dann weitaus höheren) Rechtsanwaltskosten zu zahlen hätten. Ist jedoch eine Klage nicht möglich bzw. aussichtslos, so müssen Sie auch außergerichtlich die Kosten des gegnerischen Rechtsanwalts nicht übernehmen.

  • Verhandeln Sie, insbesondere wenn die Rechtsverletzung nicht eindeutig ist, über die Höhe des Honorars: Vor allem wenn sich die Gegenseite ebenfalls nicht sicher ist, besteht sehr oft „Verhandlungsbereitschaft“. Ein gutes Argument für die Verminderung des Honorars liegt auch dann vor, wenn der gegnerische Rechtsanwalt erkennbar bloß einen Musterbrief verwendet hat und damit kaum einen echten Aufwand getätigt hat. Sie erkennen solche Musterbriefe insbesondere daran, dass die Anredeform sehr allgemein gehalten ist, dass der Text sehr formelhaft klingt und nicht auf den konkreten Fall eingeht und dass in der Unterlassungserklärung auch bei Einzelunternehmen der Begriff „wir“ anstelle „ich“ (z.B.: Wir erklären uns damit einverstanden,...) verwendet wird.

  • Wenn alles nichts hilft, muss die Unterlassungserklärung unterschrieben werden. Nur das verhindert eine Klage, weil damit die Wiederholungsgefahr beseitigt ist.

Die Unterlassungserklärung muss aber genauestens gelesen werden. Wenn Sie z.B. unterschreiben, dass Sie es „ab sofort“ unterlassen werden, Ihren Webauftritt ohne Impressum zu erstellen, so gilt diese Verpflichtung grundsätzlich ab Unterschrift! Sollten Sie daher zur Umsetzung dieser Unterlassungserklärung Zeit (z.B. weil Sie erst Ihren Webdesigner kontaktieren müssen) benötigen, liefert genau diese Verzögerung der Gegenseite Argumente, Sie erst recht wegen Verletzung dieser Verpflichtungserklärung zu klagen. 

  • Ändern Sie den Text daher durchaus so ab, dass Sie ihn auch erfüllen können. Erläutern Sie aber unbedingt in einem Begleitbrief, warum Sie diese Änderungen vorgenommen haben und übertreiben Sie nicht: Wenn Sie zu viel ändern, könnte Ihnen das als Verweigerung der Herstellung des geforderten rechtmäßigen Zustands (Wiederholungsgefahr!) ausgelegt werden. 

Massenabmahnungen 

Es ist schon vorgekommen, dass ein Rechtsanwalt erkennbar mit Massenschreiben angebliche Rechtsverletzungen behauptet hat und zur Übernahme seiner Kosten aufgefordert hat. Falls Sie den Verdacht haben, jemand würde in dieser Angelegenheit das Internet systematisch durchforsten und aus derartigen Rechtsverletzungen Kapital schlagen wollen (dies wird in den sozialen Medien rasch ein Thema), nehmen Sie Kontakt mit der Servicedienststelle Ihrer Landeskammer auf. Es ist der Wirtschaftskammerorganisation bereits gelungen, derartige Vorgangsweisen unter Berufung auf deren Standeswidrigkeit zu unterbinden.

Stand: 04.07.2024

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