Investitionsschutz und Investor-Staat-Streitbeilegung

Internationaler Erfolg braucht wirksamen Schutz

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22.09.2023

Investitionsschutzabkommen leisten einen wichtigen Beitrag zum Schutz österreichischer Investitionen im Ausland. Je sicherer die Betriebe internationale Marktchancen nützen können, desto besser ist dies für Wachstum und Beschäftigung in Österreich. Der internationale Investorenschutz wird aktuell auf Initiative der EU weiterentwickelt.

Österreich profitiert vom Investitionsschutz

Der Bestand österreichischer Direktinvestitionen im Ausland belief sich im Jahr 2020 auf beeindruckende 190 Mrd. Euro (Quelle: OeNB). Diese Vermögenswerte österreichischer Unternehmen werden durch ein gut funktionierendes System bilateraler Investitionsschutzabkommen (Bilateral Investment Treaties, BITs) abgesichert. Schon die Existenz solcher Abkommen sorgt oftmals dafür, dass Konflikte in Gesprächen zwischen Unternehmen und Behörden gelöst werden können. Sollte es dennoch zu unlösbaren Problemen mit dem Gaststaat kommen, bietet der in solchen Abkommen verankerte Streitbeilegungsmechanismus, die Möglichkeit ein internationales Schiedsgericht anzurufen. Derzeit profitieren österreichische Unternehmen von mehr als 50 bilateralen Investitionsschutzabkommen (BITs), die zwischen Österreich und diversen Drittstaaten abgeschlossen wurden.

Die bisherige Bilanz zeigt: Österreichische Unternehmen haben in nur 27 Fällen ein Schiedsverfahren in Anspruch nehmen müssen. Die Republik Österreich war zweimal beklagte Partei, wobei die Klage einmal zurückgewiesen wurde, die Zulässigkeit der anderen Klage wird derzeit noch geprüft.

Wovor schützen Investitionsschutzabkommen?

Investoren können im Ausland mit vielfältigen Problemen konfrontiert sein, z.B.:

  • Ungerechtfertigte Enteignungen durch das Gastland
  • Diskriminierung im Vergleich zu anderen in- und ausländischen Investoren
  • Willkürlicher Entzug der Gewerbeerlaubnis
  • Fehlen ordnungsgemäßer Gerichtsverfahren
  • Ungerechtfertigte Zugriffe auf das unternehmerische Kapital österreichischer Investoren

Investitionsschutzabkommen bieten Investoren daher in der Regel vier Garantien:

  • Schutz vor Diskriminierung
  • Schutz vor rechtswidriger, insbesondere kompensationsloser (auch indirekter) Enteignung
  • Schutz vor unbilliger und ungerechter Behandlung (z. B. Zugang zum nationalen Rechtsweg)
  • Garantie eines freien Transfers von Kapital

Über 50 BITs schützen österreichische Unternehmen

Wie funktioniert der Streitbeilegungsmechanismus?

Bei den meisten bilateralen Investitionsschutzabkommen hat man die Möglichkeit, bei Verstößen ein internationales Schiedsgericht anzurufen. Dessen Schiedssprüche sind bindend. Die sogenannte Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS) ist Bestandteil der über 1.400 Investitionsabkommen von EU-Mitgliedstaaten bzw. der etwa 3.000 weltweit abgeschlossenen Abkommen.

Die ISDS bietet – verglichen mit Verfahren vor ausländischen Behörden und Gerichten (meist in völlig anderen Rechtssystemen und anderen Sprachen) – rechtssichere und relativ rasche Lösungen.

Wie gehen internationale Schiedsgericht-Verfahren aus?

Die Anzahl der Klagen vor einem Schiedsgericht ist im Vergleich zu den unzähligen täglich getroffenen Investitionsentscheidungen, von denen die Gastländer und die ausländischen Investoren profitieren, gering. Der weltweite Bestand aktiver Direktinvestitionen belief sich im Jahr 2020 auf 37,9 Billionen US-Dollar. Zudem sind die Staaten mehrheitlich Gewinner dieser Schiedsverfahren.

Mit Ende des Jahres 2020 beliefen sich die jemals bei internationalen Schiedsgerichten eingebrachten Klagen auf eine Gesamtzahl von 1.104. Davon sind 354 Verfahren laufend, 740 Verfahren entschieden und bei über 10 eingebrachte Klagen gibt es keine Detailinformationen (UNCTAD).

Anzahl der Klagen vor dem internationalen Schiedsgericht
© WKÖ
Status Anzahl der Fälle
Zugunsten des Staates entschieden 274
Zugunsten des Investors entschieden 212
Entscheidung zugunsten einer der beiden Parteien (Haftung festgestellt, aber kein Schadensersatz zugesprochen) 16
Beigelegt 148
Eingestellt 90

Wie hoch ist der geforderte Schadenersatz und was können Investoren tatsächlich durchsetzen?

In der öffentlichen Debatte wird durch spektakuläre Fallbeispiele (z.B. Vattenfall, Yukos) oftmals der Eindruck erweckt, dass klagende Investoren häufig Kompensationsforderungen in einer Höhe erheben, welche die Staatsfinanzen der verklagten Länder akut bedrohen können. Dabei sind die meisten Fälle in der niedrigsten Kategorie der Kompensationsforderungen angesiedelt und beliefen sich in fast allen Fällen auf deutlich weniger als 1 % der Staatsausgaben.

In der Regel geht es aber um weitaus geringere Beträge und selten gelingt es Investoren ihre ursprünglich gestellten Forderungen aufgrund von Einstellung der Verfahren, Entscheidungen zugunsten der verklagten Staaten oder nur partiell zugesprochenem Schadenersatz, ganz oder weitgehend durchzusetzen. Für alle Verfahren (über die entsprechende Informationen verfügbar sind) ergibt sich eine durchschnittliche Entschädigungsquote von 38,2 % der ursprünglich geforderten Kompensation. Die entsprechende Kompensationsquote der Fälle, die durch Einigung zwischen den Parteien beendet wurde, beläuft sich auf 38,3 %.

Quelle: Kiel Institute for the World Economy, KIEL WORKING PAPER No. 2053 October 2016 “Streitschlichtung im Rahmen internationaler Investitionsabkommen: Viel Lärm um (fast) nichts?

Investitionsschutz als EU-Thema

Seit einigen Jahren verhandelt auch die EU über Investitionsschutz.

Der Grund: Mit dem Vertrag von Lissabon (2009) ist die Zuständigkeit für ausländische Direktinvestitionen auf die Europäische Union übergegangen. Die EU-Mitgliedstaaten dürfen weiterhin nationale bilaterale Abkommen mit Drittstaaten abschließen, sofern mit diesen Staaten keine europäischen Abkommen verhandelt werden oder geplant sind. Dazu bedarf es einer Genehmigung durch die Europäische Kommission. Bestehende bilaterale Abkommen der EU-Mitgliedstaaten bleiben ebenfalls solange in Kraft, bis ein Abkommen auf europäischer Ebene mit dem jeweiligen Drittstaat angewendet wird.

Investitionsschutzbestimmungen als Teil des Handelsabkommens bzw. als eigenständiges Investitionsschutzabkommen sind bereits mit Kanada, Singapur und Vietnam ausverhandelt (aber noch nicht in Kraft). Die Verhandlungen mit Chile, Indonesien, Mexiko, Thailand, Tunesien und Japan sind noch im Gange.

Mit China gibt es im Zusammenhang des Investitionsabkommens (CAI), zu dem es seit Dezember 2020 bereits eine politische Einigung gibt, eine Verpflichtung, die Verhandlungen zum Investitionsschutz inklusive Investor-Staat Streitbeilegung auf einer separaten Schiene weiterzuführen.

Seit 2015 verhandelt die Europäische Kommission außerdem ein reines Investitionsschutzabkommen mit Myanmar/Burma, das derzeit „on hold“ (Verhandlungen liegen auf Eis) ist.

Vier Arten von Abkommen im europäischen Investitionsschutzbereich:

  • Handels- und Investitionsabkommen: Singapur, Vietnam sowie Japan: „Splitting“ in zwei Abkommen: Handelsabkommen (beinhalten zusätzlich auch Bestimmungen zum Marktzugang für Investitionen) und Investitionsschutzabkommen (nur materiell rechtliche Bestimmungen zum Investitionsschutz und Streitbeilegung). Singapur gilt als Beispiel für alle weiteren Handelsabkommen, die derzeit verhandelt werden, wie z.B. mit Indonesien und den Philippinen.
  • Investitionsabkommen (Marktzugang, gleiche Wettbewerbsbedingungen und Nachhaltigkeit) – China