Erdgeschoßzone
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Wiens Betriebe backen’s an

Die Wiener Betriebe in den Erdgeschoßzonen tragen maßgeblich zur Lebensqualität und wirtschaftlichen Vitalität der Stadt bei. Immer größere Beliebtheit erlangen dabei neue Raumkonzepte - wie Raumpartnerschaften.

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Aktualisiert am 25.09.2024

Gemeinsam schmeckts am besten. Dieses Motto haben sich mit „Der Mann” und „Radatz” zwei traditionelle und erfolgreiche Wiener Familienbetriebe zum Vorbild genommen. Sie haben bereits an zwei Standorten in Wien gemeinsame Sache gemacht. Ein Mehrwert für die Kunden - aber auch für die beiden Unternehmen: „Die Zusammenarbeit mit Radatz ist für uns eine langjährige und erfolgreiche Partnerschaft. Als zwei traditionelle Familienbetriebe profitieren wir von den gemeinsamen Werten und der Liebe zu hochwertigen Lebensmitteln. Brot und Fleisch sind eine ideale Ergänzung, die auch unsere Kundinnen und Kunden sehr zu schätzen wissen. Oft kommen sie zu uns für einen Kaffee, ein Stück Kuchen oder frisches Brot für zuhause und nutzen die Gelegenheit, bei Radatz noch Fleisch, Wurst oder Aufstriche mitzunehmen - eine perfekte Symbiose”, ist Bäckermeister Michael Mann sicher. Auch für Radatz liegen die Vorteile auf der Hand: „Neben dem Mehrwert für die Kundschaft ist es auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Pluspunkt - immerhin teilt man sich die Betriebskosten, die Räumlichkeiten für die Mitarbeitenden und auch Kosten für die Reinigung”, sagt Franz Radatz, Geschäftsführer des Traditionsbetriebs Radatz. Und: „Die Flächen sind oft viel zu groß, um sie alleine zu bespielen.”

Große Flächen als Hindernis

Das bestätigt auch ein Blick auf freielokale.at. Die WK Wien hat diese kostenlose Plattform geschaffen, um Angebot und Nachfrage im Bereich der Standortsuche miteinander zu verlinken. So liegt die durchschnittlich gesuchte Fläche in Wien bei 57 bis 156 Quadratmetern – die Durchschnittgröße freier Geschäftslokale liegt allerdings bei rund 267 Quadratmetern. Eine Rechnung, die somit für viele Wirtschaftstreibende nicht aufgeht. Gleichzeitig steigt der Bedarf nach freien Lokalen in Wien kontinuierlich. Im Jahr 2023 gab es 3200 Neuregistrierungen auf der Plattform freielokale.at - um 26 Prozent mehr als noch im Jahr davor. „Die Anforderungen und Ansprüche an die Architektur und den Städtebau verändern sich laufend”, erklärt Mara Haas, wissenschaftliche Mitarbeiterin im FutureLab der TU Wien. Eine Wien weite Umfrage zum Raumbedarf zeigt auch, dass für manche Gruppen wie Kleinstunternehmen, aber auch für Vereine aus dem gemeinnützigen Bereich wie Sport, Kunst und Kultur solche Raumgrößen auch finanziell nicht stemmbar sind, so Haas. Ein möglicher Lösungsansatz, diese Diskrepanz zu überbrücken, sind Raumpartnerschaften - wie sie „Der Mann” und „Radatz” erfolgreich vorleben. Solche Initiativen helfen gleichzeitig, Leerstände zu reduzieren und die Wiener Erdgeschoßzonen zu beleben.

Booster für Betriebe
© wkw

Stadt der Zukunft & der kurzen Wege

Eine zwingende Notwendigkeit, denn: Die Wiener Erdgeschoßzonen sind die Schnittstelle zwischen dem öffentlichen und privaten Raum und entscheidend für die urbane Lebensqualität und die wirtschaftliche Vitalität sowie die soziale Interaktion innerhalb einer Stadt. „Vor allem in einer Stadt der kurzen Wege leistet die Erdgeschoßzone einen ganz wesentlichen Beitrag im Bereich der Nahversorgung”, erklärt Haas, die auch am Pilotprojekt RaumCoop mitarbeitet - einer Initiative, die neue Möglichkeiten der geteilten Raumnutzung in der Erdgeschoßzone von Bestandsbauten identifiziert und umsetzt. Ein nicht unwesentlicher Faktor in der Erdgeschoßzone ist dabei die Nutzungsmischung, weiß die Expertin. „Neben der Nahversorgung mit Supermärkten, Drogeriemärkten und Co gehört hier auch die erweiterte Nahversorgung wie die Gastronomie dazu, aber auch Handwerks und Reparaturbetriebe, und eben auch alternative Raumnutzungen, die neuartige Sharing- Modelle praktizieren.”

Café verbindet sich mit Vintage

Gemeinsam erfolgreich: Ein Vorzeigebeispiel für eine gelungene Raumpartnerschaft ist auch die Kooperation von Caroline Bürger und Kimberly Heuthe. Die beiden Jungunternehmerinnen haben ihre insgesamt drei Betriebe – ein Café, einen Buchshop und einen Vintage Shop für Second Hand-Mode - in der Währinger Straße 138 unter einem Dach vereint. „Wir wollten beide einen Shop eröffnen, aber nicht allein. Zuerst haben wir einige Pop-ups gemeinsam gemacht, bevor wir dann das Lokal gefunden und fix angemietet haben”, erklärt Bürger, die das Bücher-Café Kanopi mit großem Engagement führt. „So können wir uns die Kosten, aber auch das Risiko teilen, uns die Arbeit aufteilen, uns austauschen und gegenseitig unterstützen”, erzählt Heuthe, die den Vintage-Shop Holy Garbage eröffnet hat. Durch diese Partnerschaft profitieren auch die Kunden: „Viele freuen sich, dass es so viel bei uns zu entdecken gibt und jeden Tag bei mindestens einem unserer Unternehmen etwas Neues im Shop ist. Seien es neue Vintage -Teile, neue Bücher oder ein neues Special im Café. Es passt gut zusammen, da man nach Büchern und Kleidung stöbern und dabei gemütlich einen Kaffee trinken kann”, erklärt Bürger. Die beiden bieten zudem spezielle Kombi-Angebote an: „Zum Beispiel ein kostenloser Kaffee im Café bei einem Einkauf von 50 Euro im Vintage-Shop”, so Bürger.

Hemmschwelle Aktivierungskosten

Hilfreich war die Kooperation der beiden auch im Hinblick auf die relativ hohen Aktivierungskosten des Standorts, sind sich beide einig. „Wir mussten eine Ablöse zahlen und das Lokal renovieren. Es war davor zehn Jahre lang ein Spielzeugladen”, schildert Heuthe. Um die Investitionen im Lokal möglichst klein zu halten, haben die beiden zu Beginn vieles in Eigenregie renoviert. „Wir haben alles ausgemalt, den Bodenbelag entfernt, neue Lampen installiert, Regale montiert. Zum Glück hatten wir hier sehr viel Unterstützung durch unsere Familien und Freunde”, erzählt Bürger.

Förderungen eröffnen Möglichkeitsräume

Hohe Raumaktivierungskosten sind mitunter ein Grund, weshalb viele Raumsuchende an ihrem Vorhaben scheitern. Um die finanzielle Hürde solcher Raumaktivierungskosten zu senken, hat die Initiative „Im Grätzl” die Crowd- Founding-Initiative RaumBooster ins Leben gerufen. Auch die Wirtschaftsagentur bietet kleinen und mittleren Unternehmen sowie Vereinen, die in leerstehende, straßenseitige Geschäftslokale der Erdgeschoßzone investieren, Förderungen von bis 35.000 Euro. In die gleiche Kerbe schlägt die Geschäftsquartier-Förderung von WK Wien und Stadt Wien: Insgesamt stehen für die Nahversorgungsförderung in den nächsten drei Jahren 1,5 Millionen Euro für die ersten sechs Quartiere bereit. Durch gezielte Aktionen sollen bis 2025 zunächst sechs Geschäftsquartiere in Außenbezirken unterstützt werden, die Potentiale für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung aufweisen. Konkret handelt es sich um die Einzugsbereiche der äußeren Favoritenstraße, der Simmeringer Hauptstraße, der Hernalser Hauptstraße, der Döblinger Hauptstraße, des Zentrum Floridsdorf und der Praterstraße. Geplant ist weiters, dass mittelfristig weitere Geschäftsquartiere im Rahmen dieser Initiative unterstütz werden

Interview Erdgeschoßzone
© Stefan Goller