Wirtschaftsstandort
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Viel Kritik am Mittelmaß

Der österreichische Wirtschaftsstandort steht in der Kritik, nicht ausreichend wettbewerbsfähig zu sein. Experten erklären, wo es gut läuft und wo es Verbesserungen braucht.

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Aktualisiert am 08.10.2024

Österreichs Konjunkturmotor läuft derzeit alles andere als rund. In ihrer jüngsten Prognose rechnet die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) für heuer mit einem Rückgang der heimischen Wirtschaftsleistung um 0,7 Prozent. Im Juni hatte die OeNB noch ein leichtes Wachstum erwartet. Zwei Faktoren sehen die OeNB-Experten dafür hauptverantwortlich: Die Rezession in der österreichischen Industrie ist tiefer und hartnäckiger als erwartet und die Konsumlaune der Österreicher ist überraschend schlecht. Überraschend deswegen, weil die hohen Lohnabschlüsse heuer zu höheren Konsumausgaben führen sollten. Stattdessen wird mehr gespart. Der Handel stöhnt ebenso wie die Baubranchen, die Arbeitslosigkeit steigt. Dafür sinkt die Inflation - die große Teuerung ist vorbei.

„Die Vielfalt des Wiener Wirtschaftsstandorts macht ihn widerstandsfähig.”

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo und das Institut für Höhere Studien (IHS) in ihrer aktuellen Herbst-Prognose. Auch sie erwarten für heuer das zweite Rezessionsjahr in Folge. Alles nur eine Momentaufnahme, die von externen Faktoren bestimmt ist, oder ist der Wirtschaftsstandort Österreich grunderkrankt?

Ernste Probleme im Wettbewerb

 Ein Blick auf das neueste Wettbewerbs-Ranking des renommierten Schweizer Instituts IMD zeigt längerfristige Probleme Österreichs. Unter den wettbewerbsfähigsten Ländern der Welt wird Österreich aktuell auf Platz 26 gelistet - unter 67 verglichenen Nationen. Das ist eine Verschlechterung um zehn Plätze in nur vier Jahren. Die ersten drei Plätze belegen Singapur, die Schweiz und Dänemark. Vor allem die heimische Steuerpolitik wird im jüngsten Bericht kritisiert, aber auch die zuletzt noch hohe Inflation, ausbleibende Reformen im Pensions- und Gesundheitssystem sowie Probleme bei der Integration migrantischer Kinder im Bildungsbereich. Laute Kritik am Steuersystem kommt auch von den heimischen Unternehmen, wie die neueste Steuer-Umfrage des Beratungsunternehmens Deloitte unter 250 Betrieben zeigt. Demnach machen vor allem häufige Gesetzesänderungen, unklare Interpretationen und lange Verfahrensdauern den Unternehmen zu schaffen. Wirtschaften werde dadurch erschwert, die Wettbewerbsfähigkeit reduziert. Gefordert wird auch eine Entlastung des Faktors Arbeit - durch niedrigere Lohnnebenkosten und weniger Einkommensteuer. Bei der Ökologisierung des Steuersystems wünscht man sich vor allem Förderungen für ökologisch sinnvolle Maßnahmen und von umweltverbessernden Innovationen. Eine weitere Verteuerung des Straßenverkehrs hat hingegen kaum Anhänger.

Ungenütztes Arbeitskräftepotenzial

Ein weiterer Knackpunkt für den Standort Österreich ist der Fachkräftemangel - ein Langzeitproblem, das über Konjunkturwellen mit steigender und sinkender Arbeitslosenrate hinweg besteht und sich zunehmend verschärft, wie die stetig wachsende Liste an Mangelberufen zeigt. Bei der Teilzeitquote gehört laut Eurostat Österreich zu den führenden Ländern in Europa, beim Pensionsantrittsalter zu den Schlusslichtern. Für Betriebe ist die schwierige Aufnahme von Fachkräften aus Staaten außerhalb der EU über die Rot-Weiß-Rot-Card ebenso ein Thema wie die Attraktivität am heimischen Arbeitsmarkt als familienfreundlicher Arbeitgeber mit WorkLife-Balance-Angeboten, Home-Office, Weiterbildung und Aufstiegschancen. „Den Unternehmen ist das ungenutzte Arbeitskräftepotenzial bewusst, sie brauchen aber die Unterstützung der Politik, um es zu heben”, sagt Elisa Aichinger von Deloitte Österreich. „Die Forderungen sind klar: Ein Ausbau der Betreuungsangebote für Kleinkinder gerade zugunsten der vielen Mütter in Teilzeit, erleichterte Zuverdienstmöglichkeiten für Pensionisten sowie nicht zuletzt ein schnellerer Arbeitsmarktzugang und eine Qualifizierungsoffensive für Menschen mit Migrationshintergrund”, sagt Aichinger.

Gute Noten für Innovationsfähigkeit

Nicht ganz so schlecht sieht es mit Österreichs Innovationsfähigkeit aus. Das zeigt der neueste Bericht des internationalen Beratungsunternehmens Roland Berger über den Innovationsindikator, der 35 Staaten in 23 innovationsrelevanten Einzelbereichen verglichen hat - von der Schaffung neuen Wissens über die Umsetzung von Wissen in marktfähige Innovationen bis hin zum wirtschaftlichen Ertrag aus diesen Innovationen. Auch hier führen die Schweiz, Singapur und Dänemark das Ranking an - Österreich wird hier auf Platz 10 gelistet, vor Südkorea und Deutschland). Das sind drei Plätze besser als vor vier Jahren. Der Punkteabstand zur führenden Schweiz ist jedoch riesig. Doch was macht die Schweiz besser als Österreich? Die Schweiz „beherbergt einige der leistungsfähigsten Wissenschaftseinrichtungen der Welt, deren Output gemessen an der Wirtschaftskraft höher als in fast jedem anderen Land ist”, heißt es in dem Bericht. Gleichzeitig konzentriere sich die Schweizer Wirtschaft „auf jene Felder, für die neue Forschungsergebnisse von besonders großer Bedeutung sind, wie zum Beispiel Pharma/Biotechnologie oder Elektronik und Automatisierung”. Durch die enge Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft würden viele Innovationsmöglichkeiten generiert und produktiv genutzt. Generell würden sich kleine Volkswirtschaften - wie auch Österreich - leichter tun, einen größeren Teil der verfügbaren Ressourcen auf die Schaffung und wirtschaftliche Verwertung neuen Wissens zu verwenden. Dabei könne man aber auch falsche Wege gehen, wie die Beispiele Schweden und Finnland zeigen würden: Sie hätten zu stark auf digitale Technologien gesetzt, wo „einmal errungene Innovationsvorsprünge schwieriger zu halten sind als in anderen Technologiefeldern”, so der Bericht. Für die Wettbewerbsfähigkeit von Industrieländern sowie für deren Wachstum und Wohlstand seien Innovationen „unverzichtbar”, betont Gundulla Pally von Roland Berger Österreich. „Außerdem sind viele globale Herausforderungen wie die Dekarbonisierung, die Folgen des Klimawandels oder auch Pandemien ohne Innovationen kaum zu bewältigen. Innovationsfähigkeit bedeutet daher Zukunftsfähigkeit”, sagt Pally.

Hohe Zinsen belasten

Eine weitere Schwierigkeit Österreichs - als Teil des Euroraums - ist das aktuell sehr hohe Zinsniveau. Es verteuert Finanzierungen und damit Investitionen sowie die Liquidität von Unternehmen - und wirkt dadurch wachstumsbremsend. Zudem sind hohe Zinsen im Wettbewerb mit Unternehmen aus Ländern mit günstigeren Finanzierungen ein Nachteil. Doch hier stehen die Zeichen auf Besserung, wie der Chefökonom der UniCredit Bank Austria, Stefan Brucbauer, sagt: „Die Teuerung ist im Euroraum im Zielraum der Europäischen Zentralbank (EZB) angekommen. Damit ist der Druck auf die EZB gestiegen, die Rückkehr zu einem neutralen Zinssatz zu beschleunigen.” Er rechnet damit, dass die EZB noch im Oktober beginnt, den Einlagenzins Sitzung für Sitzung zu senken.

Wien hat bessere Position

Vergleicht man die Standortqualitäten Wiens mit jenen der anderen Bundesländer, so zeigt sich in vielen Bereichen eine bessere Position Wiens. So verfügt die Bundeshauptstadt über eine große Dichte an Universitäten, Fachhochschulen und privaten Forschungseinrichtungen, Wien ist Start-up-Zentrum und Gründerhauptstadt Österreichs, Mittelpunkt der heimischen Finanzwirtschaft und Börsestandort und verfügt über eine bestens ausgebaute Infrastruktur, inklusive internationalem Flughafen-Drehkreuz. Dank des Zuzugs ist das Arbeitskräfteangebot hoch, die Bevölkerung vergleichsweise jung, allerdings passen die Qualifikationen nicht immer zum Bedarf der Unternehmen. In Krisen zeigt sich die Wirtschaft in Wien durch ihre Vielfalt als besonders robust - durch die hohe Dienstleistungsorientierung belasten sie Industrieflauten weniger. „Die Wiener Wirtschaft ist stark, weil sie flexibel und innovativ ist. Und weil es uns gelungen ist, ihre Heterogenität zu stärken”, sagt Wirtschaftskammer Wien-Präsident Walter Ruck. Er verweist darauf, dass gerade diese Vielfalt an großen und kleinen Betrieben und vielen unterschiedlichen Branchen dazu beigetragen hat, „dass Wien überdurchschnittlich gut durch die Krisen der vergangenen Jahre gekommen ist”. Ruck: „Wien ist ein hoch attraktiver Wirtschaftsstandort. Die Innovationskraft und der Elan der Unternehmen machen ihn zukunftsfit. Das müssen wir unterstützen und ausbauen.”

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