Lohnnebenkosten sind viel zu hoch
In Österreich ist der Faktor Arbeit steuerlich zu stark belastet, vor allem durch zu hohe Arbeitgeberbeiträge. Eine neue Studie zeigt, wie sehr sich hier eine spürbare Entlastung auszahlen würde.
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Im Bild: Mitarbeiter in einer Produktionsstätte des Wiener Technik-Spezialisten Kapsch TrafficCom.
Arbeitgeber zahlen für ihre Mitarbeiter jede Menge. Nicht nur das Gehalt, sondern auch Beiträge zur Pensionsversicherung, zur Kranken- und Unfallversicherung und zur Arbeitslosenversicherung. Zusätzlich zahlen sie eine lohnabhängige Kommunalsteuer, finanzieren den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) zur Gänze und überweisen in Wien auch zwei Euro pro Mitarbeiter und Woche als U-Bahnsteuer. All das bringt Österreich Platz 5 von 27 EU-Staaten, was die Belastung der Unternehmen durch Lohnnebenkosten betrifft. Österreichs wichtigster Handels- und Investitionspartner Deutschland liegt deutlich besser. Darunter leiden heimische Betriebe gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten besonders. Denn hohe Lohnnebenkosten sorgen auch maßgeblich für hohe Lohnstückkosten - sie verteuern also Produkte und Dienstleistungen und schwächen die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Zum Vergleich: Zwischen 2009 und 2022 sind im Euroraum die Lohnstückkosten um 17 Prozent gestiegen, in Österreich im selben Zeitraum um 30 Prozent, berichtet das EU-Statistikamt Eurostat.
Die Prognose für die nahe Zukunft lässt wegen der hohen Inflation in Österreich - und der darauffolgenden hohen Lohnabschlüsse – keine Besserung erwarten: Laut EU-Kommission werden die Lohnstückkosten im Euroraum von 2023 bis 2025 um acht Prozent steigen, in Österreich jedoch um mehr als 20 Prozent. Die Kostenschere geht für die österreichischen Betriebe damit immer weiter auseinander.
Kapsch kritisiert Belastung für Betriebe
Eines der Unternehmen, die den internationalen Druck deutlich spüren, ist der Wiener Technologie-Konzern Kapsch TrafficCom. „Die hohen Lohnnebenkosten in Österreich stellen zweifellos eine Belastung für unser Unternehmen dar und haben auch Auswirkungen auf den gesamten Wirtschaftsstandort Österreich”, sagt Konzernchef Georg Kapsch. „Diese Kosten beeinflussen unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit negativ, da sie die Produktionskosten erhöhen und somit unsere Preise im globalen Markt weniger konkurrenzfähig machen. Im Vergleich zu anderen Ländern mit niedrigeren Lohnnebenkosten haben wir es schwerer, bei ohnehin bereits wesentlich höheren Löhnen mit den Preisstrukturen mitzuhalten”, kritisiert Kapsch. Um dennoch wettbewerbsfähig zu bleiben, müsse verstärkt in Innovation und Effizienzsteigerung investiert werden. „Gleichzeitig ist es jedoch notwendig, dass auf politischer Ebene Maßnahmen ergriffen werden, um die Lohnnebenkosten zu senken und damit die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie insgesamt zu stärken”,sagt Kapsch. Eine nachhaltige Entlastung in diesem Bereich würde es ermöglichen, im internationalen Vergleich besser zu bestehen und Arbeitsplätze in Österreich zu sichern und auszubauen. „Wir haben in Österreich im laufenden Jahr sehr viele Insolvenzen und auch so viele Großinsolvenzen wie noch nie zuvor - also kann man schon diskutieren, ob es nicht sinnvoll wäre, hier den Druck etwas rauszunehmen”, sagt Kapsch. Als Unternehmer versuche er, fakten- und datenbasiert zu denken. „Arbeit ist in Österreich überdurchschnittlich teuer, das ist ein Faktum. Und ich sehe Betriebe durch hohe Lohnnebenkosten in vielerlei Hinsicht ungerechtfertigt belastet. Insbesondere Beiträge wie zum FLAF oder die U-Bahn-Steuer tragen zur Gesamtkostenbelastung der Unternehmen bei”, sagt Kapsch. Der FLAF diene zwar einem wichtigen sozialen Zweck, jedoch sollte die Finanzierung solcher Maßnahmen nicht ausschließlich auf den Schultern der Arbeitgeber lasten.
Simacek fordert Abgabensenkung
Keineswegs besser sieht beim Wiener Facility Management-Konzern Simacek aus: „Wir freuen uns, dass wir allein in Österreich fast 5000 Arbeitnehmer beschäftigen dürfen, die unsere Dienstleistungen persönlich vor Ort erbringen - und das wird trotz aller Fortschritte in Digitalisierung und Robotik auch auf längere Sicht so bleiben. Die hohen Lohnnebenkosten sind im intensiven Wettbewerbsumfeld und in einer Branche mit niedrigen Pro-Kopf-Umsätzen aber eine massive Herausforderung”, sagt Konzernchefin Ursula Simacek. Auch für ihre Kunden, die entweder im harten weltweiten Wettbewerb stehen oder österreichische Konsument beliefern, seien die hohen Lohnnebenkosten nachteilig. Unternehmen sieht auch sie durch Beiträge zum FLAF oder der U-Bahn-Steuer ungerechtfertigt belastet: „Das ist tatsächlich eine Problematik, die ich schon oft adressiert habe: Pro-Kopf-Beiträge wie die Behindertenausgleichstaxe oder die U-Bahn-Steuer benachteiligen uns massiv. Wir haben viele Teilzeitkräfte im Niedriglohnsegment - da sind diese Belastungen, die noch dazu pro Kopf berechnet werden, im Vergleich zu anderen Branchen unverhältnismäßig hoch. Wir leisten gerne unseren Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit - doch diese Beiträge müssen ausgewogen und fair verteilt sein”, sagt Simacek. Sie hoffe, dass sich Österreich entschlossen daran machen werde, „die Steuern- und Abgabenquote endlich zu senken. Schließlich geht es um nichts weniger als einen nachhaltig wettbewerbsfähigen, fairen und lebenswerten Wirtschaftsraum Österreich”, sagt die erfahrene Unternehmerin.
Studie errechnete großes Potenzial
Dass es bei den Lohnnebenkosten der Arbeitgeber um keine kleinen Beträge geht, zeigt eine Studie, die das Wiener Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) heuer errechnet hat. Basis für die Berechnungen war die Annahme, dass ab dem kommenden Jahr der 3,7-prozentige Dienstgeberbeitrag zum FLAF aus den Lohnnebenkosten herausgelöst und aus dem Bundesbudget finanziert wird. Die Betriebe würden dadurch unmittelbar um 7,5 Milliarden Euro pro Jahr entlastet - und das wiederum brächte 40.000 neue Arbeitsplätze, ein deutliches Plus bei privatem Konsum, betrieblichen Investitionen und Exporten sowie ein Plus von fünf Milliarden Euro pro Jahr beim Bruttoinlandsprodukt (BIP). Weiters folgen zusätzliche Steuereinnahmen, die einen erheblichen Teil der Abgabensenkung finanzieren. Laut Studienautor Ludwig Strohner von Eco- Austria stärkt eine Lohnnebenkostensenkung die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Unternehmen und erhöht die Nachfrage aus dem Ausland: „Nach den Ergebnissen unserer Untersuchung würden die Exporte innerhalb der ersten drei Jahre um 1,4 Prozent zulegen.” Mit einer Abgabenquote von 43,6 Prozent des BIP habe Österreich den vierthöchsten Wert in der OECD, beim „Steuerkeil” aus Einkommensteuer, Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsummenabgaben abzüglich monetärer Transfers liege Österreich bei Ein-Personen-Haushalten mit durchschnittlichem Einkommen gar auf Platz 3, so der Experte. „Insbesondere Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsummenabgaben fallen in Österreich überdurchschnittlich hoch aus”, sagt Strohner.
Ruck fordert Änderungen
Für Wirtschaftskammer Wien-Präsident Walter Ruck ist klar, dass sich etwas ändern muss: „Wir leben in einem Land, in dem nicht nur hohe Löhne und Gehälter gezahlt werden, sondern auch hohe Steuern und Abgaben. Vieles davon ist an den Faktor Arbeit gekoppelt. So gibt es nicht einmal eine Handvoll Länder, die höhere Lohnnebenkosten haben als Österreich”, kritisiert Ruck. Das belaste die Wirtschaft und koste Wettbewerbsfähigkeit. „Deshalb werden wir in Zukunft sehr genau hinsehen müssen, wie eingesetzt wird. Dabei geht es nicht um die Sozialversicherung, sondern beispielsweise um die Finanzierung des FLAF”, sagt Ruck. Warum gesamtstaatliche Leistungen ausschließlich über Unternehmen finanziert werden, sei zu hinterfragen. „Sie gehören ins allgemeine Budget.” Bei einer Befragung des Market Instituts im Auftrag der WKÖ diesen März sprachen sich 78 Prozent der österreichischen Bevölkerung für eine Senkung der Lohnnebenkosten aus. Auch bei einer Umfrage unter knapp 1000 Betrieben - ebenfalls im März - setzte sich diese Forderung an die Spitze der Liste mit notwendigen Impulsen. 62 Prozent der Österreicher unterstützen die Forderung der Wirtschaftskammer, die Leistungen des FLAF - wie etwa die Familienbeihilfe, das Kinderbetreuungsgeld oder kostenlose Schulbücher - aus dem Bundesbudget zu finanzieren. 28 Prozent sind für die aktuelle Finanzierungsform. Unter #brauchenwir läuft derzeit eine österreichweite Kampagne der Wirtschaftskammer gegen die hohen Lohnnebenkosten und steuerliche Anreize für Mehrarbeit.