Famielenbetriebe
© Florian Wieser

Familienbetriebe arbeiten mit Leidenschaft

Sie denken in Generationen statt in Quartalen, haben eine besondere Beziehung zu ihren Mitarbeitern und sind unternehmerisch oft sehr erfolgreich - Wiens Familienbetriebe. Was noch alles in ihnen steckt.

Lesedauer: 6 Minuten

Aktualisiert am 15.01.2025

Im Bild (v.l.): Doris Brandstetter, Geschäftsinhaberin Silvia Brandstetter und Anita Tackner-Brandstetter führen das Juweliergeschäft in der Taborstraße als Familienbetrieb.

Silvia Brandstetter hat ihre Leiden­schaft für hochwertigen Schmuck und edle Metalle schon früh durch ihre Mutter entdeckt. Heuer feiert ihr Juweliergeschäft im 2. Bezirk bereits das 40-jährige Firmenjubi­läum. Brandstetter führt den Familienbetrieb gemeinsam mit ihren beiden Nichten, Anita Tackner-Brandstetter und Doris Brandstetter. Neffe Roland Brandstetter ist freiberuflich als Grafiker für den Betrieb tätig.

Zwei Generationen - ein Team

„Wir arbeiten Hand in Hand, verstehen uns su­per und ergänzen einander. Die junge Generation bringt frische Ideen und andere Perspektiven ein. Kommunikation ist das Um und Auf”, erzählt Silvia Brandstetter. Meinungsverschiedenheiten gebe es selten. Die Aufgabenteilung im Team sei klar: Jede macht alles. „Meine Nichten haben viele Freiheiten. Darauf lege ich großen Wert”, sagt die erfahrene Unternehmerin. Von diesen Freiheiten konnte vor allem Doris Brandstetter bei ihrer Lehre im Familienbetrieb profitieren. „Ich konnte mich mehr entfalten, das Gelernte schneller umsetzen und früher Verkaufsgespräche führen als meine Kollegen in anderen Betrieben. Dadurch wurde ich im Kundenkontakt selbstbewusster”, erzählt die Einzelhandelskauffrau.

Familienunternehmen denken in Generationen, nicht in Quartalen.

Mit der Zeit gehen und vorausschauen

Langlebigkeit und Beständigkeit sind der Fa­milie Brandstetter nicht nur beim Schmuck, sondern auch im Unternehmen wichtig. Doch „man muss auch mit der Zeit gehen, sonst geht man mit der Zeit”, ist das Motto von Geschäftsinhaberin Silvia Brandstetter. Deshalb bringt der Juwelierbetrieb immer wieder neue Kreationen auf den Markt und bietet auch Trendprodukte, wie zum Beispiel Gravurplättchen. „Wir verkaufen Schmuck für die schönsten Momente im Leben - von der Geburt bis zur Hochzeit”, ergänzt Anita Tackner-Brandstetter. „Daher sind uns Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, Liebe zum Detail und gute Beratung besonders wichtig.” Auch sie schätzt die enge Zusammenarbeit mit Tante und Schwester. Gemeinsam entscheide man oft emotional, aber das Rationale gehöre auch dazu.Wie es mit dem Betrieb langfristig weitergeht, ist noch nicht entschieden. „Ich bleibe dabei, solange ich kann. Ein Verkauf ist nicht geplant. Mein Wunsch wäre eine schrittweise Übergabe an die nächste Generation. Wir haben ein paar Szenarien durchgedacht und schauen, was passiert”, so Silvia Brandstetter.

Einer von 157.000 Familienbetrieben

Mit ihrem Modell, als Familie ein Unternehmen zu führen, sind die Brandstetters nicht allein. Ganz im Gegenteil: In Österreich gibt es rund 157.000 Familienunternehmen, wie die KMU Forschung Austria 2019 erhoben hat. Sie be­schäftigen etwa 1,8 Millionen Menschen und erwirtschafteten schon damals mehr als 400 Milliarden Euro Jahresumsatz. Als Familienunternehmen im engeren Sinn definierten die Wirtschaftsforscher jene Arbeitgeberbetriebe, bei denen die Mehrheit der Entscheidungsrechte direkt oder indirekt bei einer Familie liegt und die mehr als einen Beschäftigten haben. Überdurchschnittlich hoch ist ihr Anteil im jeweiligen Wirtschaftssektor laut der Untersuchung im Tourismus sowie in Produktion und Bau. Rund jedes vierte Familienunternehmen befindet sich im urbanen Bereich. In Wien gibt es rund 32.000 Familienunternehmen. Sie beschäftigen etwa 460.000 Mitarbeiter und setzen 142 Milliarden Euro pro Jahr um.

Familienbetriebe
© Quelle: Market-Institut im Auftrag von Leitbetriebe Austria 2022, 301 befragte Familienunternehmen

Mit Süßwaren auf Expansionskurs

Ein sehr bekanntes Wiener Familienunternehmen ist die 1953 gegründete Confiserie Heindl mit Sitz in Wien-Inzersdorf, wo sich auf einer Betriebsfläche von 12.000 m² Zentrale und Pro­duktion befinden. Andreas Heindl und sein ältester Bruder, Walter Heindl, führten ab 1987 33 Jahre lang die Geschäfte gemeinsam in zweiter Generation. Als Walter Heindl vor fünf Jahren in Pension ging, holte Andreas Heindl den auf Unternehmensführung spezialisierten Betriebswirt Michael Dunkl an Bord. Er ist seitdem seine rechte Hand, Sparring-Partner und nun auch Prokurist. Wenn Andreas Heindl in zwei Jahren in Pension geht, wird Dunkl ihm als Geschäftsführer nachfolgen - dann steht erstmals ein Externer an der Spitze des Familienbetriebs. „Ich hätte es zwar sehr gerne gehabt, dass unsere Kinder die Firma übernehmen, aber man muss jeden am richtigen Platz haben, um die Firma erfolgreich weiterzuführen”, sagt Heindl. Operativ sind derzeit neben Andreas Heindl auch seine Frau Susanna Heindl und seine Tochter Nicole Heindl im Betrieb aktiv. Früher arbeiteten mehr Familienmitglieder im Unternehmen mit, durch Pensionierungen und Familiengründungen in der nächsten Generation hat es sich zuletzt aber etwas ausgedünnt. Aktuell kümmert sich Andreas Heindl um Geschäftsführung, Produktion und Expansion, Susanna Heindl um die Kreativabteilung, wo Geschenkartikel mit besonderen Verpackungen für die Filialen entwickelt werden, und Nicole Heindl managt die Logistik und hilft überall mit, wo sie gerade gebraucht wird. „Unsere Zusammenar­beit funktioniert sehr gut, ich bin froh, dass die beiden mit dabei sind”, sagt Andreas Heindl. „Natürlich nimmt man die Firma schon auch mit nach Hause, redet in der Freizeit darüber und diskutiert Pläne. Aber ich finde das sehr positiv - ich habe es mein ganzes Leben nicht anders erlebt”, erzählt der Unternehmer. „Die Firma war immer im Vordergrund. Ich habe von klein auf gelernt, dass man 24/7 Unterneh­mer ist”, erinnert sich Andreas Heindl. Heute beschäftigt das Unternehmen rund 280 Mitar­beiter, stellt rund 190 unterschiedliche Konfekt- und Waffel-Spezialitäten her, bewirtschaftet 30 Filialen und beliefert den Einzelhandel. Pro Jahr werden etwa 600 Tonnen Schokolade verarbeitet - und 6000 Liter Alkohol. Der Jahresumsatz lag zuletzt bei rund 29 Millionen Euro. Heuer wird die Suche nach weiteren Filialstandorten in mehreren Bundesländern fortgesetzt, ebenso die Exportbemühungen.

Die Familie als größte Stärke

Familienunternehmen zeichnen sich vor allem durch klare Entscheidungsstrukturen, einen vertrauensvollen Umgang, Unternehmergeist und langfristige Perspektiven aus, wie Julia Süss-Reyes vom Institut für Familienunternehmen an der Wirtschaftsuniversität Wien erklärt: „Die größte Stärke von Familienunternehmen liegt in der Familie selbst. Viele Unternehmerfamilien führen ihren Betrieb mit großem Arbeitseinsatz und viel Leidenschaft. Sie sind emotional mit dem unternehmerischen Erfolg verbunden. Eine langfristige Ausrichtung ist dabei häufig beobachtbar.” Die sich dadurch ergebenen langfristigen Beziehungen zu Stakeholdern wirken sich vertrauensfördernd aus, so die Expertin. Von einem Vertrauensvorschuss profitieren Familienunternehmen auch im Onlinehandel. „In Zeiten von Datenmissbrauch und Online- Betrug kann das ein entscheidender Vorteil sein. Gleichzeitig stehen auch Familienunter­nehmen unter Preisdruck und müssen ein effizientes Kundenservice gewährleisten, um erfolgreich zu sein”, so Süss-Reyes.

Eine besondere Unternehmensform 

Dass Familienunternehmen auf langfristige Beziehungen und Beständigkeit großen Wert legen, bestätigt auch Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien: „Ihr Fokus liegt nicht nur auf kurzfristigen Gewinnen, sondern auf dem nachhaltigen Fortbestand des Unternehmens. Diese Denkweise beeinflusst die täglichen Entscheidungen. Stabilität, klare Führungsstrukturen und eine langfristige Bindung zu den Mitarbeitern bekommen dadurch einen hohen Stellenwert.” Doch es können sich auch Nachteile ergeben, wie Ruck erläutert: „Wenn man zu sehr auf Beständigkeit setzt, werden Innovation und Anpassungen mitunter vernachlässigt. Doch auch für Familienbetriebe sind diese unerlässlich.” Ein weiterer Punkt: Falls es in einer Familie zu Konflikten kommt, sind diese oft emotional aufgeladen und daher schwerer lösbar. Und dann gibt es auch noch das Buddenbrook-Syndrom: Die erste Generation gründet, die zweite baut auf, die dritte hat Erfolg und die vierte scheitert. „Stagnation, fehlende Innovation und Festhalten an überholten Ansätzen sind oft die Ursache dafür. Familienunternehmen müssen sich regelmäßig neu erfinden, statt nur auf das Vermächtnis der Vorgängergeneration zu set­zen”, so Ruck. 

Freie Wahl für die nächste Generation 

In jedem Familienunternehmen kommt irgendwann die Zeit, die Führung abzugeben. Häufig bringt die Übergabe an Jüngere wichtige Innovationsschübe, sie ist aber meist ein langwieriger Prozess, der auch mit emotionalen Erwartungen behaftet ist. „Es ist wichtig, der nächsten Generation die Freiheit zu lassen, selbst zu entscheiden, ob sie das Unternehmen übernehmen möchte”, rät Ruck.

Interview Familienbetriebe
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