Die Sorgfalt in der Lieferkette
Wie verschiedene gesetzliche Vorgaben rund um die Lieferkette Unternehmen stärker in die Verantwortung nehmen und weshalb KMU auch davon betroffen sein können.
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Im Bild: Rainer Schneemayer, CEO Timewarp Information Technologies
Die EU nimmt Unternehmen bei der Einhaltung von Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Sozialfragen (ESG) stärker in die Pflicht. Die Verantwortung der betroffenen Betriebe soll dadurch nicht im eigenen Unternehmen enden, sondern sich über die gesamte Lieferkette erstrecken. Verschiedene gesetzliche Regulatorien dafür wurden bereits beschlossen und sind teilweise schonin Umsetzung oder in Ausarbeitung sind in erster Linie vorerst große Betriebe, Banken und börsennotierte Unternehmen. Allerdings trifft es auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU), etwa wenn sie direkt oder indirekt größere Unternehmen beliefern, die von den neuen gesetzlichen Vorgaben erfasst sind. Die Bugkel GmbH, ein Wiener Malerbetrieb in Familienhand, ist eines davon: „Als Dienstleistungsbetrieb treffen uns die neuen Regelungen nicht direkt. Wir arbeiten allerdings häufig mit größeren und öffentlichen Auftraggebern zusammen und mussten deshalb schon das eine oder andere Mal Daten abliefern oder Nachweise erbringen”, erklärt Bernhard Bugkel, der den 42-Mitarbeiter-Betrieb bereits in sechster Generation führt. Und obwohl es den Familienbetrieb noch nicht direkt betrifft, setzt man sich bereits intensiv mit dem Thema auseinander: „Wir wollen eine Vorreiterrolle einnehmen und uns schon jetzt auf alles vorbereiten, was kommt. Denn es wird schwer werden, dann kurzfristigvon heute auf morgen zu handeln.”
Lieferanten genauer unter der Lupe
Konkret hat sich Bugkel etwa die eigenen Lieferanten z.B. für Farbe oder Baumaterial genauer angesehen. „Wir haben zirka zehn verschiedene Lieferanten, die Zahl ist also relativ überschaubar”, erklärt Bugkel, der im Zuge der Initiative Oekobusiness mit jedem Lieferanten einen Check-up-Prozess durchgeführt hat. Etwas aufwändiger war die Analyse des eigenen Unternehmens: „Dieser Prozess war aber sehr spannend für uns, weil man sich hier jeden einzelnen Aspekt des eigenen Unternehmens genau anschaut. Zum Beispiel die Energiekosten, den Abfall, der entsteht, die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etc. Hier sieht man auch sofort, wenn es irgendwo Verbesserungspotenzial gibt”, nennt Bugkel einen der Vorteile. Ein weiterer sei die Außenwirkung auf zukünftige Auftraggeber und Kunden: „Ich glaube, dass bei Ausschreibungen solche Aspekte stärker gefragt sein werden.”
Digitalisierung macht es einfacher
Auch die künftige Dokumentation von bestimmten internen und externen Daten entlang der Lieferkette sieht Bugkel für seinen Betrieb eher unproblematisch: „Ich glaube, dank der Digitalisierung ist das heutzutage relativ einfach - wenn man die Daten einmal beisammen hat.”
Süße Seiten
Ganz anders verhält es sich bei Manner, dem bekannten Wiener Hersteller von Waffeln, Schaumwaren und Dragees. Produziert werden die Produkte zwar ausschließlich in Österreich, doch als börsennotiertes Unternehmen ist man bei den gesetzlichen Neuerungen rund um das Thema Lieferkette von Anfang in der Pflicht.
Dazu kommen die für die Fertigung benötigten großen Mengen an Import-Rohstoffen wie Kakao und auch die starke Exportorientierung des Unternehmens. Denn mehr als 60 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet Manner im europäischen Ausland. Damit wurde der Süßwarenspezialist bereits mit anderen Lieferkettensorgfaltspflicht-Gesetzen konfrontiert - allen voran jenem in Deutschland, das bereits zu Jahresbeginn 2023 eingeführt wurde. „Als indirekt betroffenes Unternehmen haben wir bereits das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichten- Gesetz implementiert und begrüßen eine europäische Lösung, um uns nicht auf eine zersplitterte Rechtslage unter den europäischen Mitgliedstaaten einstellen zu müssen”, schildert Karin Steinhart, Leiterin der Unternehmenskommunikation wie auch ESG-Verantwortliche. Somit wird das in Deutschland gültige Gesetz von Manner in vollem Umfang umgesetzt. „Dazu haben wir mit Hilfe eines externen Beraters eine Risikoanalyse durchgeführt, eine Grundsatzerklärung sowie einen ‚Supplier Code of Conduct’ verfasst, um auch unsere Lieferantinnen und Lieferanten einzubinden”, ergänzt Steinhart. Nach dem Erlass eines österreichischen Gesetzes bedarf es laut Manner wohl nur mehr einiger Anpassungen in den Dokumenten.
Vorbereitung
Im Zuge der Erstellung dieses Verhaltenskodex hat Manner also bereits eine erste Art „Trockenübung” durchgeführt, um sich vorzubereiten. Schließlich gilt für Manner als Aktiengesellschaft bereits für das Jahr 2024 eine erweiterte Berichtspflicht für alle Corporate Social Responsibility- Maßnahmen. „Wir können hier auf einen guten Grundstock aufbauen, da das Thema nachhaltige Lieferkette bei Manner bereits seit vielen Jahren in der Nachhaltigkeitsstrategie verankert ist”, schildert Steinhart: „Gerade unsere Partnerschaften mit Fairtrade - wir sind Österreichs größter Fairtrade Partner - helfen uns unter anderem, bei unserem wichtigsten Rohstoff Kakao unsere Sorgfaltspflichten in der Lieferkette wahrzunehmen.” Auch KMU werden am Thema Sorgfaltspflicht in der Lieferkette in den nächsten Jahren nicht vorbeikommen. Allerdings vermutet man bei Manner, dass das auf den eigenen Unternehmensbereich beschränkt sein wird: „Das wird den meisten auch nicht schwerfallen, dennoch ist es ein Mehraufwand, dies administrativ abzubilden und zu betreuen”, führt Steinhart aus.
Administrative Herausforderung
Die eigentliche Herausforderung liegt laut Steinhart jedoch darin, die Überbindung der Sorgfaltspflichten bei mehreren 100 Lieferanten zuadministrieren. Einen Wettbewerbsvorteil haben damit hier vor allem große Konzerne, die einen solchen Aufwand einfacher bewerkstelligen können. Verbesserungsbedarf sieht der Süßwarenspezialist hinsichtlich einheitlicher Anforderungen betreffend Sorgfaltspflicht: „Es wäre wünschenswert, dass der Katalog der Sorgfaltspflichten, die Vorlieferanten zu überbinden sind, vorgegeben wäre. Andernfalls weichen die Supplier Code of Conducts voneinander ab”, so Steinhart: „Ein etwa von der EU in der Richtlinie vorgegebener Katalog würde einen Standard festsetzen und die Überbindung an Vorlieferanten ebenso vereinfachen wie die Prüfung erhaltener Supplier Codes of Conduct.”
Zeitkontinuum
Etwas weniger dringlich ist der Handlungsbedarf hinsichtlich der kommenden Änderungen die transparente Darstellung der Lieferkette einfordern”, erklärt Rainer Schneemayer. Er ist CEO von Timewarp Information Technologies und führt das auf Cloud- und Server-Hosting spezialisierte Unternehmen gemeinsam mit dessen Gründer Michael Pambalk-Rieger. Die Hardware des Hosters steht zum überwiegenden Teil in Wiener Rechenzentren und in Düsseldorf. Mehrere hundert Kunden betreut das 32 Mitarbeiter starke Wiener Unternehmen. „Da wir jedoch auf langfristige Lieferantenbeziehungen setzen, haben wir den Aufwand je Produkt nur einmal und solange sich an der Situation nichts ändert, können wir die freigegebenen Produkte in gewohnter Form beschaffen.” Im Rahmen einer Nachhaltigkeitsinitiative hat das Unternehmen bereits den Einkaufsprozess überarbeitet und damit eine sehr gute Basis für das künftige Lieferkettengesetz geschaffen. „Somit sind wir bereits heute sehr gut für dieses Thema aufgestellt”, freut sich Schneemayer. Viel geleistete Vorarbeit, mit der man noch ein weiteres Ziel verfolgt. Denn der Betrieb plant, in Zukunft im Bereich Nachhaltigkeit auf Zertifizierungen zu setzen.
Vor- und Nachteile
Doch welche Vor- und Nachteile bringt das angestrebte Lieferkettengesetz für ein KMU mit sich? „Als Vorteil sehe ich die bewusste Auseinandersetzung mit dem Einkaufsprozess, der die richtige Auswahl der Produkte und Lieferanten sicherstellen soll. Als Nachteil den erhöhten Aufwand bei der Beschaffung von neuen Produkten, die zuvor noch nicht gekauft wurden. Insgesamt überwiegen jedoch die Vorteile deutlich, da das Thema zu wichtig ist, um es zu vernachlässigen”, so Schneemayer und ergänzt: „Und es werden hoffentlich einige Billiganbieter vom Markt verschwinden, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter widrigen Umständen beschäftigen und ausbeuten. Gar nicht zu sprechen von Kinderarbeit, die auf der Welt gar nichts zu suchen hat”, so Schneemayer abschließend. für KMU im Dienstleistungsbereich. „Für uns ist ausschließlich der Einkauf relevant, da wir auch keine Produkte verkaufen. Hier werden wir unsere Lieferanten in die Pflicht nehmen und