Aufholjagd bei Künstlicher Intelligenz
Mit Künstlicher Intelligenz (KI) ist die österreichische Bevölkerung erst wenig vertraut, heimische Betriebe noch weniger, zeigt eine neue Studie. Experten fordern dringend Maßnahmen, um den internationalen Anschluss nicht zu verlieren.
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Andreas Lederer, Gründer der Wiener KI-Agentur Advantage AI. Dieses Bild wurde mit Künstlicher Intelligenz (KI) erstellt
So richtig gut kennen sich die Österreicher mit Künstlicher Intelligenz (KI) noch nicht aus. Das belegt eine neue Studie des Vereins fit4internet, für die 2000 online-aktive Personen ab 16 Jahren ausführlich befragt wurden. Ihr Wissen wird nach der Testung als maximal grundlegend eingestuft - wobei sich die Befragten selbst deutlich besser einschätzten. Breit genutzt werden KI-Anwendungen wie ChatGPT vor allem von jüngeren Erwachsenen, während Ältere - erwartungsgemäß - deutlich zurückliegen. Probleme macht vor allem das fehlende Wissen, wie man KI-Lösungen sicher anwendet. Generell gilt: Wer sich für Technologien interessiert, kennt sich auch mit KI besser aus. Und: Männer liegen bei der KI-Nutzung deutlich vor Frauen. Mit Künstlicher Intelligenz verbinden die Befragten zahlreiche Chancen, etwa eine leichtere Datenanalyse in der Forschung. Zugleich werden auch mögliche Gefahren gesehen, wie Cyberkriminalität, Überwachung und fehlende Datensicherheit. Viele erwarten große Veränderungen für die Wirtschaft, von einer hohen Relevanz im eigenen Betrieb ist aber nicht einmal jeder Dritte überzeugt. Nur 14 Prozent meinen, dass ihr Unternehmen auf den Einsatz von KI ausreichend vorbereitet ist. Tatsächlich sind aktuell nur elf Prozent der österreichischen Betriebe KI-Nutzer, das Regierungsziel für 2030 lautet 75 Prozent.
Einer, der mit KI bereits bestens vertraut ist, ist Andreas Lederer. Der Wiener Datenwissenschafter hat 2023 Advantage AI gegründet, um Unternehmen am Weg in die Welt der Künstlichen Intelligenz professionell zu begleiten. „Das, was Unternehmen im Moment am meisten brauchen, ist Orientierung”, sagt Lederer. Denn vor allem Generative KI (GenAI) sei eine sehr breit einsetzbare Technologie, bei der es erst wenige Best Practice-Beispiele gebe. „Alle sind in der Experimentierphase”, urteilt der Experte. Einfache KI-Anwendungen - etwa um eine Konferenz zu transkribieren - könne man schon auf Knopfdruck im Internet kaufen; das steigere die Effizienz. Echte Wettbewerbsvorteile brächten aber individuelle Lösungen: „In jedem Unternehmen hilft dabei etwas anderes”, sagt Lederer, der in ChatGPT einen echten „Game Changer” sieht, weil eine große Zahl an Menschen sich über Nacht vorstellen konnte, was KI konkret bringen kann. „Die Innovationsgeschichte zeigt, dass es immer so ein Verbreitungsmoment gebraucht hat, um globale Wirksamkeit einer neuen Technologie zu entfalten”, sagt der Experte. Der Großteil der Entwicklung von KI-Sprachmodellen passiere derzeit in den USA, aus China komme eher wenig nach Europa, und Europa selbst sei mit ganz wenigen Ausnahmen eher abgeschlagen. Ebenso Österreich, wo es aber große Stärken auf der Grundlagenebene gebe. Dabei sei hierzulande vor allem in der Wertschöpfung durch KI-Sprachmodelle noch viel mehr möglich: „Wir haben einen extrem hochwertigen Datenschatz, den wir durch Sprachmodelle für neue Produkte nutzen können”, sagt Lederer.
Wertvolle Datenmengen
Dass man den vorhandenen Datenschatz durch KI wesentlich besser nutzen kann, meint auch Patricia Neumann, Vorstandsvorsitzende von Siemens Österreich: „In der Industrie werden über vernetzte Maschinen heute riesige Datenmengen produziert. Diese Daten können wir heute dank KI in wertvolle Informationen etwa für Produktdesign oder einen effizienten Produktionsprozess umwandeln, für Prozessüberwachungen und Qualitätskontrollen.” Durch KI sei es möglich, bestehende Dienste in der realen Welt effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Die Zeiten in der IT-Branche seien noch nie so spannend gewesen. „Wir stehen an einem Wendepunkt, und ich bin überzeugt, dass die Chancen durch Technologie größer sind als je zuvor”, sagt Neumann. Um diese Chancen zu nutzen, brauche es Menschen, die Technologie anwenden und die Digitalisierung angreifbar machen. „Die Basis dafür ist eine entsprechende Aus- und Weiterbildung”, sagt die Siemens Österreich-Chefin, die sich bei fit4internet als Vizepräsidentin engagiert. Den Mitarbeitern solle man ermöglichen, sich mit GenAI zu beschäftigen und zu experimentieren. Bei Siemens gebe es dazu bereits ein umfassendes Angebot. „Trotzdem müssen wir darauf achten, keinen Pool an ,Zurückgelassenen’ zu erzeugen. Aktuell mache ich mir aber keine großen Sorgen, da der Mensch in der Bedienung der KI unerlässlich bleibt”, ist Neumann überzeugt. Schließlich gehe es bei KI nicht um Personalabbau, sondern darum, Menschen zu unterstützen, ihre Fähigkeiten und ihr Know-how noch gezielter einzusetzen. Dass Europa bei KI-Entwicklungen kaum wahrnehmbar ist, sieht die Siemens Österreich-Chefin nicht. Zwar seien die USA im B2C-Bereich führend, Europa gebe aber den Takt bei KI für den industriellen Bereich vor. „Wir haben die Chance und arbeiten intensiv daran, uns bei der KI-Revolution in den Fabriken als weltweit führender Anbieter zu etablieren”, sagt Neumann. Bessere Rahmenbedingungen könnten die Arbeit in Österreich dabei erleichtern: Es brauche eine Kombination aus regulatorischen Maßnahmen, Ausbildungsprogrammen, finanzieller Unterstützung und infrastruktureller Entwicklung: „Neben dem wichtigen Bereich Forschung und Entwicklung, wo vor allem finanzielle Anreize seitens des Staates bzw. Steuererleichterung gefragt sind, sind Angebote in der Aus- und Weiterbildung unerlässlich. Nur wenn genügend Personal zur Verfügung steht, das mit KI-basierten Systemen arbeiten kann, werden wir in Zukunft unseren Standort attraktiv gestalten können”, stellt Neumann klar. Weiters seien rechtliche Rahmenbedingungen bei Datenschutz und Ethik-Richtlinien sowie eine funktionierende digitale Infrastruktur - vor allem High-Speed-Internet und Rechenzentren - „wichtige Parameter am Weg zu einer nahtlosen Integration von KI in unser alltägliches Leben”, so Neumann.
Einiges muss besser werden
Nicht optimal vorbereitet ist Österreich auch aus Sicht von Martin Heimhilcher. Der Spartenobmann der Wirtschaftskammer Wien für Information und Consulting gilt als einer der vehementesten Befürworter einer aktiveren Rolle Österreichs, um die Vorteile der KI-Revolution in die heimischen Unternehmen zu bringen. „Künstliche Intelligenz ist weit mehr als ein bloßes technologisches Hilfsmittel. Es wurde ein Wandel eingeleitet, den nun auch jedes Unternehmen durchlaufen muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben”, sagt Heimhilcher. Die Zukunft werde jenen Unternehmen gehören, die diesen Wandel schneller und effektiver vollziehen als ihre Mitbewerber. „KI wird zum Schlüsselfaktor über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens”, ist Heimhilcher überzeugt. Daher müsse die Bildung zu KI breitenwirksam vorangetrieben werden - in den Schulen und Unis ebenso wie in den Unternehmen. „KI-Kompetenzen sind auch essenziell, um mit der dynamischen Entwicklung von KI umgehen zu können”, sagt Heimhilcher. Zudem müssten die verschiedenen KI-Initiativen in Österreich besser miteinander vernetzt und koordiniert werden, ein KI-Cluster sei erstrebenswert. Wien könne zu einem KI-Hotspot werden, ist Heimhilcher überzeugt, der dafür aber die „weißen Flecken” bei der Breitbandversorgung in Wien beseitigt sehen will, vor allem in den Betriebsgebieten. „Wenn KI richtig und effektiv eingesetzt wird, können Unternehmen damit ihre Kosten senken und ihren Umsatz steigern. Das sind Fakten, kein Hype”, sagt Heimhilcher. Die Anwendungsvielfalt nehme rasant zu und reiche mittlerweile von der Diagnostik im Gesundheitsbereich über die Robotersteuerung in der Industrie bis hin zum eigenständigen Lösen von Problemen und einer zufriedenstellenden Kundenkommunikation. „Eine positive Einstellung zu KI ist dabei ein entscheidender Faktor. In der Bevölkerung und in den Unternehmen”, sagt Heimhilcher.