Gastronomie, Fachverband

Position des Fachverbandes Gastronomie zum Thema Acrylamid

Stand 28.7.2017

Lesedauer: 3 Minuten

22.09.2023

Worum geht es?

Die chemische Verbindung Acrylamid steht unter Verdacht karzinogen und genotoxisch zu sein. Zahlreiche Lebensmittel weisen von Natur aus Spuren von Acrylamid auf. Besonders stark entsteht der Stoff allerdings während der Bräunung bestimmter Lebensmittel durch Erhitzung (sogenannte Maillard Reaktion). Betroffene Lebensmittel sind insbesondere gebratene oder frittierte Kartoffelerzeugnisse, Kaffee, Kekse, Kräcker und Knäckebrot sowie Toastbrot.

Was ist passiert?

Auf Bestreben einiger Mitgliedsstaaten wurde der Stoff von der EFSA evaluiert und die Ergebnisse an die Kommission weitergeleitet. Von der Kommission wurde im Zuge eines sog. „Komitoligie-Verfahrens“ auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 ein delegierter Rechtsakt vorgeschlagen. Das vorschlagende Gremium wird mit nationalen Experten aus dem Gesundheitsbereich beschickt.

Die Mitwirkungsbefugnisse in diesem Verfahren sind für die Mitgliedsstaaten und Interessenvertretungen begrenzt. In einigen Punkten ist es den Interessenvertretungen aber dennoch gelungen, Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag der Experten zu erreichen. An der grundsätzlichen Verbindlichkeit des Rechtsaktes konnte im Vorfeld aber leider nichts geändert werden.

Position des Fachverbandes Gastronomie

Der Fachverband stellt die wissenschaftlichen Erkenntnisse im Zusammenhang mit Acrylamid nicht in Frage und anerkennt die möglichen gesundheitlichen Gefahren. Der Fachverband Gastronomie begrüßt grundsätzlich, dass für kleine und mittelgroße Gastronomiebetriebe („retail“) vereinfachte Regelungen zur Vermeidung von Acrylamid zur Anwendung kommen sollen. Dennoch ist die vorgeschlagene Regelung noch immer problematisch. 

Die Handlungsempfehlungen in Part A des Annexes II bringen infolge mangelnder Bestimmtheit ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit für die Betriebe. Dieses Vorgehen steht nicht im Einklang mit grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien und ist daher abzulehnen.

In der Verordnung selbst werden im Art 2, Abs. 2 zwar – im Unterschied zu Art 2 Abs. 1 und Abs. 3 - keine ausdrücklichen Sanktionen oder Verpflichtungen zur Evaluierung der vorgeschriebenen Maßnahmen (wie z.B. Lagerung von Kartoffeln über 6 Grad, Einweichen in Wasser für eine bestimmte Zeit, Blanchieren vor dem Frittieren, Beachtung von Bräunungstabellen ect.) vorgesehen, sodass Gastronomen die Umsetzung der Maßnahmen zur Minimierung der Acrylamidbelastung theoretisch in jeder beliebigen Form vollbringen können.

Faktum ist allerdings, dass es sich um zwingende lebenmittelrechtliche EU-Vorschriften handelt, die als direkt anwendbares Recht von den nationalen Lebenmittelinspektionsbehörden zu vollziehen (gegebenenfalls auch mit Strafsanktionen) und zu überprüfen sind. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die nationalen Behörden bei derartigen Regelungen - im Hinblick auf Kontrollen und das Legalitätsprinzip – stets schriftliche Nachweise einfordern.

Aus Sicht der Branche liegt die Gefahr genau in diesem Punkt, dass im Wege der staatlichen Umsetzung überschießende und nicht verhältnismäßige neue bürokratische Erfordernisse eingeführt werden.

Alternative Ansätze zu einer gesetzlichen Regelung

Die Verringerung von Acrylamid in betroffenen Lebensmitteln ist nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen ein nachvollziehbares und notwendiges Vorhaben. Die in der vorgeschlagenen Verordnung vorgesehenen Maßnahmen sind für den Bereich der Gastronomie allerdings kein geeignetes Mittel um dieses Ziel zu erreichen.

Kein Gastronom hat ein Interesse daran, seinen Gästen verbrannte oder gar gesundheitsgefährdende Gerichte zu servieren!

Zielführender wäre eine komplette Ausnahme für den Bereich Retail in Verbindung mit einer groß angelegten Informations- und Awarenesskampagne, welche sowohl Unternehmer als auch private Haushalte anspricht. Über eine gesteigerte Nachfrage nach „acrylamidarmen“ Speisen wird dem gesundheitspolitischen Ziel der Verordnung weitaus effektiver Rechnung getragen, als durch verpflichtende, nicht ausreichend bestimmte Maßnahmen, die zu Rechtsunsicherheit und zusätzlicher Bürokratie für die Betriebe und einen erheblichen Mehraufwand für die Vollzugsbehörden führen.

Was ist jetzt zu tun?

Der Verordnungsentwurf wird mit einer dreimonatigen Frist dem Rat und dem europäischen Parlament vorgelegt. Sowohl der Rat als auch das Parlament können den Entwurf aufhalten. Eine Intervention des Rates ist sehr unwahrscheinlich, da hier ressortmäßig die Gesundheitsminister abstimmen werden.

Das Parlament könnte allerdings mittels einer „mit Gründen versehenen Entschließung“ darlegen, dass der delegierte Rechtsakt über den zugrundeliegenden Rechtsakt (VO (EG) Nr. 852/2004) hinausgeht . Dies wäre z.B. über einen Bericht des zuständigen Ausschusses möglich, welcher eine entsprechende Entschließung beinhaltet und dem Plenum zur Abstimmung vorlegt. Das Plenum müsste diese Entschließung mehrheitlich annehmen.

Bereits mehrere Politiker haben uns die Unterstützung zugesichert, darunter der Fraktionsführer der EVP Othmar Karas, Elisabeth Köstinger, und Paul Rübig.