WKÖ EU-Wirtschaftspanorama 26/2020
Ausgabe 24. Juli 2020
Lesedauer: 9 Minuten
Inhaltsübersicht
Im Brennpunkt
Unternehmertum & Industriepolitik
Innovation/Digitalisierung
Im Brennpunkt
Corona-Wiederaufbaupaket muss rasch fertiggeschnürt werden
Nach vier Tagen (und vier Nächten) war es tatsächlich geschafft: Die EU-Staats- und Regierungschef haben noch vor der Sommerpause das Corona-Wiederaufbaupaket festgezurrt. Mehrfach war der Gipfel fast abgebrochen worden, der eine oder andere Staatschef hatte schon sein Flugzeug bereit – aber schließlich konnte Ratspräsident Michel doch einen Deal verkünden. „Nach harten Verhandlungen haben die EU-Regierungen gezeigt: Wenn es darauf ankommt, ziehen wir an einem Strang, dann sind wir in Europa solidarisch. Dieses wichtige Signal der europäischen Einigkeit im Kampf gegen die Corona-Krise ist gut für die Wirtschaft“, erklärte WKÖ-Präsident Harald Mahrer. Dem Optimismus wurde jedoch am Donnerstag vom EU-Parlament ein kräftiger Dämpfer erteilt: Das Parlament fordert in einer Entschließung Nachbesserungen am Ratskompromiss. Sonst gibt es kein Ja der Abgeordneten.
Die Staats- und Regierungschefs einigten sich auf einen EU-Haushalt von insgesamt 1,82 Billionen Euro für die nächsten sieben Jahre. Davon entfallen 1.074 Milliarden Euro auf den mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 und 750 Milliarden Euro auf das Corona-Wiederaufbaupaket „Next Generation EU“. Dieser Aufbaufonds setzt sich laut Schlussfolgerungen aus 390 Milliarden Euro an Zuschüssen und 360 Milliarden Euro an rückzahlbaren Darlehen zusammen, wofür erstmals umfassend gemeinsame Schulden an den Kapitalmärkten aufgenommen werden. Diese Mittel werden zu 70 Prozent bereits in den Jahren 2021/2022 und 30 Prozent im Jahre 2023 ausbezahlt und bis zum Jahre 2058 getilgt. Zur Sicherung der rechtmäßigen Verwendung wird ein neuer Rechtsstaatlichkeits-Mechanismus eingeführt. Das EU-Parlament bedauert in seiner Entschließung die massiven Kürzungen bei den Zuschusskomponenten. Was den langfristigen EU-Haushalt betrifft, so kritisieren die Abgeordneten die Kürzungen bei zukunftsorientierten Programmen.
Erfreulich ist, dass ausreichend Geld für das Digital Europe Programm und damit für den digitalen Übergang vorgesehen ist. Damit die EU-Mittel für Wiederaufbau und Zukunftsinvestitionen rasch verfügbar sind, ist ein zügiger Abschluss nötig. Nur dann ist garantiert, dass die einzelnen Programme mit 1. Jänner 2021 starten können und die Finanzierung von Zukunftsbereichen wie Innovation, Forschung, Digitalisierung, Bildung, KI und Cybersecurity gesichert ist. „Es geht jetzt um den Blick aufs große Ganze: Unser gemeinsames Ziel muss sein, Europa im globalen Wettbewerb rasch wieder nach vorne zu bringen“, betonte WKÖ-Präsident Mahrer. „Das ist gerade auch für Österreich wichtig, denn die EU ist für uns Heimat und Heim-Markt.“
Ansprechpartnerin: Franziska Annerl
Unternehmertum & Industriepolitik
EU-weite Mindestanforderungen für Crowdfunding-Plattformen
Neue EU-Vorschriften sollen Hindernisse für den grenzüberschreitenden Betrieb von Crowdfunding-Plattformen beseitigen: Die Mindestanforderungen für diese Plattformen sollen EU-weit harmonisiert werden. Die WKÖ hat für einen pragmatischen Ansatz plädiert: Nationale Regulierungen für Crowdfunding sollen unberührt bleiben. Crowdfunding-Dienstleister sollen aber den europäischen Rechtsrahmen anwenden können, wenn sie einen „europäischen Pass“ benötigen.
Die neuen Regeln, die der Rat am 20.07. angenommen hat, sollen Crowdfunding-Projekte von bis zu fünf Millionen Euro über einen Zeitraum von zwölf Monaten umfassen. Ziel ist ein hohes Maß an Anlegerschutz bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Kosten für die Anbieter. Auch werden gemeinsame Aufsichts-, Informations- und Transparenzanforderungen festgelegt. Spendenbasiertes Crowdfunding ist nicht umfasst, da es nicht als Finanzdienstleistung angesehen wird.
Die Verordnung muss nun noch vom EU-Parlament abgesegnet werden, bevor sie nach ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft treten kann.
Ansprechpartnerin: Sophie Windisch
Innovation/Digitalisierung
Künstliche Intelligenz – Der Game Changer
Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) können ein breites Spektrum positiver Auswirkungen haben, für einzelne Unternehmen sowie auf gesellschaftlicher und makroökonomischer Ebene: Eine aktuelle Studie untersucht die Fortschritte bei der KI in der EU im Vergleich zu wichtigen Wettbewerbern.
KI-Anwendungen können den Unternehmen laut der vom EU-Parlament in Auftrag gegebenen Studie Oportunities of Artifical Intelligence u.a. mehr Effizienz bei Abläufen und bei der Produktentwicklung bringen. In der europäischen Industrie werde eine breite Palette von KI-Anwendungen genutzt. Allerdings seien einige Sektoren (z.B. Automobil, Telekommunikation) hier weiter fortgeschritten als andere (z.B. Chemikalien). Größere Unternehmen seien generell besser aufgestellt, die Potenziale der KI zu nutzen, als kleinere Unternehmen.
Viele Betriebe haben in der Coronakrise einen Digitalisierungsschub erlebt. Für diese Unternehmen ist es wichtig, die getroffenen Maßnahmen zu verstärken und daraus mittel- und langfristig neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. In einer österreichweiten Webinar-Reihe der WKÖ – jeden dritten Mittwoch im Monat, 14:00 Uhr – berichten KI-Technologieanbieter gemeinsam mit Unternehmerinnen und Unternehmern über ihre „tops oder flops“ mit KI-Projekten.
Ansprechpartnerin: Katja Schager
64 innovative, grüne Start-ups und KMU – darunter zwei aus Österreich – erhalten Geld vom Europäischen Innovationsrat
Der Europäische Innovationsrat fördert weitere 64 innovative Start-ups und Klein- und Mittelunternehmen (KMU) mit über 307 Millionen Euro. Das österreichische Unternehmen Aviloo, das Testsysteme für Batterien in Elektrofahrzeugen herstellt, und das österreichische Insektenzuchtkonzept Livin Farms zählen zu den ausgewählten Projekten.
Die ausgewählten Vorschläge tragen zu den Zielen des europäischen Grünen Deals und des Corona-Wiederaufbauplans bei. Sie umfassen Lösungen für die Automobilindustrie, die Luft- und Raumfahrt und den maritimen Sektor sowie Technologien für das Internet der Dinge. Die Gelder werden im Rahmen des Pilotprojekts Accelerator des Europäischen Innovationsrats vergeben, und kommen aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020. In einer ersten Runde wurden bereits im Kampf gegen das Coronavirus aktive Unternehmen gefördert, darunter Contextflow aus Österreich.
Darüber hinaus erhielten 562 Start-ups und KMU ein „Green Deal“-Exzellenzsiegel. Sie wurden als förderungswürdig eingestuft, erhalten aber aufgrund von Budgetbeschränkungen keine Finanzierung. Das Siegel soll ihnen den Zugang zu Finanzmitteln aus anderen Quellen erleichtern.
Ansprechpartnerin: Barbara Lehmann
Nachhaltigkeit
Kommission konsultiert zu Energie-Steuern
Die Europäische Kommission hat Konsultationen zu zwei Initiativen zur Besteuerung im Energiebereich gestartet. Zum einen plant die Kommission, die Energiebesteuerungsrichtlinie zu überarbeiten. Zum anderen soll im Rahmen eines CO2-Grenzausgleichssystems bei Einfuhren bestimmter Waren aus Drittländern ein CO2-Preis festgesetzt und so die Verlagerung von Emissionen ins Ausland verhindert werden.
Die Konsultation zum CO2-Grenzausgleich läuft bis 28. Oktober. Sie soll der Gefahr der Verlagerung von CO2-Emissionen (Carbon Leakage) entgegenwirken. Dabei verlegen Unternehmen ihre Produktion in Länder, die weniger strenge Emissionsvorschriften haben. Für die WKÖ entscheidend ist die Absicherung für die energieintensive Industrie im Europäischen Green Deal: Ohne Verbesserung der Carbon Leakage-Regeln wird der Abwanderungsdruck sehr hoch.
Die Konsultation der Energiebesteuerungsrichtlinie ist bis 14. Oktober offen. Die Kommission möchte die Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom an die Energie- und Klimapolitik der EU angleichen.
Ansprechpartnerin: Barbara Lehmann
Kurz & bündig
EU-Kommission empfiehlt Österreich Vorziehen von Investitionen
Die diesjährigen länderspezifischen Empfehlungen der EU-Kommission für die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Mitgliedstaaten berücksichtigen die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Sie wurden am 20.07. vom Rat angenommen. Die Prioritäten sind: Investitionen in Gesundheitsversorgung, Beschäftigung, Forschung & Entwicklung, Stabilität des Finanzsektors und funktionierender Binnenmarkt. Österreich wird u.a. empfohlen, zur wirtschaftlichen Erholung öffentliche Investitionen vorzuziehen und private Investitionen zu fördern. Um die Unternehmen beim Comeback aus der Coronakrise zu unterstützen, solle Österreich Liquiditäts- und Unterstützungsmaßnahmen, insbesondere für KMU, rasch umsetzen sowie Bürokratie abbauen.
Einfuhr von Medizinprodukten und persönlichen Schutzausrüstungen bis 31.10. von Zöllen und Mehrwertsteuer befreit
Die Europäische Kommission hat die vorübergehende Befreiung von Zöllen und Mehrwertsteuer auf die Einfuhr von medizinischen Geräten und Schutzausrüstung aus Drittländern in die EU und in das Vereinigte Königreich verlängert, um den Kampf gegen das Coronavirus zu unterstützen. Diese Maßnahme umfasst Masken und Schutzausrüstungen sowie Testkits, Beatmungsgeräte und andere medizinische Geräte. Sie wird die anfängliche Frist von sechs Monaten um weitere drei Monate verlängern: Die Befreiung gilt ohne Unterbrechung bis 31. Oktober 2020.
Leitlinien für Regionalbeihilfen werden modernisiert
Die EU-Kommission hat eine öffentliche Konsultation zum Entwurf der überarbeiteten EU-Leitlinien für Regionalbeihilfen gestartet. Bis 30. September 2020 können Beiträge übermittelt werden. Die Überarbeitung erfolgt im Rahmen einer „Eignungsprüfung“, mit der die Kommission feststellen will, ob die 2012 angenommen Rechtsvorschriften zur Modernisierung des EU-Beihilferechts noch zweckmäßig sind. Die Leitlinien, die eigentlich Ende dieses Jahres auslaufen sollten, wurden bis Ende 2021 verlängert. Die Annahme der neuen Leitlinien ist für Anfang 2021 vorgesehen, um den Mitgliedstaaten genügend Zeit für die Vorbereitung und Anmeldung ihrer Fördergebietskarten zu geben, die ab 2022 gelten werden.
Jobs+Jobs+Jobs
Sparkassenverband Österreich sucht einen Praktikanten/eine Praktikantin
Die Abteilung European Affairs des Sparkassenverbandes Österreich sucht zur Verstärkung ihres Teams in Brüssel:
Praktikant – European Affairs (m/w)
- von September bis Dezember 2020, mit aufrechtem oder abgeschlossenem Hochschulstudium, EU-Affinität und politischem Interesse
- Bewerbungen sind bis zum 02.08. per Email an Frau Mag. Amrit Rescheneder möglich, weitere Informationen sind online abrufbar.
LISA sucht Information Technology Officer und Legal Officer
Die Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (LISA) sucht:
Information Technology Officer - Network Administrator, System Administrator (m/w)
- Temporary Agent, Grade AD 5, Ref.-Nr.: eu-LISA/20/TA/AD5/8.1
- Bewerbungen sind bis zum 25.08. möglich, weitere Informationen sind online abrufbar.
Legal Officer (m/w)
- Temporary Agent, Grade AD 5, Ref.-Nr.: eu-LISA/20/TA/AD5/7.1
- Bewerbungen sind bis zum 31.08. möglich, weitere Informationen sind online abrufbar.
EU-Agenda: Terminübersicht
Sitzung der Europäischen Kommission
Voraussichtliche Themen der Sitzung am 29.07.2020:
- stehen bei Redaktionsschluss noch nicht fest
Ausgewählte Fälle des Europäischen Gerichtshofes
- Die Wochen vom 20. Juli bis 28. August 2020 sind sitzungsfreie Zeit. Es finden weder mündliche Verhandlungen statt noch werden Urteile verkündet oder Schlussanträge verlesen.
Ausgewählte laufende Konsultationen
Bankwesen, Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion
- Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen - Überprüfung der Aufsichtsregeln (Solvency-II-Richtlinie)
01.07.2020 - 22.10.2020 - Konsultation zur Etablierung eines EU-Green-Bond-Standards
12.6.2020 - 02.10.2020 - Rahmen für Investitionsschutz und -erleichterung
26.05.2020 - 08.09.2020
Beschäftigung und Soziales
- Europäischer Fonds für die Anpassung an die Globalisierung - Abschlussbewertung (2014-20)
10.06.2020 - 02.09.2019
Binnenmarkt
- Postdienste - Bewertungsbericht
13.07.2020 - 09.11.2020 - Europäische Normen für Fahrzeugemissionen - Euro 7 für Pkw, leichte Nutzfahrzeuge, Lastkraftwagen und Busse
06.07.2020 - 10.11.2020 - Hochladen von Software auf Funkgeräte
25.05.2020 - 14.09.2020 - Geldwäsche & Terrorismusfinanzierung – Aktionsplan
07.05.2020 – 29.07.2020
Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Bildung und Ausbildung
- Cybersicherheit - Überprüfung der EU-Vorschriften zur Sicherheit von Netzwerk- und Informationssystemen
25.06.2020 - 13.08.2020 - Roamingentgelte – Überprüfung und Verlängerung der derzeitigen Vorschriften
19.06.2020 - 14.09.2020 - Aktionsplan für digitale Bildung
18.06.2020 - 04.09.2020 - Digital Services Act: Vertiefung des Binnenmarktes und Klärung der Zuständigkeiten für digitale Dienste
02.06.2020 - 08.09.2020 - Digital Services Act-Paket: Ex-ante-Regulierungsinstrument für sehr große Online-Plattformen, die als Gatekeeper fungieren
02.06.2020 - 08.09.2020
Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung
- Hilfsprogramm für die türkisch-zypriotische Gemeinschaft - Evaluation
22.06.2020 - 09.11.2020 - Konsultation zur Überprüfung der Handelspolitik
16.06.2020 - 15.09.2020
Inneres
- Europäisches Netz für Kriminalprävention - Evaluierung
25.06.2020 - 24.09.2020
Klimaschutz/Energie
- Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie
23.07.2020 - 14.10.2020 - CO2-Grenzausgleichssystem
22.07.2020 -28.10.2020 - Offshore Renewable Strategy
16.07.2020 - 24.07.2020 - Anpassung an den Klimawandel - EU-Strategie
14.05.2020 – 20.08.2020
Landwirtschaft und ländliche Entwicklung
- EU-Agrarpolitik - Bewertung ihrer Auswirkungen auf Lebensräume, Landschaften und Biodiversität
09.07.2020 - 22.10.2020 - EU-Agrarpolitik - Auswirkungen auf die nachhaltige Bewirtschaftung des Bodens
09.07.2020 - 22.10.2020 - EU-Agrarpolitik - Bewertung ihrer Auswirkungen auf das Wasser
09.07.2020 - 22.10.2020 - Bewertung der EU-Agrarförderungspolitik
08.05.2020 – 11.09.2020
Migration
- Öffentliche Konsultation zur Integration und Inklusion von Migrantinnen und Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund
22.7.2020 - 20.10.2020
Öffentliches Gesundheitswesen
- Arzneimittel - sichere und erschwingliche Arzneimittel (neue EU-Strategie)
16.06.2020 – 15.09.2020
Verkehr
- Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität
01.07.2020 - 23.09.2020 - Evaluation des Weißbuchs Verkehr von 2011
01.07.2020 – 23.09.2020
Verbraucherschutz
- Verbraucherpolitik - die neue "Verbraucheragenda" der EU
30.06.2020 - 06.10.2020
Wettbewerb
- Überarbeitung EU-Leitlinien Regionalbeihilfen
23.07.2020 - 30.09.2020 - EU-Wettbewerbsrecht – Bekanntmachung über die Marktabgrenzung (Evaluierung)
26.06. 2020 - 09.10.2020 - Binnenmarkt - neues Instrument zur Bekämpfung aufkommender Risiken für den fairen Wettbewerb
03.06.2020 - 08.09.2020
REDAKTION:
Franziska Annerl, Franziska.Annerl@eu.austria.be, EU Representation der WKÖ
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