Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten, Fachverband

Leitsätze zu Versicherungsbedingungen – Unfallversicherung

Rechtsservice- und Schlichtungsstelle (RSS) des Fachverbandes der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten

Lesedauer: 6 Minuten

09.10.2024

RSL75012

Art. 14 AUVB 2016

Die Führerscheinklausel hat auch für Fahrten auf nichtöffentlichem Grund Geltung, was in Art. 14, Pkt.1 AUVB 2016 ausdrücklich vereinbart ist. Sie zielt darauf ab, den Versicherer nicht dem höheren Risiko durch unerfahrene und ungeschulte Lenker auszusetzen. Das Unfallrisiko eines bloßen Bedienungs-/Fahrfehlers ist bei diesen Lenkern auf öffentlichen wie auf nichtöffentlichen Flächen gleich hoch. Die Führerscheinklausel stellt darauf ab, ob der Lenker eine (allgemeine) Fahrberechtigung und damit eine gewisse Fahrsicherheit hat, egal auf welcher Fläche er das Fahrzeug lenkt. Das fahrerische Können soll bereits vor Antritt der Fahrt in der vom Gesetz formalisierten Weise durch Erhebungen der Behörde und die Fahrprüfung dargetan sein.

Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer versteht die Führerscheinklausel dahin, dass er, um Versicherungsschutz zu genießen, zum Lenken eines Kraftfahrzeugs über die entsprechende Lenkberechtigung nach dem Führerscheingesetz (FSG) verfügen muss (RSS-E 51/24).

RSL75011

Klausel 2U3

In der aktuellen, dem Antragsteller von der Antragsgegnerin übermittelten Polizze wird die strittige Klausel 2U3 nicht mehr bei den "Vertragsgrundlagen" aufgezählt, während sie in der unmittelbar zuvor zugesendeten neu ausgestellten Polizze, die mit "Wertanpassung" begründet worden war, noch enthalten war.

Ein unentgeltlicher Verzicht auf Rechtsausübung ist zwar nur anzunehmen, wenn sich der Verzicht aus der Erklärung unzweifelhaft ergibt. Dies ist hier aber der Fall.

Die Antragstellerin konnte als redliche Erklärungsempfängerin von diesem rechtsgeschäftlichen Verhalten nur das Verständnis gewinnen, dass die Antragsgegnerin nunmehr auf die Anwendung der Klausel 2U3 verzichtet hat und diese Klausel aktuell und auch in Zukunft nicht mehr Vertragsgrundlage ist (vgl. RSS-0011-15). Ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer, auf dessen Empfängerhorizont abzustellen ist, wird dies umso mehr annehmen, wenn er bereits drei Wochen nach einer Änderungspolizze wiederum eine Änderungspolizze bekommt, die denselben Geltungstermin aufweist, die nun aber die hier strittige, mit "Altersumstellung" benannte Klausel nicht mehr zu den Vertragsgrundlagen zählt und zudem nicht – wie die vorherige Änderungspolizze - mit "Wertanpassung", sondern mit "Altersumstellung" bezeichnet wird. Es liegt auf der Hand, dass die letztere Polizze etwas an der Vertragsbestimmung zur Altersumstellung ändern soll. Dass nach der letzteren Polizze keine andere Regelung an die Stelle der Klausel 2U3 tritt, lässt für den Erklärungsempfänger nur den Schluss zu, dass eben diese Klausel aus dem Vertragswerk ersatzlos beseitigt wurde.

Einen Versicherungsnehmer muss eine Besserstellung gegenüber einer ursprünglichen Bedingungslage auch nicht weiter verwundern, weil allgemein bekannt ist, dass immer wieder im Massengeschäft verwendete Allgemein Geschäftsbedingungen verschiedenster Unternehmer zugunsten der Vertragspartner, insbesondere der Verbraucher, angepasst werden, und zwar zumeist infolge von einschlägigen Gerichtsurteilen, mit denen die betreffenden Klauseln für gesetzwidrig erklärt wurden (RSS-E 41/23).

RSL75010

Art. 19 AUVB

Art. 19.1. und 19.2. AUVB lassen nicht erkennen, wie die "Umstellung" auf den Tarif für Erwachsene vorzunehmen ist und wie diese überhaupt zu erfolgen hat. Die Bestimmung lässt nicht einmal vermuten, dass der Versicherungsnehmer von sich aus die "Umstellung" aktiv zu betreiben hat, wobei auch völlig unklar wäre, in welcher Form er dies zu tun hätte. Es wird im Gegenteil ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer, auf den bei der Prüfung der Intransparenz einer Klausel abzustellen ist, davon ausgehen, dass der Versicherer diese "Umstellung" vornimmt und zumindest, dass der Versicherer von sich aus aktiv wird und dem Versicherungsnehmer vor Eintritt der Volljährigkeit des Versicherten ein entsprechendes Angebot unterbreiten wird.

Die Klauseln laut Art. 19.1. und 19.2. AUVB, die im Zusammenhang zu lesen sind, sind daher schon deshalb intransparent im Sinn des § 6 Abs. 3 KSchG und damit unbeachtlich. Intransparent ist zudem auch die in Art. 19.2. AUVB enthaltene Beschreibung, wie die Leistungsbemessung für den Fall erfolgt, wenn keine Umstellung vorgenommen wurde, weil völlig unklar bleibt, von welcher Bemessungsgrundlage dann konkret auszugehen ist (RSS-E 40/23).

RSL75009

Art. 4 AUVB

Im vorliegenden Fall beruft sich die Antragsgegnerin hinsichtlich des Unfalls 2 auf einen Deckungsausschluss für Vorschädigungen infolge des Unfalls 1. Dies wird von der Antragstellerin auch nicht weiter bestritten, jedoch folgt denklogisch, dass die beim Unfall 2 abgezogenen Vorschädigungen, wenn diese auf den Unfall 1 zurückzuführen sind, beim Unfall 1 deckungsmäßig zu berücksichtigen sind. Gemäß den getroffenen Vereinbarungen wird Taggeld für die Dauer der vollständigen Arbeitsunfähigkeit im Beruf der versicherten Person für längstens 365 Tage innerhalb von 3 Jahren ab dem Unfallstag geleistet. Diese Voraussetzungen sind nach dem der Empfehlung zugrunde liegenden Sachverhalt erfüllt, da für den Unfall 1 bislang nur für rund 3 Monate Taggeld bezahlt wurde und die neuerliche Arbeitsunfähigkeit innerhalb von drei Jahren ab dem Unfallstag eingetreten ist (RSS-E 29/23).

RSL75008

Art. 6 AUVB 2011

Wird ein Unfall iSd Art. 6.1 als ein plötzlich von außen auf den Körper der versicherten Person einwirkendes Ereignis, wodurch diese unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet, definiert, ist ein Anheben eines Kastens, ohne dass weitere Einflüsse wie z.B. ein plötzliches Abrutschen des Gewichts vorliegen, nicht unter den Unfallbegriff zu subsumieren (RSS-E 29/22).

RSL75007

Art. 22 AUVB 2010

Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer versteht unter den Begriffen "Krankheiten" bzw. "Gebrechen" jedenfalls degenerative Veränderungen, die über das normale altersbedingte Ausmaß hinausgehen. Es besteht dadurch ein von der Norm abweichender Zustand, der grundsätzlich Beschwerden verursacht und damit im Alltag als krankhaft bezeichnet wird. Ob der Einzelne die degenerativen Veränderungen auch tatsächlich schmerzhaft wahrnimmt und für behandlungsbedürftig hält, ist dabei nicht von Bedeutung. Daraus folgt, dass unter die in Art. 22 AUVB 2010 verwendeten Begriffe "Krankheiten" und "Gebrechen" nicht altersadäquate degenerative Veränderungen fallen (RSS-E 4/22).

RSL75006

AUVB 2015, U 5513

Auch wenn die Tochter der Versicherungsnehmerin in der Polizze namentlich angeführt ist, ist jeweils in diesem Schadenfall zu prüfen, ob sie als versichert gilt. Auch wenn diese zum Zeitpunkt des Antrags nach eigenen Angaben keine Familienbeihilfe bezogen hat und offenbar auch davon ausgehen musste, nicht mitversichert zu sein, zumal sie selbst eine Unfallversicherung abgeschlossen hat, ist nicht aus Sicht ex ante ausgeschlossen, dass die Antragstellerin zu einem späteren Zeitpunkt wieder infolge des Bezugs von Familienbeihilfe in den versicherten Personenkreis zurückkehrt (RSS-E 72/20).

RSL75005

Art. 6 AUVB Top Medium

Einem Herzinfarkt/Schlaganfall kann nicht schlechthin die Eigenschaft abgesprochen werden, als Unfallfolge gelten zu können, weil "Folgenklauseln" im Allgemeinen nur einen Zweck haben, nämlich zu verhindern, dass der Versicherer "Unfallfolgen" tragen soll, die zwar möglicherweise durch den Unfall ausgelöst werden, früher oder später aber ohnehin aufgetreten wären, weil im Körper des Versicherten bereits entsprechende degenerative Veränderungen "angelegt" waren. Vor diesem Hintergrund erweise sich aber der sehr weite Ausschluss, nämlich Herzinfarkt und Schlaganfall kategorisch, selbst bei ausschließlicher Ursächlichkeit des versicherten Unfallereignisses und ohne jegliche Mitwirkung eines degenerativen Geschehens undifferenziert nicht unter Versicherungsschutz zu stellen, als gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs. 3 ABGB, weil dieser unbedingte Ausschluss über das aufgezeigte legitime Interesse des Versicherers hinausschießt und deutlich von den Erwartungen des Versicherungsnehmers abweicht (RSS-E 4/20).

RSL75004

Art. 7 AUVB 2008

Das Verlangen des Versicherungsnehmers, einen Gutachter zur Ermittlung der Dauerfolgen zu beauftragen, ersetzt nicht das Erfordernis der Vorlage eines ärztlichen Befundes, wonach Dauerfolgen vorliegen (RSS-E 46/19).

RSL75003

Art. 10 AUVB 2008

Wird in den Versicherungsbedingungen ausdrücklich eine Taggeldleistung für Arbeitslose und Pensionisten ausgeschlossen, kann sich der Versicherungsnehmer nicht auf eine frühere Entscheidung berufen, der ein anderer Bedingungswortlaut zugrunde liegt (RSS-E 44/19).

RSL75002

Art. 7 AUVB 2008

Zur 15-Monats-Frist in der Unfallversicherung hat der OGH bereits in der Vergangenheit ausgesprochen, dass es sich hierbei um eine Ausschlussfrist handelt, zur Geltendmachung ist auch ein ärztlicher Befundbericht über die Dauerfolgen vorzulegen.

Die Berufung des Versicherers auf die mangelnde Fristwahrung kann jedoch treuwidrig sein, und zwar vor allen dann, wenn die Fristversäumnis durch sein Verhalten begründet worden ist. Die Mitteilung der Mitarbeiterin des Versicherers an die Versicherungsnehmerin, wonach keine Ansprüche aus der Unfallversicherung bestehen, entsprach nicht der schriftlichen Ausfertigung. Diese Fehlinformation ist dem Versicherer insofern anzulasten, als dadurch die Versicherungsnehmerin eine fristgerechte Geltendmachung von Invaliditätsansprüchen verabsäumt hat (RSS-E 66/18).

RSL75001

Art. 7 AUVB 2008

Reagiert der Versicherer nach der Aktenlage auf zwei Schreiben des Versicherungsnehmers, dass die Dauerinvalidität rund zwei Jahre nach dem Unfall noch nicht abschließend feststeht, nicht, kann darin noch kein Verzicht auf die Berufung auf die 4jährige Ausschlussfrist des Art. 7 AUVB 2008 erkannt werden (RSS-E 9/19).