Leitsätze zu VersVG §§ 81-148 − Sachversicherungen
Rechtsservice- und Schlichtungsstelle (RSS) des Fachverbandes der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten
Lesedauer: 4 Minuten
RSL39001
§ 116 VersVG
Nach dem (aufgrund der Vereinbarung deutschen Rechts) grundsätzlich einschlägigen § 150 Abs. 1 VVG (wortgleich zu § 159 Abs. 1 VersVG) eine Lebensversicherung auf die Person eines Versicherungsnehmers oder eines anderen genommen werden kann. Für eine Anwendbarkeit der Bestimmungen über die Lebensversicherung auf eine Versicherung über ein Pferd bleibt daher kein Raum, soweit nicht ausdrücklich anderes vereinbart wäre. Vielmehr handelt es sich bei einer Tierversicherung, die im Übrigen im deutschen VVG nicht explizit geregelt ist, dem Grunde nach um eine Form der Sachversicherung (RSS-E 17/24).
RSL30005
§ 106 VersVG
Im vorliegenden Fall wird von der Antragstellervertreterin nicht bestritten, dass die Zustimmung der Vinkulargläubigerin rechtzeitig bei der Antragsgegnerin eingelangt ist. Damit ist die Bedingung für die Wirksamkeit der am 23.9.2022 per 1.1.2023 ausgesprochenen Kündigung jedoch eingetreten und somit der Versicherungsvertrag per 1.1.2023 aufgelöst.
Ob in weiterer Folge eine Stornopolizze ausgestellt wurde und an wen diese übermittelt wurde, ist für die Wirksamkeit der Kündigung nicht von Relevanz. (RSS-E 72/23).
RSL30004
§ 94 VersVG
§ 94 VersVG schafft einen Ausgleich zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer vor dem Hintergrund des § 11 VersVG und der zu erwartenden umfangreichen Ermittlungen bei großen Feuerschäden.
Die Analogiefähigkeit ist zwar bei vergleichbarer Situation, im Rahmen der Regulierung von Schadenfällen wie bei der Feuerversicherung nicht vollkommen ausgeschlossen (vgl. Saria aaO § 94 Rz 1 ff). Zur Beantwortung der Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit einer analogen Anwendung feuerversicherungsrechtlicher Regelungen auf andere Sparten der Sachversicherung muss auf die §§ 81 ff VersVG eingegangen werden. Analogieschlüsse könnten zwar aus der historisch zufälligen Aufnahme verschiedener Versicherungssparten und mangelnder praktischer Relevanz zur damaligen Zeit erklärt werden; Die Sonderregelungen für die Feuerversicherung sprechen jedoch dafür, dass diese - bedingt durch das besonders schadensträchtige und schwerwiegende Risiko – beabsichtigt sind. Aufgrund der Besonderheiten der Feuerversicherung ist daher, wie Saria (aaO §81 Rz3) ausführt, der grundsätzlichen Ablehnung einer analogen Anwendung auf andere Sparten der Sachversicherungen zuzustimmen (RSS-E 60/22).
RSL30003
§ 96 VersVG
Um auszuschließen, dass sich der Versicherer im Schadensfall leichter vom Vertrag lösen kann als der Versicherungsnehmer, wurden durch die VersVG-Novelle 1994 §§ 158a Abs. 2, 108 Abs. 1 und 115a Abs. 3 VersVG eingeführt, die regeln, dass Abweichungen für beide Teile gleich (paritätisch) sein müssen.
Daran, dass das Kündigungsrecht nach Art. 12 Abs. 3 AS 08 für beide Teile gleich ausgestaltet ist, kann nach dem Text dieser Bestimmung kein Zweifel bestehen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Prüfung, ob derartige Klauseln nicht dennoch für den Versicherungsnehmer gröblich benachteiligend sind, ins Kalkül zu ziehen, dass der Kündigungsgrund nach dem Versicherungsfall überwiegend dem Interesse des Versicherungsnehmers dient, der ihn auch häufiger in Anspruch nimmt als der Versicherer. Vereinbarungen, die das Recht des Versicherungsnehmers zur Schadenfallkündigung zu stark einschränken, sind trotz formaler Gleichheit gemäß § 879 Abs. 3 ABGB unzulässig.
Eine Klausel, wonach die Kündigung im Schadenfall nur zulässig ist, wenn die Versicherungsleistung für einen einmalig innerhalb einer Versicherungsperiode eingetretenen Schaden die Jahresprämie übersteigt, ist nicht gröblich benachteiligend (RSS-E 36/22).
RSL30002
§ 94 VersVG
§ 94 Abs. 1 VersVG sieht für die Feuerversicherung eine Verzinsung von 4 % per anno nach Ablauf eines Monats nach der Anzeige des Versicherungsfalls - ohne Rücksicht auf die Fälligkeit des Anspruchs - vor, es sei denn, dass nach § 94 Abs 2 VersVG die Ermittlungen zur Schadensfeststellung durch ein Verschulden des Versicherungsnehmers nicht erfolgen können. Nach der Absicht des Gesetzgebers soll dies dem Versicherungsnehmer einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Dauer der Ermittlungen häufig von Zufällen abhängig ist und die Fälligkeit der Entschädigungsleistung deshalb gelegentlich für einen langen Zeitraum aufgeschoben werden kann.
§ 94 VersVG bietet somit einen Ausgleich dafür, dass gemäß § 11 Abs. 1 erster Satz VersVG grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs erst mit Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und Leistungsumfangs nötigen Erhebungen eintritt, auf die der Versicherungsnehmer nur begrenzten Einfluss hat. In pauschalierter Form sollen die Nachteile ausgeglichen werden, die dem Versicherungsnehmer dadurch entstehen, dass er die ihm zustehende Versicherungssumme nicht alsbald nach dem Versicherungsfall erhält.
Die Zinspflicht nach § 94 Abs. 1 VersVG ist nur an die Tatsache geknüpft, dass ein Versicherungsfall eingetreten, dass Anzeige erstattet worden und dass seitdem ein Monat verstrichen ist. Im konkreten Fall besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass durch eine Regelung über die Fälligkeit der Entschädigung § 94 Abs. 1 VersVG abbedungen würde (RSS-E 63/21).
RSL30001
§ 97 VersVG
Art. 8 Abs. 6 AWB 2002 knüpft den Anspruch des Versicherungsnehmers auf den den Zeitwert übersteigenden Teil der Entschädigung im Sinne des § 97 VersVG an die Sicherstellung, dass die Entschädigung für die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung der zerstörten oder beschädigten Sache verwendet wird.
Die Sicherung der Wiederherstellung des versicherten Objektes folgt aus den Umständen des Einzelfalls. 100%ige Sicherheit ist jedenfalls nicht zu verlangen, es reicht vielmehr, wenn angesichts der getroffenen Vorkehrungen keine vernünftigen Zweifel an der Durchführung der Wiederherstellung bestehen.
Wird die Wiederherstellung beauftragt, wurde diese laut Rechnung durchgeführt und wurde diese vom Versicherungsnehmer bezahlt, ist von der Wiederherstellung der beschädigten Gebäudeteile auszugehen.
Ob die Arbeiten durch befugte Gewerbetreibende durchgeführt wurden oder nicht, ist für die Fälligkeit der Entschädigungsleistung grundsätzlich nicht von Belang (RSS-E 31/21).