Sparte Industrie

Industrie bringt Bahnzwang für Sekundärrohstoffe vor VfGH

Informationen der Bundessparte Industrie

Lesedauer: 3 Minuten

28.01.2025

Industrieunternehmen wehren sich – mit Unterstützung der BSI - gegen die umstrittene AWG-Verpflichtung, Sekundärrohstoffe mit der Bahn zu transportieren. 

Am 23. Dezember 2024 wurde, unterstützt und koordiniert von der Bundessparte Industrie (BSI) und vom Fachverband Entsorgungs- und Ressourcenmanagement, ein sogenannter Individualantrag auf Normenkontrolle – eine Gesetzesbeschwerde – gegen den verpflichtenden Bahntransport von Sekundärrohstoffen und Abfällen beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) eingebracht. Unter den Antragstellerinnen finden sich namhafte Unternehmen aus der Papier-, Holz- und Metallindustrie sowie aus der Entsorgungsbranche.

Grund für diesen Schritt ist der seit 1. Jänner 2023 geltende „Bahnzwang“ gemäß Abfallwirtschaftsgesetz (AWG 2002). Demnach müssen Abfälle – und damit auch sogenannte Sekundärrohstoffe wie Altmetall, Altholz und Altpapier - ab einer bestimmten Gewichts- und Distanzschwelle verpflichtend auf der Schiene befördert werden, sofern ein entsprechendes Bahnangebot besteht.

Bahnzwang schädlich für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft

Das zuständige Bundesministerium für Klimaschutz (BMK) wurde von betroffenen Unternehmen, der BSI und vom Fachverband Entsorgungs- und Ressourcenmanagement bereits mehrfach auf die mangelnde Praxistauglichkeit und die für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft schädlichen Auswirkungen dieser Vorschrift hingewiesen. Da eine Reaktion bislang ausblieb, wendeten sich die Antragstellerinnen nun an den Verfassungsgerichtshof.

„Es hat sich gezeigt, dass dieser Bahnzwang realitätsfremd ist und unsere Betriebe in der Praxis massiv behindert. Obwohl um ein Vielfaches teurer als der LKW, kann die Bahn nicht einmal annähernd die für die Branche erforderlichen ‚Just-in-time-Lieferungen‘ sicherstellen. Damit wird das österreichische Kreislaufwirtschaftssystem, das auf verlässliche und flexible Transportwege angewiesen ist, empfindlich gestört“, fasst Harald Höpperger, Obmann des WKÖ-Fachverbandes Entsorgungs- und Ressourcenmanagement, die durch die bekämpfte Regelung hervorgerufene, unbefriedigende Situation zusammen.

Das vom BMK postulierte Ziel, mit dem Bahnzwang einen wirksamen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen zu leisten, wird nicht annähernd erreicht. Im Gegenteil: Durch kompliziere Umschlagsprozesse, längere Transportwege und fehlende Bahnanschlüsse vor Ort entstehen sowohl ökologische als auch ökonomische Mehrbelastungen und insbesondere zusätzliche CO2-Emissionen.

Zudem gefährdet der Bahnzwang für Sekundärrohstoffe sowohl die Kreislaufwirtschaft als auch die Rohstoffversorgung in Österreich. Auch eine Empfehlung des Finanzministeriums im Monitoringbericht vom Juni 2024 zum Masterplan Rohstoffe 2030 legt daher nahe, den Bahnzwang zu überdenken. Demnach ist der in Österreich verpflichtende Abfalltransport auf der Schiene für das Metallrecycling in der Praxis nachteilig und es wird mehr CO2 emittiert als eingespart.

Ziel des Antrags: Streichung der rechtlich, ökonomisch und ökologisch fragwürdigen AWG-Bestimmung

Darüber hinaus bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Bahnzwang, die von den betroffenen Unternehmen im Individualantrag geltend gemacht werden: Der Bahnzwang verstoße gegen den Gleichheitssatz, die Erwerbs- und Eigentumsfreiheit sowie das Legalitätsprinzip. Zudem sei die Maßnahme unverhältnismäßig, da der versprochene Nutzen in keinem Verhältnis zu den wirtschaftlichen Nachteilen und der Störung der Kreislaufwirtschaft stehe.

„Die Erfahrungen mit dem Bahnzwang haben gezeigt, dass die damit verbundene einseitige Belastung von Sekundärrohstoffen - und damit auch der auf eine termingerechte Versorgung mit Sekundärrohstoffen angewiesenen Papier-, Holz- und Metallindustrie - im Hinblick auf den umweltpolitisch gewünschten Einsatz von Sekundärmaterial kontraproduktiv, sachlich nicht gerechtfertigt und nachteilig für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ist. Die Maßnahme ist überdies unverhältnismäßig, führt zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen und schwächt letztlich das gesamte umweltorientierte Wertschöpfungssystem“ – so begründet BSI-Spartenobmann Siegfried Menz den Schritt vor den VfGH.

Ziel des VfGH-Antrages ist es, diese massive Ungleichbehandlung von Primär- und Sekundärrohstoffen durch Aufhebung der o.e. AWG-Bestimmung zu beenden und wieder rechtssichere, praxistaugliche Rahmenbedingungen für die österreichische Abfall- und Recyclingwirtschaft sowie die verarbeitende Industrie herzustellen. Damit soll langfristig ein effizienter, ressourcenschonender und umweltfreundlicher Kreislauf sichergestellt werden, von dem alle Beteiligten – und nicht zuletzt die Umwelt – profitieren.

Die Bundessparte Industrie hofft, dass sich der VfGH in einer der nächsten Sessionen mit der Angelegenheit befasst. Parallel dazu versucht die Industrie auch auf politischer Ebene, eine Streichung dieser sowohl ökonomisch als auch ökologisch äußerst fragwürdigen AWG-Bestimmung zu bewirken. Mitte Jänner wurde bekannt, dass mit Verfügung des VfGH das Vorverfahren eingeleitet und die Bundesregierung zur Äußerung binnen 8 Wochen aufgefordert wurde.

Autor:

Mag. Gerfried Habenicht
E-Mail:,gerfried.habenicht@wko.at

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