Sparte Industrie

Aktueller Stand der Frühjahreslohn- und -gehaltsrunde 2022

Lesedauer: 3 Minuten

11.03.2023

Trotz einer nicht einfachen Zeit für KV-Verhandlungen konnten sich einige Fachverbände mit den Gewerkschaften bereits auf KV-Abschlüsse einigen.

Nicht nur im Herbst, auch im Frühling finden wichtige Kollektivvertragsverhandlungen statt. Die Verhandlungen der letzten zwei Jahre waren vor allem durch die Corona-Pandemie und dem daraus resultierenden Teile- und Vormaterialienmangel geprägt. Im Lichte dessen sind auch noch die nachfolgenden KV-Abschlüsse der Mineralölindustrie sowie der PROPAK-Industrie, die Produkte aus Papier und Karton produziert und veredelt, zu sehen.

  • Mineralölindustrie (Arbeiter und Angestellte)
    (Geltungsbeginn 1.2.2022)
    IST und KV: 3,9 %
     
  • PROPAK (Arbeiter und Angestellte)
    Geltungsbeginn 1.3.2022)
    IST und KV: 3,9 %

Zwar war zum Zeitpunkt der Verhandlungen dieser beiden Fachverbände im Jänner und Februar bereits ein deutlicher Anstieg der Inflationsrate zu spüren, durch den Ausbruch des Krieges in der Ukraine und der Sanktionen gegen Russland und Belarus erreichte die Inflationsrate jedoch Höhen wie zuletzt im Jahre 1981. Im Zuge der überproportional stark ansteigenden Preise, insbesondere im Energiebereich, forderten die Gewerkschaften teilweise Lohnerhöhungen von bis zu 6%.

Die Industrie ist gegenwärtig mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert: Einerseits haben einzelne Unternehmen wegen der stark ansteigenden Kosten für Gas und Strom aus betriebswirtschaftlichen Gründen die Produktion schon heruntergefahren bzw. kurzfristig sogar eingestellt, andererseits führt der Materialmangel (Stichwort: fehlende Kabelbäume aus der Ukraine) immer wieder dazu, dass Unternehmen für mehrere Monate Kurzarbeit anmelden müssen, weil sie planungstechnisch im völligen Blindflug unterwegs sind. Vor allem die Fahrzeug- und Zulieferindustrie ist davon stark betroffen. Neben dem Ukraine-Krieg und dessen vielschichtigen wirtschaftlichen Folgen stellt insbesondere die Störung der Logistik bzw. der Lieferketten durch die Lockdowns in China (Shanghai) aufgrund der Corona-Lage eine starke Belastung für viele Unternehmen dar.

Dieser Mix an Problemen komplizierte die heurige Frühjahreslohn- und –gehaltsrunde erheblich. Teilweise wurde über ein Verschieben der KV-Verhandlungen - wie zB in der deutschen chemischen Industrie (sog. „Brückenlösung“) - nachgedacht, was die Gewerkschaften in Österreich jedoch rundum ablehnten.  Die extrem schwierigen Rahmenbedingungen haben sich nicht zuletzt darin gezeigt, dass bei allen Abschlüssen mehrere Verhandlungsrunden notwendig waren und Betriebsversammlungen in der Papierindustrie, der chemischen Industrie sowie in der Elektro- und Elektronikindustrie stattfanden. Bei Letzter drohten die Gewerkschaften darüber hinaus auch mit Warnstreiks. In jenen Branchen, in denen die Gewerkschaft Bau-Holz Kollektivvertragspartner ist, wurden im letzten Jahr 2-Jahres-Abschlüsse getätigt, was sich im Nachhinein als klug und sinnvoll erwiesen hat.  

Vor dem komplexen Hintergrund war es wichtig, in den Verhandlungen strukturelle, langfristige Effekte von kurzfristigen zu unterscheiden und so zu einer „Mittellösung“ zu kommen. Dass Lohn- und Gehaltsabschlüsse höher ausfallen, wenn die Inflation so hoch wie schon lange nicht mehr ist, ist klar. Umgekehrt braucht es in diesen Zeiten ein besonderes Fingerspitzengefühl bei den KV-Verhandlungen, um nicht eine gefährliche Lohn-Preisspirale in Gang zu setzen, vor der mehrere Ökonomen eindringlich gewarnt haben.

Fakt ist leider auch, dass ein zentraler Gewinner der heurigen KV-Verhandlungen bereits feststeht: Der Staat bzw. der Finanzminister. Aus diesem Grund fordert die Bundessparte Industrie weiterhin eine lohnsteuer- und sozialversicherungsfreie Möglichkeit von Prämien- und Einmalzahlungen als lohngestaltende Vorschrift, um der „kalten Progression“ zumindest teilweise zu entkommen. Das wird für den Herbst ganz wichtig werden!

Nachfolgend eine Übersicht der bereits erfolgten Kollektivvertragsabschlüsse der Frühjahreslohn- und -gehaltsrunde 2022:

  • Textil (Arbeiter und Angestellte)
    (Geltungsbeginn: 1.4.2022)
    IST: 4,2 %, KV: 4,5 %. 
    Der 24.12. ist mit Geltung 1.4.2022 unter Fortzahlung des Entgelts arbeitsfrei.
  • Bauindustrie (Arbeiter und Angestellte)
    Abschluss erfolgte bereits 2021 / 2-Jahres-Abschluss (Geltungsbeginn: 1.5.2022)
    IST (Arbeiter): Parallelverschiebung bleibt aufrecht, KV: 4,2 % (0,7 % + VPI 03/21 – 02/22)
    IST (Angestellte): Parallelverschiebung bleibt aufrecht, KV: 4,1 % (0,6 % + VPI 03/21 – 02/22)
  • Holz (Arbeiter und Angestellte)
    Abschluss erfolgte bereits 2021 / 2-Jahres-Abschluss (Geltungsbeginn: 01.5.2022)
    IST: 4,01 % (0,5 % + VPI 03/21 – 02/22), Parallelverschiebung bleibt aufrecht,
    KV: 4,11 % (0,6 % + VPI 03/21 – 02/22)
    Der 31.12. ist mit Geltung 1.5.2022 unter Fortzahlung des Entgelts arbeitsfrei.
  • Stein/Keramik (Arbeiter)
    Abschluss erfolgte bereits 2021 / 2-Jahres-Abschluss (Geltungsbeginn: 1.5.2022)
    IST: 4,0 % (0,5 % + VPI 03/21 – 02/22), KV: 4,1 % (0,6 % + VPI 03/21 – 02/22)
  • Chemie (Arbeiter und Angestellte)
    (Geltungsbeginn: 01.5.2022)
    IST: 4,75 % (mind. EUR 120,-), KV: 4,95 %
  • Papier (Arbeiter und Angestellte)
    (Geltungsbeginn: 1.5.2022)
    IST: 4,75 % (mind. EUR 120,-), KV: 4,9 %
  • FEEI (Arbeiter und Angestellte)
    (Geltungsbeginn: 1.5.2022)
    IST: 4,8 % (mind. EUR 130,-), KV: 5,0 %
    3 Optionen: Einmalzahlungs-, Verteilungs- und Freizeitoption

Autor:

Mag. Thomas Stegmüller
E-Mail: thomas.stegmueller@wko.at