Wer macht künftig die Arbeit?
Corona-Pandemie, Ukrainekrieg, Energiepreisexplosion, Inflationsschock: Die Wirtschaft kommt – auch in Kärnten – aus dem Krisenmodus nicht heraus. Zum „Tag der Arbeitgeber“ am 30. April präsentierte die Wirtschaftskammer heute Forderungen und Strategien gegen den Fachkräftemangel.
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Die Kärntner Wirtschaft nimmt den bevorstehenden „Tag der Arbeit“ am 1. Mai wieder einmal zum Anlass, ihre österreichweit bekannteste Frage zu stellen: „Was wäre der Tag der Arbeit ohne ArbeitGEBER?“ WK-Präsident Jürgen Mandl sieht diese Initiative, die schon zum elften Mal durchgeführt wird, aber nicht als Konkurrenz zum traditionellen „Tag der Arbeit“: „Die Wirtschaft ist sich des Wertes ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr wohl bewusst, in Zeiten des Arbeits- und Fachkräftemangels vielleicht noch mehr als sonst. Aber wir wollen das Bewusstsein dafür stärken, dass Arbeit nicht vom Arbeitsamt kommt, sondern dass es tatkräftige Unternehmerinnen und Unternehmer braucht, die Geld in die Hand und Risiko auf sich nehmen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Deshalb feiern wir am 30. April den ‚Tag der Arbeitgeber‘ – nicht als Gegenveranstaltung, sondern als Ergänzung zum ‚Tag der Arbeit‘ am 1. Mai.“
Ökosoziale Marktwirtschaft ist unverzichtbar
Mit Inseraten, Plakataktionen, Radiospots, Videos, Gewinnspielen und einer Veranstaltungsreihe in allen Bezirken weist die Wirtschaftskammer auf die unverzichtbare Bedeutung der Betriebe für die Bevölkerung hin. „Nicht zuletzt aktuelle Wahlergebnisse zeigen mit aller Deutlichkeit, wie wichtig es ist, bei Politik und Bevölkerung mehr Verständnis für die Funktionsweise und die Zusammenhänge von Wirtschaft, Bürgern und Gesellschaft zu schaffen. Wir werden nicht müde, unsere Botschaft zu predigen: Wer nicht sät, der wird nicht ernten. Ohne auf dem Markt erfolgreiche Unternehmen gibt es keine Jobs, keine Einkommen, keinen Wohlstand, keine soziale Absicherung und letztlich auch keinen Staat“, so Mandl.
Mangelerscheinung Arbeitskraft
Das Thema „Arbeit“ steht derzeit ohnehin ganz weit oben im Sorgenheft der Wirtschaft. Die Auftragsbücher der meisten Unternehmen sind trotz widriger Rahmenbedingungen gut gefüllt, umso ärgerlicher ist es, dass viele Betriebe derzeit Aufträge ablehnen müssen: Es fehlen die nötigen Arbeits- und Fachkräfte. Zehntausende offene Stellen können in Österreich derzeit nicht besetzt werden. Lehrerinnen und Lehrer, Ärztinnen und Ärzte fehlen ebenso wie Ingenieure, Köche, Programmierer und Busfahrer. 66 Mangelberufe standen 2022 auf der bundesweiten Liste, 2023 sind es schon 100. Das Thema ist nicht neu, die Wirtschaftskammer kämpft seit Jahren um attraktivere Zugänge zum Arbeitsmarkt – bis jetzt ohne durchschlagenden Erfolg. „Auf Kärnten entfallen aus den Drittstaatenkontingenten 300 Personen – das sind Peanuts, das wird sich bei 2200 offenen Stellen im Sommertourismus nie ausgehen“, kritisierte Mandl.
Vor allem geht es um drei Zielgruppen, die Mandl verstärkt ansprechen möchte:
- Frauen: Sie fehlen der Wirtschaft in allen Bereichen, aber die Wirtschaft fehlt auch ihnen. Niedrigere Gehälter, oft in Teilzeitjobs, führen zu finanziellen Abhängigkeiten, oft direkt in die Altersarmut. „Eine flächendeckend und zeitlich flexible Kinderbetreuung hat für einen hochentwickelten Wirtschaftsstandort eine Selbstverständlichkeit zu sein. Niemand soll gedrängt werden, aber jeder Mutter soll die Möglichkeit offenstehen, sich auch in einem Vollzeitjob zu engagieren und ihre Berufschancen zu verwirklichen“, verlangt Mandl.
- Senioren: Sie sind stark gefragt, aber das Weitermachen lohnt oft nicht. „Es kann nicht sein, dass wir jahrelang herumdiskutieren, ob und wie wir steuerliche Anreize schaffen können, damit es für fitte, ältere Mitarbeiter mit ihrem riesigen Know-how und ihrer gesunden Arbeitseinstellungen attraktiver wird, noch ein paar Jahre Berufstätigkeit – und Einkommen - dranzuhängen“, kritisiert Mandl.
- Zuwanderer: Die Wunschvorstellung, fachlich qualifizierte und integrationsbereite Zuwanderer für die heimische Wirtschaft zu gewinnen, ist bis heute nur eingeschränkt in Erfüllung gegangen. Zum einen ist dafür die Bürokratie verantwortlich, die Unternehmen die Beschäftigung von Ausländern außerordentlich erschwert. Das reicht von Fragen der Anrechnung von Ausbildungen bis hin zu den anhaltenden Diskussionen um die Rot-Weiß-Rot-Karte. Mandl: „Die jüngste Reform trägt Früchte, in den ersten drei Monaten 2023 wurden rund 1900 Karten bewilligt, das ist laut Arbeitsminister Kocher ein Anstieg um 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass das bestenfalls der berühmte Tropfen auf den heißen Stein ist. WKÖ-Präsident Mahrer spricht von mittelfristig fünfstelligen Zahlen, die unsere heimische Wirtschaft benötigt!“
Standortagentur als Headhunter
Deshalb hat sich auch die neue Kärntner Landesregierung vorgenommen, zur Lösung des Arbeitskräfteproblems selbst beizutragen. Mittels einer eigenen Agentur will sich das Land mit Hilfe der Sozialpartner selbst aktiv im Ausland auf die Suche nach geeigneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Kärntner Wirtschaft machen. Mandl: „Wir sehen aber selbst, dass es hier wieder jede Menge hausgemachter bürokratischer Hürden gibt. Aber wir sind entschlossen, auch diesen Weg für unsere Betriebe zu gehen.“
Österreich wenig attraktiv
Wenig hilfreich ist es dabei allerdings, dass Österreich laut einer aktuellen Studie der OECD bei der Attraktivität für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland im hinteren Mittelfeld herumgrundelt: Platz 26 von 38 Industriestaaten. In Europa liegen Schweden und Norwegen, aber auch Großbritannien und die Niederlande, Deutschland und Dänemark deutlich vor Österreich. Mandls schonungsloses Resümee: „Nicht nur, dass die Behördenverfahren bei uns wieder einmal besonders lang dauern, ist auch die Willkommenskultur deutlich unterentwickelt, sogar schlechter als in Deutschland. Wir werden uns deutlich mehr anstrengen müssen, wenn wir die Geburtenrückgänge und die Überalterung ausgleichen und unseren Wohlstand erhalten wollen. Sonst geht uns nicht die Arbeit, aber es gehen uns die Arbeitskräfte aus.“
Rekrutierungsoffensive im Ausland
Die Wirtschaftskammer erwartet deutlich entschiedenere Unterstützung der Politik, hat aber selbst bereits mit einem eigenen Programm reagiert: „Wir haben hier keine Zeit zu verlieren und steuern mit einer internationalen Fachkräfteoffensive gegen“, erklärt dazu WK-Direktor Meinrad Höfferer. Immerhin werde es bis 2030 um 240.000 Erwerbspersonen weniger in Österreich geben, schon heute würden fast 40 Prozent der Unternehmen Umsatzeinbußen aufgrund des Fachkräftemangels melden. Höfferer: „Wir sind in enger Zusammenarbeit des Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, der Austrian Business Agency (ABA) und der WKÖ bereits dabei, Kooperationen mit Fokusländern wie den Philippinen, Indonesien, Brasilien, dem Kosovo oder Nordmazedonien digital und durch Rekrutierungsmissionen vor Ort aufzubauen. Ich lade alle Unternehmen mit Personalbedarf dazu ein, dieses engagierte Programm zu nutzen, um auf diesem Weg qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden.“
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