Innenstadtgeschäfte unter Existenzdruck
Klagenfurt ist weiterhin die wichtigste Einkaufsstadt im Süden Österreichs. Der Online-Handel und zehntausende Quadratmeter Verkaufsflächen an der Peripherie setzen aber vor allem den Innenstadtgeschäften kräftig zu. Das ergibt die aktuelle „Wirtschaftsstrukturanalyse Klagenfurt“ in Zusammenarbeit mit dem Klagenfurt Marketing, dem Wirtschaftsservice der Stadt, dem Land Kärnten und der Wirtschaftskammer Kärnten.
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Rückläufige Kundenfrequenzen, prominente Geschäftsaufgaben, immer mehr Leerstände: Der Klagenfurter Innenstadt geht es nicht gut. Die heute vorgestellte CIMA-Studie hat den Grund dafür gefunden: Mit 3,8 Quadratmetern Verkaufsfläche pro Einwohner ist Klagenfurt österreichweit Spitzenreiter, auf Platz 2 finden sich Graz und Innsbruck mit vergleichsweise bescheidenen 2,0 Quadratmetern. „Periphere Geschäftsflächen in Klagenfurt sind seit 2010 um 100.000 m² gewachsen. Besorgniserregend ist der Trend zu ‚Multi-Use‘-Angeboten in Einkaufszentren, mit Sport- und Gesundheitsdienstleistungen. Das führt zum Kaufkraftabfluss aus der Innenstadt, schwächt die lokale Wirtschaftsstruktur und beeinträchtigt die städtische Vielfalt und Attraktivität“, kritisierte Franz Ahm, Obmann der WK-Bezirksstelle Klagenfurt, heute bei einem Pressegespräch in Klagenfurt.
Studie empfiehlt: Pakt für die Innenstadt
Damit die Klagenfurter Innenstadt attraktiv bleibt, braucht es einen Schulterschluss aller politischer Entscheidungsträger: der Innenstadtwirtschaft, des Immobiliensektors und der Sozialpartner. Zukünftig müsse es eine innenstadtorientierte Ansiedlungspolitik geben, betonte der Klagenfurter Stadtrat und Wirtschaftsreferent Max Habenicht, und schlägt einen „Pakt für die Innenstadt“ vor: „Die Wirtschaftsstrukturanalyse Klagenfurt macht deutlich, dass der Innenstadthandel in Klagenfurt — wie in jeder anderen Stadt — durch die Einflüsse des Online-Handels, die Konkurrenz an der Peripherie und die anhaltende Teuerung unter Druck gerät. Diese Veränderungen erfordern nicht nur eine klare Analyse, sondern auch konkrete Unterstützung für unsere lokalen Unternehmen. Daher möchte ich die breite Förderlandschaft betonen, die Unternehmerinnen zur Verfügung steht. Sie betrifft nicht nur Neu- oder Wiederansiedelungen, sondern etwa auch Weiterbildungs- und Digitalisierungsmaßnahmen oder günstige Kredite."
Studie als Weckruf: Ausbau stoppen!
.680 Befragungen in Klagenfurt, Kärnten und den angrenzenden Gebieten in Italien und Slowenien hat die CIMA Austria Beratung und Management GmbH seit Februar 2023 für die aktuelle „Wirtschaftsstrukturanalyse Klagenfurt“ durchgeführt. Gleichzeitig wurden auch die Standortdaten von 1.799 Handels-, Gastronomie-, Handwerks-, und Dienstleistungsunternehmen in Klagenfurt begutachtet. Die damit seit 14 Jahren erstmals aktualisierte Studie gilt als wichtige Grundlage für wirtschafts- und standortpolitische Weichenstellungen in der Zukunft, erklärte die Geschäftsführerin der Klagenfurt Marketing GmbH, Inga Horny: „Die derzeitige Veränderungsdynamik in Städten erfordert eine kontinuierliche Evaluierung der Maßnahmen. Die gewonnenen Daten sind eine gute Basis, auf der wir mit unseren Strategien aufbauen können - vor allem auch im Hinblick auf die Vorbereitung auf die Koralmbahn. Die Studie hilft auch, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass der Ausbau auf der grünen Wiese gestoppt werden muss.“ Denn in Relation zur Größe der Stadt und der vorhandenen Kaufkraft gibt es laut Analyse mit insgesamt 385.000 Quadratmetern einfach zu viel Angebot. Nur ein geringer Teil davon, nämlich 52.000 Quadratmeter, entfällt auf die Innenstadt.
Online-Handel trotz guter Standortbedingungen klar im Vormarsch
Die Rahmenbedingungen für den Einzelhandel sowie den konsumnahen Dienstleistungs- und Gastronomiebetrieben sind in Klagenfurt laut Studie als top zu bewerten. Durch den starken Bevölkerungsanstieg in den vergangenen 20 Jahren von 14 Prozent ist auch die Kaufkraft deutlich nach oben gegangen. Für die lokale Wirtschaft bedeutet das ein zusätzliches Kaufkraftvolumen von 68,6 Millionen Euro bis 2040.
„Handel am Rande der Existenz!“
Nach wie vor kaufen die Klagenfurterinnen und Klagenfurter gerne in den heimischen Geschäften. 85 Prozent des gesamten Kaufkraftvolumens von 686 Millionen Euro werden im lokalen Handel ausgegeben. 2010 waren es noch 93 Prozent. Die Konkurrenz durch den Online-Handel ist seitdem stark gestiegen. Das stellt vor allem den Innenstadthandel vor enormen Herausforderungen, sagt Raimund Haberl, Obmann der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Kärnten: „Die multiplen Krisen der letzten Jahre haben die Klagenfurter Händlerinnen und Händler an den Rand der Existenz geführt. Viele falsche Entscheidungen der Lokalpolitik rächen sich nun. Die vorliegende Studie ist ein eindringliches Signal an alle Verantwortlichen die Rahmenbedingungen zu ändern, um eine attraktive Innenstadt mit einem florierenden Handel zu sichern.“ Inzwischen fließen rund 79 Millionen Euro vorwiegend an ausländische Internethändler, fünfmal so viel wie noch 2010.
Ahm: Jahrhundertchance AREA Süd nutzen
Die Studie empfiehlt des Weiteren eine Marketingoffensive in Slowenien und Oberitalien. War Klagenfurt als Shopping-Destination 2010 noch sehr beliebt bei Italienern und Slowenen, so bleiben die Konsumenten aus den grenznahen Bereichen, besonders aus Italien, immer öfter aus. Es gilt, die neuen Chancen durch die Koralmbahn jedenfalls zu nutzen, sagt Ahm: „Mit der bevorstehenden Inbetriebnahme Ende 2025 eröffnen sich völlig neue Entwicklungsmöglichkeiten und Wachstumspotenziale entlang der Graz-Klagenfurt-Villach-Achse. Diese aufstrebende Metropolregion, die AREA Süd, sollte sich auch als Einkaufsdestination positionieren, unter Berücksichtigung der Stärken und Angebote Klagenfurts. Und für diese Aufgabe ist ein effizientes und finanziell gut ausgestattetes Stadtmarketing unerlässlich.“