Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft

Position des Fachverbandes Gastronomie zur verpflichtenden Herkunftskennzeichnung

Stand: 2. November 2021 

Lesedauer: 5 Minuten

22.09.2023



Der Fachverband Gastronomie unterstützt eine Herkunftskennzeichnung auf freiwilliger Basis, jedoch nicht als Verpflichtung!

Dies entspricht auch der geltenden Rechtslage auf EU-Ebene, wonach Herkunftsangaben bei Lebensmitteln grundsätzlich freiwillig sind.


EU-Rechtslage

Eine Verpflichtung zur Herkunftsdeklaration besteht gemäß Artikel 26 Abs. 2 lit. a EU-VO 1169/2011 nur dann, wenn ohne diese Angabe eine Irreführung der Verbraucher über das tatsächliche Ursprungsland oder den tatsächlichen Herkunftsort des Lebensmittels möglich wäre (zum Beispiel "Kürbiskernöl" mit dem Logo der Steiermark, das nicht aus dieser Region stammt).

Darüber hinaus ist die Angabe der Herkunft bei Lebensmitteln EU-weit bereits umfassend geregelt (unter anderem für frisches, verpacktes Fleisch von Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen und Geflügel sowie Honig, Fische, Olivenöl, frisches Obst oder Gemüse, frische Eier, Bio-Lebensmittel).

Darüber hinaus gelten seit 1.4.2020 europaweit Herkunftsvorschriften für die Hauptzutaten bei verpackten Lebensmitteln.

Nach Art. 39 Abs. 1 LMIV können Mitgliedstaaten nach dem Verfahren des Artikels 45 grundsätzlich zusätzliche Angaben vorschreiben. Solche Vorschriften müssen allerdings aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung oder zum Schutz vor unlauteren Wettbewerb gerechtfertigt sein.

Verpflichtende Angaben des Ursprungslandes oder des Herkunftsortes von Lebensmitteln dürfen nur dann vorgeschrieben werden, wenn nachweislich eine Verbindung zwischen bestimmten Qualitäten des Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft besteht. Bei der Notifizierung einer derartigen Maßnahme muss nachgewiesen werden, dass die Mehrheit der Verbraucher diesen Informationen wesentliche Bedeutung beimisst (Art. 39 Abs. 2 LMIV).

Da die Herkunft von Lebensmittel a priori nichts mit deren Qualität zu tun haben muss, wird eine generelle Herkunftsverpflichtung unserer Ansicht nach schon den Prinzipien des europäischen Rechts widersprechen.

Eine über das EU-Recht hinausgehende, verpflichtende Herkunftskennzeichnung im nationalen Alleingang widerspricht den Prinzipien des gemeinsamen Marktes, ist diskriminierend und benachteiligt inländische Unternehmen!

Ein Alleingang Österreichs bei der Herkunftskennzeichnung ist nicht sinnvoll und diskriminiert die österreichischen Betriebe. Nur EU-weit einheitliche Vorgaben sorgen für einen fairen Wettbewerb, weil sie für alle Marktteilnehmer im Binnenmarkt gleichermaßen gelten.

Fakten statt Mythen

Eine national verpflichtende Herkunftskennzeichnung für österreichische Gastronomen verbessert weder die Sicherheit der Lebensmittel noch das Tierwohl.

Die Herkunft allein sagt nichts darüber aus, wie ein Tier gehalten wird oder ein Lebensmittel produziert wird. Zu Lebensmittelsicherheit und Tierhaltung gibt es EU-weit einheitliche Vorschriften. Zum Beispiel ist auch das Käfighalteverbot für Legehennen EU-weit gültig. Entscheidend ist, dass diese Regeln auch in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen kontrolliert und bei Verstößen sanktioniert werden. Darauf zu achten ist Aufgabe der EU-Kommission bzw. der Mitgliedstaaten. Die Landwirtschaft argumentiert gerne damit, dass es in Österreich generell strengere Vorschriften gebe. Dies ist sachlich nicht nachvollziehbar. Wie bekannt, führt beispielsweise die auch in Österreich stark verbreitete Haltung von Tieren auf Vollspaltenböden zu besonderem Tierleid und in weiterer Folge auch zu minderer Produktqualität. 

Mit einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie wird das Pferd von hinten aufgezäumt!

Eine gesetzliche Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie ändert nichts daran, dass die Nachvollziehbarkeit in der Kette der Lieferanten bis hin zum Bauen nicht sichergestellt ist. Niemand überprüft, ob das Lebensmittel, das der Wirt mit seiner Herkunft kennzeichnen muss, auch tatsächlich vom angegebenen Hof des Bauern stammt. Insofern wird dem Konsumenten damit eine falsche Sicherheit suggeriert.

Die heimische Landwirtschaft ist gar nicht in der Lage, den Bedarf in allen Bereichen zu decken

Der Versorgungsgrad bei Fleisch ist nur bei Schwein und Rind gegeben, bei anderen Fleischsorten und Geflügel bei weitem nicht. Daran hat sich auch über die Jahre hin nichts geändert. Während die Landwirtschaft weiterhin Überschüsse bei Schweinefleisch und Rindfleisch produziert, gibt es in vielen anderen Bereichen nach wie vor Versorgungsengpässe mit heimischen Produkten.

So liegt laut aktueller Versorgungsbilanz der Statistik Austria (Stand 2020) der Selbstversorgungsgrad mit heimischen Produkten bei Hühnerfleisch bei 88 %, bei Truthühnern bei 44 %, bei Enten und Gänsen gar nur bei 19 bzw. 28 %. Ganz marginal ist der Selbstversorgungsgrad bei Fischen mit nur 7 %!

Auch bei Eiern kann sich Österreich regelmäßig nicht selbst versorgen. Laut Statistik Austria exportierte die österreichische Landwirtschaft im Jahr 2020 83,6 Millionen Stück frische Hühnereier in der Schale (ein Plus von 35,2 % gegenüber 2019). Diese Eier fehlen freilich in der Folge am Inlandsmarkt und müssen durch Importe aus der EU ersetzt werden.

Dies zeigt, dass man auf Seiten der Landwirtschaft offensichtlich nicht in der Lage ist, auf die geänderte Nachfrage der heimischen Bevölkerung entsprechend zu reagieren. Wenn die Verfügbarkeit der heimischen Produkte nicht gegeben ist, führt die verpflichtende Herkunftskennzeichnung zwangsläufig zu einer weiteren Verknappung und einen damit verbundenen Preisanstieg bei Lebensmitteln.

Das von der Landwirtschaft immer wieder ins Spiel gebrachte "Schweizer Modell" der Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie bringt de facto kaum Verbesserung der Transparenz

Da es in keinem anderen EU-Mitgliedsland eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für die Gastronomie gibt, wird von den Befürwortern immer wieder auf das "Schweizer Modell" zurückgegriffen.

In der Schweiz muss das Produktionsland von Fleisch, Fleischzubereitungen und Fleischerzeugnissen (sofern diese mehr als 50 % Fleischanteil haben) schriftlich auf der Speisekarte angegeben werden. Bezieht der Gastwirt seine Produkte aus mehreren Herkunftsländern (was in der Regel der Fall sein wird) ist auch die Angabe mehrerer Herkunftsländer zulässig. Damit wäre es zulässig auf die Speisekarte zu schreiben: "unser Rindfleisch beziehen wir aus der Schweiz, aus der EU, aus Argentinien oder USA".

Frankreich musste seine national verpflichtende Herkunftskennzeichnung wegen Verstoß gegen EU-Recht aufheben

Frankreich hat seine nationale verpflichtende Herkunftskennzeichnung bei Milch und Milchprodukten wegen Verstoßes gegen EU-Recht offiziell zurückgezogen. Damit reagiert Frankreich auf das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Oktober 2020 (Rs C-485/18 "Lactalis"), das national verpflichtenden Herkunftsvorschriften, die über EU-Recht hinausgehen, in der Praxis eine klare Absage erteilt. Frankreich musste einräumen, dass der dafür notwendige objektiv nachvollziehbare Nachweis einer Verbindung zwischen einer besonderen Qualität der Milch und ihrer geografischen Herkunft nicht erbracht werden konnte.

Exorbitanter bürokratischer Mehraufwand für Gastronomen und Lebensmittelinspektion

Im aktuellen Regierungsprogramm 2020-2024 ist als Ziel verankert, eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für die Gemeinschaftsverpflegung (Kantinen, Spitäler, Altersheimen, Schulen, Kindergärten und ähnliches) einzuführen. Für Direktvermarktungsbetriebe, Manufakturen und die Gastronomie ist hingegen nur ein freiwilliges Qualitäts- und Herkunftssicherungssystems vorgesehen. 

Eine im Auftrag von BM Köstinger befasste Arbeitsgruppe kam zum Schluss, dass eine tagesaktuelle Herkunftsangabe selbst im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung (mit einer eingeschränkten Anzahl von Gerichten) nicht umsetzbar ist. Die Arbeitsgruppe empfiehlt daher, retrospektiv pro Speisen-Kategorie einen Prozentsatz für heimische Produkte anzugeben. Selbst das würde die Betriebe vor große administrative Mehrbelastungen stellen, die in keinem vernünftigen Verhältnis zum Informationsgewinn für den Konsumenten stehen.

Nicht zu vergessen ist auch, dass jede gesetzliche Vorgabe auch von Seiten der Lebensmittelinspektion überprüft werden muss. Diese wäre verpflichtet, anhand von Isotopenanalysen festzustellen, ob die angegebene Herkunft auch tatsächlich stimmt. Das wäre mit einem immensen zusätzlichen personellen und kostenmäßigen Mehraufwand verbunden, den letztlich der Steuerzahler zu tragen hätte.

Am Ende entscheidet jedenfalls immer der Gast, wobei bekanntermaßen neben der Qualität und der Herkunft auch der Preis eine entscheidende Rolle spielt. Besteht eine erhöhte Nachfrage der Gäste nach heimischen Produkten und die Bereitschaft sich diese auch zu leisten, werden diese in der Gastronomie auch angeboten.