Wiener Betriebe suchen 55.000 Fachkräfte
Bildungsbedarfsanalyse zeigt anhaltend hohen Bedarf an Fachkräften – steigende Nachfrage zieht sich durch alle Bildungswege – WK Wien fordert konkrete Schritte für eine rasch wirksame Fachkräfte-Offensive
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Qualifizierte Mitarbeiter bleiben weiterhin eine äußerst gefragte Spezies, wie eine neue Studie der Wirtschaftskammer Wien bestätigt. Demnach suchen alleine die Wiener Unternehmen in den nächsten drei bis fünf Jahren rund 55.000 Fachkräfte. In der umfassenden Erhebung wurde genauer unter die Lupe genommen, welche Absolventen die Betriebe am häufigsten benötigen. Das Ergebnis der Bildungsbedarfsanalyse: Die hohe Nachfrage zieht sich mittlerweile durch alle Bildungswege, von der Lehre über die höheren Schulen bis zu Fachhochschulen und Universitäten. Für die Bildungsbedarfsanalyse hat das Forschungsinstitut Makam Research 925 Wiener Unternehmen mit insgesamt rund 80.000 Mitarbeitern befragt. Sie wurde heute, Mittwoch, von Wirtschaftskammer Wien-Präsident Walter Ruck und dem Wiener Bildungsstadtrat, Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr, präsentiert. „Die Suche nach Fachkräften ist eine der größten Herausforderungen für die Wirtschaft. Die Nachfrage hat sich noch weiter verstärkt“, kommentiert WK Wien-Präsident Ruck die Ergebnisse der Analyse.
Der Wiener Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr sieht die Herausforderungen ähnlich: „Bildung ist der Schlüssel für ein geglücktes und erfolgreiches Leben. Der Fachkräftemangel führt dazu, dass sich die Bedeutung der Bildung noch weiter verstärkt hat und dies auch in Zukunft weiter tun wird. Als Stadt Wien haben wir daher im Regierungsübereinkommen einen klaren Bildungsschwerpunkt gesetzt, der sicherstellt, dass alle Wienerinnen und Wiener aus einer reichen Palette an Bildungsangeboten das Passende für sich heraussuchen können. Bildung begleitet uns ein Leben lang und beginnt im Kindergarten. Hier haben wir neben den laufenden schulischen Investitionen mit dem Bau einer neuen Ausbildungsstätte und zahlreichen Anreizen, in den Beruf der Kindergartenpädagog*in zu gehen, eine weitere Schwerpunktsetzung vollzogen. Dazu kommt ein völlig neues Zentralberufsschulgebäude, das Raum für bis zu 7.500 Schüler*innen und 350 Beschäftigte bieten wird. Ziel der Politik muss es sein, die nicht einfachen Rahmenbedingungen so zu nutzen, dass wir mit Innovation und Tatkraft die besten Talente in den Bildungsbereich bringen. Daran arbeiten wir mit Hochdruck!“, so Wiederkehr.
Lehrlinge sind die Nummer eins der „most wanted“
Die Bildungsbedarfsanalyse wurde zuletzt 2019 durchgeführt. Seither ist besonders die Nachfrage nach Lehrlingen gestiegen, zeigt der Vergleich. 2019 gab rund ein Viertel der Wiener Betriebe an, in naher Zukunft mehr Lehrlinge aufnehmen zu wollen, nun sind es bereits mehr als 40 Prozent. Insgesamt entfällt fast ein Fünftel des errechneten Fachkräftebedarfs auf dieses Segment. „Das unterstreicht einmal mehr, dass die Lehrlingsausbildung tatsächlich ein Erfolgsbaustein unserer Wirtschaft ist. Umso erfreulicher ist der kräftige Aufwärtstrend bei den Lehrlingszahlen“, so Ruck. Zum Jahreswechsel gab es in den Wiener Ausbildungsbetriebe um ein Fünftel mehr Lehranfänger als im Jahr davor – im Bundesländervergleich ist Wien damit top.
Berufsorientierung als eigenes Unterrichtsfach
Weiterhin hoch bleibt auch die Nachfrage nach Fachhochschul-, HTL- und Universitätsabsolventen. Vor allem die Ausbildung an den Fachhochschulen und den HTL trifft den Bedarf der Wirtschaft. Vier von zehn Betrieben sind damit rundherum zufrieden und haben keine Änderungswünsche. Mehr als ein Drittel aller Wiener Betriebe wollen künftig mehr Absolventen aus diesen Bildungswegen aufnehmen. Gefragt sind vor allem Techniker und IT-Fachkräfte. Im Vergleich zu 2019 ist aber auch eine deutlich höhere Nachfrage nach Absolventen kaufmännischer Schulen (HAK, BMS/Fachschulen) und AHS-Maturanten zu erwarten. Zwei Drittel der befragten Betriebe beschäftigen bereits Absolventen aus diesen Schulformen. Aus ihrer Sicht würden mehr Praxisbezug in der Ausbildung, stärkere Kooperation mit der Wirtschaft und Berufsorientierung als eigenes Unterrichtsfach in den AHS die Ausbildung in diesen Schultypen noch verbessern.
Wirtschaftskammer Wien fordert Fachkräfteoffensive
„Damit der Fachkräftemangel nicht gekommen ist, um zu bleiben, braucht es eine Fachkräfteoffensive, die rasch und nachhaltig wirkt“, sagt Ruck. Die WK Wien hat dazu einen Maßnahmenkatalog erarbeitet, der die Bereiche Bildung und Lehre, Schule und Unterricht, Zuzug und bessere Nutzung vorhandener Potenziale umfasst. Konkret wird etwa ein Stipendium für Erwachsene gefordert, die erstmals eine Lehre beginnen, um ihnen währenddessen die selbstständige Lebensführung zu erleichtern. Weiters soll der Lehrabschluss als Berechtigung für ein facheinschlägiges Studium anerkannt werden. Wirtschaft als Pflichtfach ab der 5. Schulstufe und eine Bildungspflicht, bei der Jugendliche das Schulsystem erst nach Erreichen von definierten Bildungszielen verlassen, sollen sicherstellen, dass die nächste Generation in der Schule optimal auf den Berufseinstieg vorbereitet wird. Unbedingt notwendig ist aus der Sicht der WK Wien auch eine weitere Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte, die z.B. eine raschere Abwicklung der Verfahren zur qualifizierten Zuwanderung und die Ausdehnung auf Lehrlinge umfasst. Auch Anreize zum längeren Verbleib Älterer im Erwerbsleben und die Flexibilisierung des Berufsschulunterrichts - etwa durch E-Learning - sind Teil der vorgeschlagenen Fachkräfte-Offensive.
Weiterbildung steht hoch im Kurs
Erstmals wurde im Rahmen der Bildungsbedarfsanalyse auch das Thema Weiterbildung abgefragt. Mehr als ein Viertel der befragten Betriebe gibt dazu an, die Mitarbeiterschulung seit Beginn der Corona-Pandemie ausgebaut zu haben, weitere zwei Drittel haben ihr Weiterbildungsniveau beibehalten. Die durchschnittliche Schulungsdauer für Mitarbeiter und Lehrlinge liegt bei 4,1 Tagen pro Jahr, für Führungskräfte leicht darunter (3,9 Tage/Jahr). Stark im Fokus ist dabei der Bereich IT: Knapp vier von zehn Betrieben planen, innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre ihre Schulungen dazu weiter auszubauen.