
Wie Recruiting gelingt
Fachkräfte zu finden, gestaltet sich in vielen Branchen als Herausforderung. Wie Wiener Top-Unternehmen die Mitarbeiter-Suche angehen und welche Maßnahmen es von der Politik braucht.
Lesedauer: 7 Minuten
Im Bild: Sabine Glück, Director People andCulture, Herold Business Data GmbH
Bei uns kommt es immer wieder vor, dass wir die Stecknadel im Heuhaufen suchen”, erzählt Sabine Glück, Director People and Culture der Herold Business Data GmbH. Denn gerade in ihrem Unternehmensgegenstand, dem Anbieten von B2B-Lösungen im Bereich des digitalen Marketing, gibt es viele Mitbewerber - die ebenso auf der Suche nach den besten Köpfen sind. Aktuell beschäftigt das Unternehmen rund 200 Mitarbeiter, ein vierköpfiges Team widmet sich dem Human Resources-Bereich. „Wir nutzen daher jede Möglichkeit, um präsent zu sein und aufzuzeigen, welche Möglichkeiten und Jobs es bei uns als attraktiven Arbeitgeber gibt”, beschreibt Glück die Herausforderung. Am Bekanntheitsgrad scheitert es zumindest nicht. Denn das 1919 gegründete Unternehmen war jahrzehntelang für die Herausgabe von Telefonbüchern bekannt und ist den meisten auch heute noch ein Begriff. Herold erkannte offenbar früh die Zeichen der Zeit und verlagerte seinen Unternehmensgegenstand sukzessive in den digitalen Bereich. Telefonbücher sucht man hier also vergeblich. „Wir haben unser Business komplett verlegt. Glücklicherweise haben wir immer zeitgerecht die Veränderungen am Markt erkannt”, sagt Glück. Vor zwei Jahren wurde Herold von der schwedischen Groupe.one, einer führenden Unternehmensgruppe in Europa im digitalen Dienstleistungsbereich, übernommen.
Die Zahl der Bewerbungen lag im letzten Jahr im fünfstelligen Bereich.
Christine Sumper-Billinger
kaufmännische Geschäftsführerin BRZ
Personalsuche im Wandel der Zeit
Glück ist seit 1996 bei Herold und erlebte all diese Umstellungen hautnah mit. Denn nicht nur der Unternehmensgegenstand verschob sich vom analogen in den digitalen Bereich, sondern auch das Recruiting. „Es ist alles viel schneller geworden. Zum Beispiel werden die Bewerbungen online hochgeladen und ich sehe die wenige Augenblicke später”, erzählt Glück: „Doch als Unternehmen muss man auch selbst schnell sein auf der Suche nach Spezialistinnen und Spezialisten. Wenn sich jemand bewirbt und Interesse zeigt, muss man rasch reagieren.”
Arbeitgeber als Marke
Gleich geblieben ist bei Herold offenbar der hohe Stellenwert von Employer Branding, also die Positionierung eines Unternehmens als Arbeitgebermarke. „Wir setzen seit jeher auf Employer Branding als Teil des Recruiting-Prozesses. Bei uns war das immer schon verschmolzen”, schildert Glück: „Inhaltlich bedeutet das für mich der Auftritt des Unternehmens sowohl nach außen als auch nach innen. Seitdem ich denken kann, führen wir daher bei Herold auch Befragungen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch. Denn es bringt nichts, wenn ich etwas anderes predige als ich lebe”, so Glück. Schließlich werden auch Kollegen dazu motiviert, neue Fachkräfte ins Haus zu bringen. Als Belohnung winken dafür Prämien. „Es funktioniert aber nur, wenn auch die Mitarbeitenden kommunizieren und davon überzeugt sind, dass sie in einem tollen Unternehmen arbeiten.” Geachtet wird zudem auf Transparenz. „Etwa sind in unserem Online- Karriereportal und in unseren Videos nur echte ‚Herolde’ zu sehen”, beschreibt Glück.
Strahlkraft für Fachkräfte
Doch nicht nur für Mittelbetriebe, auch für Großunternehmen ist die Suche nach geeigneten Fachkräften mitunter eine Herausforderung, wie das Beispiel des Bundesrechenzentrums (BRZ) zeigt. Als zentrale Anlaufstelle für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung beschäftigt man über 1900 Mitarbeiter. Bei der laufenden Suche nach den besten Köpfen im IT-Bereich steht das BRZ freilich in Konkurrenz mit vielen privaten Arbeitgebern. „Wir legen großen Wert auf einen äußerst zügigen Bewerbungsprozess und bieten eine stringent digitalisierte Candidate Journey im Recruiting- und Pre-Boarding- Prozess”, beschreibt dessen kaufmännische Geschäftsführerin, Christine Sumper-Billinger. Die Kandidaten werden also während des Bewerbungsverfahrens und auch nach der Vertragsunterzeichnung online begleitet, um sie mit dem Unternehmen vertraut zu machen wie auch die Bindung zu stärken. „Das BRZ verfügt über eine hohe Strahlkraft als attraktiver Arbeitgeber für Expertinnen und Experten. Das zeigt sich auch in der sprunghaft angestiegenen Zahl der Bewerbungen, die letztes Jahr im fünfstelligen Bereich lagen”, freut sich Sumper- Billinger. Aber wie hat man das geschafft? So wurde zum einen in den letzten zehn Jahren erheblich in das Employer Branding investiert und dadurch sowohl Bekanntheitsgrad als auch Image des BRZ deutlich belebt. „Unsere im Branchenvergleich äußerst niedrige Fluktuationsrate als auch unsere überdurchschnittlich lange Retention Rate, also die langfristige Unternehmenszugehörigkeit unserer Mitarbeitenden, belegen, dass man sich bei uns wohlfühlt”, freut sich Sumper-Billinger. Ein weiterer Teil des Erfolgsrezeptes sind moderne zielgruppenspezifische Recruiting- Maßnahmen in der Online-Welt, aber auch im realen Leben. Neben Social Media-Kampagnen gib es eigene Veranstaltungsformate wie den „BRZ FemCareer Day” oder die „Career Talks”. Ersterer richtet sich speziell an Frauen, die sich für das BRZ als Arbeitgeber interessieren. Neben allgemeinen Informationen über das Unternehmen berichten bereits im Haus tätige Expertinnen über ihre Arbeit und ihren Karriereweg im BRZ. Bei den „Career Talks” wiederum werden Interessierte mit Führungs- bzw. Fachkräften vernetzt und können sich mittels Video-Call direkt über das Arbeitsumfeld austauschen. Eine weitere spannende Initiative, die potenziellen Bewerbern einen authentischen Einblick ins Unternehmen geben soll, bilden die Job-Botschafter des BRZ. Dieser Pool aus über 50 Fachkräften aus unterschiedlichen Bereichen soll das Image des BRZ laufend in die verschiedenen Communities tragen. Einige sind stärker über Social Media aktiv, andere wiederum agieren als Speaker auf Fachmessen oder in Foren. „Informationen aus erster Hand und persönliche Gespräche spielen heute eine wesentliche Rolle”, weiß Sumper- Billinger.
Berufe zum Angreifen
Gute Erfahrungen mit Social Recruiting-Maßnahmen dieser Art hat auch die Logistik-Sparte der WK Wien. Denn seit 2022 sind in Wien mehrere Logistikbotschafter aktiv - junge Frauen und Männer, die selbst eine Karriere in der Logistik machten und nun ehrenamtlich den Nachwuchs begeistern. „Gemeinsam haben sie, dass sie junge Expertinnen und Experten in der Branche sind. Sie können jungen Interessierten am besten vermitteln, warum sich eine Karriere in der Logistik lohnt”, schildert Davor Sertic, WK Wien-Spartenobmann Transport und Verkehr. Sie besuchen Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren mit Migrationshintergrund in Wiens Fach-, Mittel-und Polytechnischen Schulen. Denn aufgrund der Internationalität der Sparte sind Fachkräfte mit Sprachkenntnissen mehr als gefragt. „Jede weitere Sprache neben Deutsch und Englisch ist ein Zugewinn für das Unternehmen und gerne gesehen”, ergänzt Sertic. Mehr als 2000 junge Menschen konnten so bereits erreicht werden und sich über die Breite der Jobs in der Branche informieren. „Viele wissen gar nicht, dass die Logistik mehr ist als Lkw fahren”, so Sertic. Weiters im Einsatz sind die Logistikbotschafter in der Logistikwerkstatt. Seit 2022 findet diese Informations-Initiative für 12- bis 14-Jährige jährlich statt. Ziel ist, den Jugendlichen die Berufsbilder der Sparte näherzubringen. Über Mitmach-Stationen können diese hautnah in die Branche hineinschnuppern und ihre eigenen Fähigkeiten ausprobieren. Dazu zählen das Ausfüllen eines Frachtbriefes oder das Aufspüren von Transportrouten auf einem Globus. Doch auch Sertic selbst weiß als Arbeitgeber um die Herausforderung in Sachen Fachkräfte- Recruiting Bescheid. Sein Unternehmen, die Unitcargo SpeditionsgmbH, beschäftigt 120 Mitarbeiter in sechs verschiedenen Ländern. „Aktuell gibt es wieder mehr Bewerbungen in allen Ländern und man muss dann einfach schauen, welche wirklich gut sind und ins Unternehmen passen”, schildert er. Um an allen Standorten einheitliche Standards zu setzen, durchlaufen seine Mitarbeiter zu Beginn die Unitcargo- Akademie, die für alle - auch die angehenden Führungskräfte - mit einer Ausbildung zum Disponenten startet. „Es müssen alle das Kerngeschäft kennen”, so Sertic. Nach sechs Monaten erfolgt schließlich die Spezialisierung.
Recruiting von morgen
Mit der sich verändernden Gesellschaft wird auch die Personalsuche von morgen eine andere. Dazu Sumper-Billinger: „Unsere Kompetenz im Bereich KI wird uns zukünftig auch in der Beratung und im Auswahlprozess unterstützen.” Doch aktuell müsse man noch abwarten, inwiefern sich diese Technologie weiterentwickelt und nicht interessante Kandidaten mit weniger linearen Lebensläufen eventuell unberücksichtigt lässt. „Authentisch sein ist wichtig und wird es auch bleiben”, ist hingegen Sabine Glück überzeugt. Gerade in Anbetracht neuer Entwicklungen wie etwa das Mitschicken von Videos bei Bewerbungen. „Es kann schon sein, dass dieser Trend zu nimmt”, meint die Expertin. Stärker werden wird auch die Sinnsuche im Job. „Du musst als Mitarbeitender den Inhalt und den Mehrwert des Jobs erkennen. Man will seinen Beitrag zum Gesamten sehen und verstehen”, sagt Glück. Doch wie transportiert man das in der Personalsuche? Indem man authentisch Einblicke gibt, so Glück: „Wir versuchen heute schon, in einer Ausschreibung einen Hintergrund, einen Zusammenhang zum Gesamtbild darzustellen. So vermitteln wir pro Aufgabe oder Position, wie wertvoll diese für das Gefüge des Unternehmens ist.”

Maßnahmen zur langfristigen Fachkräfte-Sicherung
Betrachtet man die Arbeitslosenzahlen genauer, tun sich einige spannende Fakten auf. Denn Ende Februar waren laut Arbeitsmarkt Service (AMS) 169.442 Personen in Wien als arbeitslos gemeldet oder in einer Schulung - um 5,5 Prozent mehr als im Jahresvergleich. Häufig betroffen sind Menschen, die lediglich die Pflichtschuljahre absolvierten. Laut AMS ist ihr Risiko, arbeitslos zu werden und auch zu bleiben, dreimal so hoch wie für jene mit Lehrabschluss. Zu denken gibt auch die Zahl junger Arbeitsloser. Denn die Zahl der unter 25-Jährigen ohne Beschäftigung lag im Februar um 7,6 Prozent über den Vorjahreswerten. Die Wirtschaftskammer Wien fordert daher schon lange ein Maßnahmenpaket, dass unter anderem bei der Ausbildung von jungen Menschen ansetzt, um den Wirtschaftsstandort Wien langfristig mit gut ausgebildeten Experten zu versorgen und abzusichern. Bei Fragen rund um die Themen Recruiting und Employer Branding steht den Unternehmen die WK Wien mit Services zur Seite. Einen Blick auf die Angebote des AMS zu werfen, lohnt sich ebenso. Neben Förderungen, etwa für das Einstellen bestimmter Personengruppen, bietet es das „Service für Personalsuche”. Dieses umfasst unter anderem Beratungen zur Stellenbesetzung oder Unterstützung bei der Erstellung von gleichbehandlungskonformen bzw. kompetenzorientierten Stellenprofilen. Wenn gewünscht, übernimmt das AMS auch eine vorgelagerte Personalvorauswahl. Bei größerem Recruiting-Bedarf gibt es zudem die Möglichkeit, für das Unternehmen eine eigene Jobbörse zu initiieren.
