Weihnachten Wiener Wirtschaft
© Florian Wieser

Weihnachten ist nicht in der Krise

Wien ist wieder einmal anders: Während andernorts wegen der flauen Konjunktur zu Weihnachten gespart wird, lassen sich die Wiener das größte Fest des Jahres nicht nehmen - und geben deutlich mehr aus als im Vorjahr.

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Aktualisiert am 04.12.2024

Im Bild: Heidemarie Heinz, Spielwaren Hein

Heidemarie Heinz mag Weihnachten. Und auch die Zeit vor Weihnachten. Denn für die Wiener Spielwarenhändlerin ist das die umsatzstärkste Zeit des Jahres. In ihren zehn Filialen hat sie bereits in der ersten Novemberhälfte einen guten Start des Weihnachtsgeschäfts bemerkt. „Manche machen ihren Einkauf gerne früh, weil es ihnen in der Zeit kurz vor Weihnachten zu stressig wird”, weiß Heinz. Andere interessieren sich für ganz bestimmte Produkte und besorgen diese lieber rechtzeitig - sicher ist sicher. Hier hat der stationäre Handel auch gegenüber den Online[1]Konkurrenten die Nase vorn. „Lieferschwierigkeiten im Online-Handel sind nach wie vor ein Thema. Da kaufen viele Leute lieber bei uns ein”, freut sich Heinz. Auch um die kommenden Wochen macht sie sich daher keine Sorgen. Rund die Hälfte der Wiener besorgt den Großteil der Geschenke vor Dezember, zeigt die neueste Konsumentenbefragung im Auftrag der Wirtschaftskammer Wien. Die zweite Hälfte folgt dann im Dezember. Echte Late Buyer, die sich auf die Tage vor dem großen Fest konzentrieren, werden immer weniger.

Viele informieren sich online und kaufen offline. Früher war das umgekehrt.

Spiele mit Wien-Bezug gefragt

Ein weiterer Trend: Spielwaren schenkt man längst nicht mehr nur Kindern, sondern zunehmend auch Erwachsenen. „Gerade Brettspiele sind extrem gefragt, weil zu Weihnachten und Silvester sich viele mit Familien und Freunden treffen, wo gespielt wird”, erzählt Heinz, die das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Mann Michael Heinz in dritter Generation führt. Ein Selbstläufer sei jede Weihnachten das gerade aktuelle Spiel des Jahres. Gefragt seien zudem Spiele mit regionalem Bezug, gerade im Crime und Escape-Segment, auf die sich kleinere Spieleverlage spezialisierten. Dazu zählen „Mord in Schönbrunn” oder „Schatz im Stephansdom”, aber auch Wien-Editionen von Spielen wie Rommee. Spiele mit Wien-Bezug seien eine Stärke im Sortiment von Spielwaren Heinz. Bei den Kleinen beliebt wie eh und je sind Klassiker wie Lego, Sammelkarten, Bastelsets oder alles mit Disney Lieblingen als Motiv, erzählt Heinz. Ein echter Renner im Pflichtschulalter seien aktuell Legami-Stifte - radierbare Kulis und Stifte mit Motiv. „Von denen sind heuer sicher einige in die Adventkalender gewandert”, schmunzelt Heinz. Es gab auch eine Weihnachts-Edition, doch die war binnen Tagen ausverkauft.

Entscheidender Umsatzbringer

„Der Dezember macht rund zehn Prozent des gesamten Jahresumsatzes des Einzelhandels aus und entscheidet oft darüber, ob Unter[1]nehmen positiv bilanzieren können”, weiß die Wiener Handelsobfrau, Margarete Gumprecht. Vor allem für Branchen wie den Spielwarenhandel, den Uhren- und Schmuckhandel, den Bekleidungshandel, Drogerien und Parfümerien sowie für Buch- und Elektrofachgeschäfte sei das Weihnachtsgeschäft ein unverzichtbarer Umsatzbringer. Besorgt blickten diese Branchen dem großen Fest heuer entgegen, denn die Konjunktur ist schwach und die Konsumenten seit Monaten äußerst zurückhaltend. Doch wie die Befragung der WK Wien zeigt, dürfte das heurige Weihnachtsgeschäft krisenresistent sein: Erwartet werden durchschnittliche Ausgaben von 320 Euro pro Schenkenden - das sind um 30 Euro mehr als vor einem Jahr. „Weihnachten bleibt eine Zeit des Schenkens, die ersten Signale für eine Erholung des Handels sind erkennbar, auch wenn wir weiter mit Herausforderungen rechnen müssen”, sagt Gumprecht. Nach einer historisch schlechten Stimmung im Handel erwarte sie für die kommenden Wochen eine hohe Kaufbereitschaft und stabile Einnahmen. „Wir können vorsichtig aufatmen”, sagt Gumprecht.

470 Millionen Euro Gesamtumsatz

In Summe planen 1,5 Millionen Wiener, Ge[1]schenke für Weihnachten zu besorgen, und wollen dafür in Summe 470 Millionen Euro ausgeben. Dass diese Prognose hält, gilt als Forschung Austria, der die heurige Untersuchung durchgeführt hat. Beschenkt werden ganz traditionell vor allem Eltern, Partner und Kinder, ferner auch Geschwister und Freunde. Je nach individuellen Möglichkeiten variiert das Weihnachtsbudget stark, zeigte die Befragung. Jeder Fünfte hat für Weihnachten bewusst gespart, jeder Vierte hat bei anderen Ausgaben Kompromisse gemacht, um die Liebsten zu beschenken. „Das zeigt, dass Weihnachten trotz wirtschaftlicher Herausforderungen einen hohen Stellenwert hat”, sagt Gumprecht. Die heurigen Top Geschenke sind Kosmetika, Gutscheine, Bekleidung, Spielwaren, Bücher und Schmuck.

Zahlen Weihnachten
© Drazen | stock.adobe.com/Quelle: KMU Forschung Austria

Beziehung zu Produkten aufbauen

„Für mich ist das - wie jedes Jahr - die umsatzstärkste Zeit des Jahres. Die Kunden haben bereits im November begonnen einzukaufen. Somit ist das Geschäft in diesem Jahr offen[1]sichtlich früher angelaufen”, sagt die Wiener Schmuckhändlerin Sabina Ebner, die sich im 7. Bezirk mit ihrem Label „Schmuckstück by Sabha” vor 15 Jahren selbstständig gemacht hat und ihren selbst designten Schmuck fast ausschließlich auch selbst anfertigt. „Ich möchte bei meinen Schmuckstücken keinen Trends hinterherlaufen. Wichtig ist mir, Bezug auf die Natur zu nehmen, z.B. mit meinen Edelsteinen, und nachhaltig zu fertigen.” Einzelne Stücke stellt Ebner in ihrer eigenen Werkstatt her, Kleinserien gibt sie an eine Manufaktur in Indien weiter - dort hat sie eine Zeitlang gelebt und fliegt zum Check auch immer wieder hin. „In den letzten Jahren haben die Kunden eher auf den letzten Drücker’ gekauft, sodass ich zwei Wochen vor Weihnachten schon nervös wurde. Aber auch die Herren scheinen dazu gelernt zu haben und kaufen nicht mehr zwei Tage vor Heiligabend ein”, schmunzelt die Unternehmerin, die sich für heuer tatsächlich ein gutes Geschäft erwartet. Obwohl sie auch einen Online-Shop betreibt, dient er ihr doch eher als Katalog. „Die Leute schauen sich online mein Sortiment an, das ich dort beispielhaft angeführt habe, kommen aber ins Geschäft, weil sie die persönliche Beratung bevorzugen.” Denn Schmuck kaufen sei ein haptisches Erlebnis. „Man möchte es in der Hand halten, schauen, wie es im Licht wirkt. Es ist wie eine Beziehung aufzubauen”, sagt Ebner.

Regionale, nachhaltige Geschenke

Händlerinnen wie Ebner punkten gerade beim schwierigen Thema Geschenkeauswahl mit viel persönlicher Beratung. „In der Vorweihnachtszeit schlägt die Stunde des lokalen Handels. Fast sechs von acht geplanten Geschenken werden im stationären Handel gekauft. Das zeigt, wie sehr die Menschen das persönliche Einkaufserlebnis, die Beratung und die Atmosphäre schätzen”, erklärt Handelsobfrau Gumprecht. Laut der Befragung wollen heuer mehr Menschen gezielt in lokalen Geschäften einkaufen und entscheiden sich bewusst für lokal produzierte Waren mit kurzen Transportwegen. „Das ist ein starkes Signal für die Bedeutung von Regionalität und Nachhaltigkeit - und eine Chance für den stationären Handel”, so Gumprecht. Für die Auswahl eben dieser besonderen Produkte, die sowohl nützlich als auch nachhaltig sind, nehmen sich die Kunden heuer auch mehr Zeit als sonst: „Dieser neue Zugang zum Weihnachtseinkauf steht im Kontrast zum hektischen, oft wenig durchdachten Last-Minute-Shopping”, ist Gumprecht überzeugt. Ein bewusster, frühzeitiger Einkauf biete zu[1]dem Raum, Preise zu vergleichen und sich für faire und umweltfreundliche Alternativen zu entscheiden.

Weniger Online-Handel

Gekauft wird auch heuer nicht nur im stationären Handel, sondern auch online, wobei aus Konsumentensicht offenbar andere Gesetze gelten, wenn es ums Christkind geht: „Zu Weihnachten ist online unbedeutender als sonst”, erklärt Experte Ziniel. Zwar würden 54 Prozent der Befragten mindestens ein Geschenk online kaufen - so viel wie im vergangenen Jahr -, im Schnitt werden aber nur 2,2 von insgesamt acht Geschenken pro Person im Netz bestellt, erklärt Ziniel. Auch dieser Wert sei konstant. „Viele informieren sich online und kaufen offline. Früher war das umgekehrt”, sagt Gumprecht.