Uns geht der Platz aus
Betriebsflächen werden in Wien immer rarer und so die Gefahr, dass Betriebe abwandern, immer größer.
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Dem Platzmangel war es unter anderem geschuldet, dass Reinhard Prasch 2017 mit seiner Kfz-Werkstätte vom 22. in den 5. Bezirk übersiedelt ist. Nun, sieben Jahre später, steht Prasch erneut vor einem Platzproblem. „Ich merke es an meiner Auslastung. Die Termine verschieben sich immer weiter nach hinten. Aber wenn jemand ein kaputtes Auto hat, will er nicht sechs Wochen auf eine Reparatur warten”, führt der Kfz-Meister weiter aus.
Kein Wachstum möglich
Statt zu wachsen und sein Unternehmen weiter auszubauen, musste Prasch seinen Betrieb deshalb auch von elf Mitarbeitern auf sechs Beschäftigte verkleinern. Die Nachfrage der Kunden wäre da, nicht aber genug Platz, um die Aufträge anzunehmen. „Ich weiß oft nicht einmal wohin mit den Autos, die mir zum Beispiel vom ÖAMTC zur Reparatur gebracht werden”, erzählt er. Hinzu kommt für Prasch der Kostenpunkt: „Wer in der Wiener Innenstadt sein will, muss die Wiener Innenstadt-Preise zahlen”, sagt Prasch, der deshalb seine beiden angemieteten Reifenlager auflassen musste, denn in der eigenen Werkstatt ist kein Platz dafür übrig. „Das ist ein Service, den wir unseren Kunden jetzt nicht mehr anbieten können”, bedauert der Unternehmer.
Aufschrei bei Wiener Industrie
Dass in Wien der Platz knapp wird, merkt auch die heimische Industrie. Die jährlich von den Vienna Business Districts (VBDs) durchgeführte Analyse zur Neuverbauung zeigt, wie prekär die Lage um Betriebsflächen ist. In Wien gibt es aktuell 2127 Hektar gewidmete Betriebsflächen, wovon allerdings nur noch 140 Hektar frei sind. „In den vergangenen zehn Jahren sind 138 Hektar verbaut worden”, erklärt Stefan Ehrlich-Adám, Spartenobmann Industrie der Wirtschaftskammer Wien. „Das bedeutet, dass uns bei diesem Tempo in zehn Jahren der Platz ausgeht.” Die Folge ist nicht nur, dass sich keine neuen Betriebe ansiedeln können und Wien damitzusätzliche Wertschöpfung und Arbeitsplätze entgehen. Erfolgreiche bestehende Unternehmen können ihre Standorte nicht erweitern und müssen aus Wien abwandern. Damit gehen wiederum Arbeitsplätze und Wertschöpfung verloren. Dabei erwirtschaftet die Wiener Industrie pro Jahr einen Produktionswert von 63 Milliarden Euro und 7,3 Milliarden Euro an Wertschöpfung.
Bessere Anbindung für noch freie Flächen schaffen
„Es ist daher notwendig, nicht nur bestehende Betriebsflächen zu sichern und vor einer Umwidmung zu schützen, sondern auch neue Betriebsflächen zu erschließen”, erklärt Ehrlich-Adám. Essenziell sei zudem, die noch verfügbaren Flächen besser an die Infrastruktur anzubinden. Denn: Während im 23. Bezirk, wo es die größte Nachfrage nach Betriebsflächen gibt, kaum noch Flächen frei sind, liegen mehr als die Hälfte aller noch verfügbaren Flächen im 22. Bezirk. Dort ist allerdings die Anbindung an das hochrangige Verkehrsnetz nicht optimal bzw. stark überlastet (Stichwort Lobautunnel). Auch im 11. Bezirk wäre eine bessere Anbindung an den öffentlichen Verkehr wünschenswert.
Weitsicht bei der Standortwahl
Vorausschauend siedelte der Fleisch- und Wurstwarenspezialist Wiesbauer bereits Mitte der 1990er Jahre innerhalb Wiens von Hietzing an den heutigen Standort in der Laxenburger Straße. „Die Beweggründe für den Neubau waren einerseits Probleme mit den Anrainern am ehemaligen Standort sowie andererseits die Notwendigkeit, Platz wie auch Kapazitäten für die weitere Expansion zu schaffen”, schildert Firmenchef Thomas Schmiedbauer. Damals entstand am Stadtrand im Industriegebiet ein moderner und fortschrittlicher Nahrungsmittelbetrieb, der nach wie vor den heutigen Standards entspricht. Die Mitarbeiterzahl an dem Standort ist in der Zwischenzeit von 250 auf 500 gestiegen. Für das unbebaute Nachbargrundstück sicherte sich das Unternehmen früh ein Vorkaufsrecht, um gegebenenfalls weiter wachsen zu können. Vor zwei Jahren wurde die 10.000 Quadratmeter große Fläche schließlich gekauft, für den geplanten Zubau war ein Investment von 30 Millionen Euro budgetiert. Allerdings haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändert und man sah sich mit neuen Kosten konfrontiert. „Bei einer Erweiterung würden am bestehenden Grundstück Aufschließungsgebühren in Höhe von ca. 1 Million Euro fällig werden. Diese Kosten berechnen sich nach den aktuellen Grundstückspreisen und sind um ein Vielfaches höher als damals in den 1990er Jahren”, so Schmiedbauer. Dazu kommen bürokratische Hürden, die letztendlich in der Entscheidung mündeten, das Vorhaben zu stoppen. Dementsprechend enttäuscht zeigt sich der Unternehmer. In den Wiener Standort weiter investieren will er in Zukunft übrigens nicht mehr,
Stadtentwicklungsplan 2035
Die Wirtschaftskammer Wien macht sich im Rahmen der Umsetzung des Stadtentwicklungsplans 2035 durch die Stadt Wien für Lösungen der sich verschärfenden Betriebsflächen-Problematik stark. „Die Wirtschaftskammer Wien ist in diesen Prozess eingebunden und wird sich für die ausreichende Verfügbarkeit von Betriebsflächen einsetzen. Wir vertrauen darauf, dass dieses wichtige Thema im neuen Stadtentwicklungsplan angemessene Berücksichtigung findet”, sagt Ehrlich-Adám. Eine drängende Problematik, die Gehör findet. Denn erste, wichtige Verbesserungen konnten bereits im Zuge des Fachkonzepts „Produktive Stadt” erzielt werden.