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So gelingt der Generationenwechsel

Damit das eigene Lebenswerk in gute Nachfolger-Hände gelegt werden kann, braucht es eine fundierte und rechtzeitige Vorbereitung der Übergabe. Die WK Wien unterstützt die Betriebe dabei.

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Aktualisiert am 05.11.2024

Für Deniz Ödek war die Übernahme eines bestehenden Frisörsalons der ideale Weg in die Selbstständigkeit. Die 29-jährige Frisörin hat heuer einen Standort des Frisör-Ehepaars Sonja und Günter Doupona in der Donaustadt übernommen, zwei Monate lang komplett umgebaut und im Mai als „La Belle” neu eröffnet. „Ich habe alles rausgerissen, die Einrichtung war mir zu altmodisch und die Farben zu dunkel. Jetzt ist alles neu und hell. Mir war wichtig, dass sich meine Kunden wohlfühlen”, erzählt Ödek, die davor im Donauzentrum als Angestellte einen Frisörsalon mit 28 Mitarbeitern geleitet hat. „Ich habe dort auch Dienstpläne erstellt, Urlaube geplant, Bestellungen gemacht - da dachte ich mir, das kann ich auch in einem eigenen Unternehmen”, sagt die Jungunternehmerin.

60 Prozent der Betriebe haben nach der Übernahme ihren Umsatz gesteigert.

„Ich wollte schon von klein auf einen eigenen Frisörsalon haben, jetzt habe ich mir meinen Traum erfüllt”, freut sich Ödek. Die Suche nach dem passenden Lokal sei am Beginn nicht einfach gewesen. Ihren heutigen Salon kannte sie schon lange, sie ist in der Nähe aufgewachsen. „Er ist etwas versteckt, ich hatte Sorge, ob es genug Laufkundschaft gibt”, erinnert sie sich. Doch Grund zur Sorge hat sie heute keine mehr: „Ich hatte vom ersten Tag an Kun[1]den - viele, die schon früher hier waren, und viele neue, die mich über Instagram, Google oder Empfehlungen finden”, sagt Ödek. Ge[1]startet ist sie mit einer Mitarbeiterin, vor wenigen Wochen hat sie einen weiteren Mitarbeiter aufgenommen, weil das Geschäft gut läuft. „So können wir zusätzlich zu den vereinbarten Terminen auch leichter Laufkundschaft bedienen”, so die Unternehmerin, die mit ihrem Salon alle Damen- und Herrenfrisuren abdeckt, auf Blondierungen ganz besonders spezialisiert ist - und auf das Fachwissen ihrer Mitarbeiter viel Wert legt. „Es muss ja auch funktionieren, wenn ich einmal nicht da bin”, sagt Ödek. Die Übernahme des Standorts vom Ehepaar Doupona, die auch über die Nachfolgebörse der Wirtschaftskammer Wien gesucht haben, sei sehr unkompliziert und ohne Probleme ab[1]gelaufen. „Auch mein Mann und meine Familie haben mich sehr unterstützt, sie waren immer für mich da”, sagt Ödek.

Eine süße Erfolgsgeschichte

Eine ähnliche Erfolgsgeschichte lässt sich über die Confiserie „Zum süßen Eck” in der Währinger Straße erzählen. Der Laden existiert seit 110 Jahren und ist eines von nur noch wenigen traditionellen Süßwarengeschäften in Wien. Daher war der mediale Widerhall groß, als die Inhaber im Vorjahr verkündeten, ihr Geschäft in neue Hände legen zu wollen - oder eben zu schließen, falls sich kein Nachfolger findet. Seit 1995 hatte Gabriele Kornherr gemein[1]sam mit ihrem Mann Michael das „Süße Eck” geführt - mit Hingabe, Leidenschaft und viel Fachwissen. Als sie nun entschieden, sich zur Ruhe zu setzen, war klar: Ein endgültiges Aus sollte für ihr „Süßes Eck” nur die allerletzte Option sein. „Wir haben vor einem Jahr begonnen, einen Nachfolger zu suchen”, erzählt das Unternehmerpaar, das sein Geschäft auch in der Nachfolgebörse der WK Wien inserierte. Nach und nach berichteten dann auch die Medien über das drohende Aus des Zuckerlgeschäfts. An Interessenten habe es nicht gemangelt, erzählen die Kornherrs. Aber richtig gepasst habe es lange nicht. Da gab es welche, die aus dem Kleinod eine Imbissbude machen oder nur den Namen samt Onlineshop kaufen wollten. Bei anderen fehlte der nötige finanzielle Background. „Aber man muss ja auch einmal eine Zeit mit schwachen Umsätzen übertauchen können”, sagt Michael Kornherr.

Liebe auf den ersten Blick

Das Zusammentreffen mit Nicole Heinrich und Raphaela Mastella lief dann von Anfang an anders. Die beiden betreiben seit 2015 in Floridsdorf die Tortenbäckerei „Backterium” und haben aus den Medien erfahren, dass das „Süße Eck” einen Nachfolger sucht. „Im Jänner waren wir dann erstmals da - und es war Liebe auf den ersten Blick”, schwärmt Mastella. Das Geschäft, das Ambiente, die Gegend - alles habe sie sofort angesprochen. Auch der Kontakt mit den Übergebern habe sofort gepasst. Relativ rasch war man sich dann über die Übernahme des Geschäfts einig. Externe Berater brauchte es dabei nicht. „Wir haben ein paar Mal Beratung bei der Wirtschaftskammer gesucht, das war immer superschnell und professionell”, so Mastella. Nach einem sanften Restyling haben die beiden jungen Unternehmerinnen Ende August das „Süße Eck” wiedereröffnet. Das Sortiment wurde punktuell adaptiert - die Lakritze- und Schokoladenvielfalt, für das Geschäft bekannt ist, gibt es nach wie vor. „Wir mussten uns kein neues Konzept überlegen, Kundenstamm und Lieferanten waren schon vorhanden. Und alle sind froh, dass es weitergeht”, sagt Nicole Heinrich. Auch Gabriele und Michael Kornherr freuen sich, dass ihr Lebenswerk weitergeführt wird. „Wir hätten jedenfalls mit Ende Juni zugesperrt. Umso besser, dass sich das so toll ergeben hat.”

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Übernehmen bringt viele Vorteile

1768 Betriebe wurden in Wien im Vorjahr über[1]geben, das waren 1,47 Prozent aller Wiener Unternehmen und ein knappes Viertel der österreichweiten Übergaben. Durch den demografischen Wandel wird die Zahl der Nachfolgesuchenden weiter zunehmen. Insgesamt stehen in Wien in den kommenden fünf Jahren geschätzte weitere 7000 Unternehmen zur Übergabe an. Etwas mehr als die Hälfte der Übergaben findet familienintern statt. Für 45 Prozent werden externe Nachfolger gesucht - Tendenz eher steigend. „Unternehmensübernahmen sind nicht nur eine attraktive, sondern oft auch eine risikoärmere Alternative zur Neugründung, da bestehende Strukturen, gefestigte Kundenbeziehungen und erfahrene Mitarbeiter den Weg zum Erfolg ebnen”, so WK Wien-Vizepräsidentin Margarete Kriz-Zwittkovits bei einem Lokalaugenschein im „Süßen Eck”. Auch die Übernahme bestehender Kunden- und Lieferantenbeziehungen ist ein wertvoller Vorteil. Nicht zuletzt profitiert auch der Wirtschaftsstandort von erfolgreichen Übergaben. Denn übernommene Betriebe entwickeln sich wirtschaftlich mehrheitlich gut, zeigt eine Studie der KMU Forschung Austria zur Unternehmens[1]nachfolge aus 2021. „60 Prozent der Betriebe haben nach der Übernahme ihren Umsatz und das Investitionsvolumen erhöht. Ein Drittel stellte zusätzliche Mitarbeiter ein”, betont Kriz-Zwittkovits.

Gute Vorbereitung ist entscheidend

Damit die Nachfolge gelingt, muss sie aber rechtzeitig und strukturiert geplant werden, sagt die auf Unternehmensbewertung spezialisierte Beraterin Alexandra Reichel: „Wir empfehlen, rund fünf Jahre vor dem geplanten Verkauf auf einen auf das Thema Mergers & Akquisitions spezialisierten Berater zuzugehen, um das Unternehmen gemeinsam auf Stärken und Schwächen zu prüfen und Faktoren zu identifizieren, die sich unmittelbar auf den Kaufpreis auswirken.” Auf dieser Grundlage sei dann noch genügend Zeit, um für die Übergabe wichtige Maßnahmen im Betrieb zu initiieren und umzusetzen. Etwa ein bis 1,5 Jahre vor der geplanten Übergabe ist es dann wichtig, sich verstärkt auf das Thema des Unternehmensverkaufs zu konzentrieren”, so Reichel. Bei einer internen Übergabe müsse der Neue in Führung gebracht und gut im Unternehmen verankert werden. „Ein Prozess, der jedenfalls Monate in Anspruch nimmt”, betont die Expertin. Wird ein externer Nachfolger gesucht, sollte die aktive Suche ebenfalls spätestens ein Jahr vor dem Übergabezeitpunkt beginnen.

Externe Unterstützung suchen

Die WK Wien bietet breite Unterstützung zum Thema Nachfolgen - von der Nachfolgebörse, einer Plattform für Übergabewillige und potenzielle Übernehmer, über geförderte Beratung bis zum finanziellen Zuschuss für Übernahme und Weiterführung eines Betriebs. Gerade die Begleitung durch externe Übergabe-Experten ist anzuraten, da sie ihr Knowhow aus einer objektiven Position einbringen können. Der Übergabeprozess sei nämlich „he[1]rausfordernd, emotional und oft sehr eng mit privaten Dingen verknüpft”, betont Reichel. Insofern sei der Schritt, das eigene Lebenswerk in die Hände anderer zu legen und selbst loszulassen, in erster Linie auch eine persönliche Herausforderung für den Übergeber. Bei der Planung der Übergabe sollten zuerst Fragen geklärt werden wie: Wird familienintern oder extern übergeben? Wann ist für mich der optimale Übergabezeitpunkt? Kann und will ich dem Nachfolger noch mit Rat und Tat zur Seite stehen, und wenn ja, wie lange? Bei der objektiven Bestimmung des Unternehmenswerts ist Expertenrat jedenfalls genauso goldwert wie bei der Klärung steuerlicher und rechtlicher Aspekte. „Das Entscheidende für eine erfolgreiche Übergabe ist es, rechtzeitig zu agieren und nichts zu übersehen”, so Kriz-Zwittkovits.

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