ICircle
© Florian Wieser

Österreichs Sozialnetz: Zwischen Sicherheit und Wandel

Krank werden? Den Job verlieren? Genug Geld in der Pension? Der österreichische Sozialstaat lässt seine Bürgerinnen und Bürger nicht im Stich. Oder stößt er in manchen Bereichen vielleicht schon an seine Grenzen? Dieser Frage ging die Sparte IC der Wirtschaftskammern Wien, Niederösterreich und Burgenland beim ICircle am 22. Februar nach.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 07.03.2024

Im Jahr 2023 hat die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) 578 Euro pro Sekunde für die bei ihr Versicherten ausgegeben. Das waren 18,7 Mrd. Euro an Gesamtaufwendungen im Jahr. Im Schnitt gibt es österreichweit 284.000 E-Card-Konsultationen pro Tag. Der Spitzenwert lag bei 720.000 pro Tag.  Das erläuterte Bernhard Wurzer, der Generaldirektor der ÖGK. Und er betonte auch, dass wir vor massiven Veränderungen der Gesellschaft stehen. Sei es, dass 31 % der Bevölkerung in zehn Jahren über 60 Jahre alt sein werden. Oder aber auch, dass bis dahin sämtliche Versicherte voll digitalisiert sein werden. Bis 2030 will die ÖGK serviceorientierter sein und die Menschen proaktiv für deren Gesundheit durchs Leben begleiten. Gelingen soll dies u.a. mit Hilfe einer App, die z.B. das Vorsorgemanagement personalisiert und auf der man Arzttermine online buchen kann.

Weniger Arbeit - weniger Wohlstand

Franz Schellhorn, Direktor der Agenda Austria, zeigte, dass wir mit der Tendenz zu weniger Arbeit unseren Wohlstand, wie wir ihn derzeit kennen, wahrscheinlich nicht halten werden können. So wurden seit 1995 keine neuen Vollzeitstellen geschaffen; die Zahl blieb mit rund 3 Millionen konstant. Hingegen sank die Zahl der Arbeitsstunden pro Erwerbstätigen und Jahr in Österreich von rund 2.100 im Jahr 1950 auf rund 1.600 im Jahr 2020. Betreuungspflichten sind nicht der Hauptgrund für die reduzierte Wochenarbeitszeit. Von Teilzeit auf Vollzeit aufzustocken, ist für viele aus rein finanziellen Gründen nicht interessant. Wer in Österreich um 50 % mehr Wochenarbeitszeit macht, hat einen Einkommenszuwachs von 28,9 %. In Dänemark oder Schweden wären es 44,1 bzw. 43,4 %. Schellhorn plädiert für einen Wachstumskurs und bringt mehrere Vorschläge, wie dies erreicht werden könne.

Mehr Menschen in guter Beschäftigung

Der wissenschaftliche Direktor des IHS, Holger Bonin, übermittelte seine Botschaft per Video und betrachtete das Pensionssystem genauer. Die demografische Entwicklung beginnt hier schlagend zu werden. Die Babyboomer gehen in diesem Jahrzehnt in den Ruhestand. Dazu kommt die steigende Lebenserwartung, die auch mehr gesunde Jahre in der Pension bringt. Und der Trend, dass die Zeit, die Menschen im Erwerbsleben verbringen, kürzer wird – sei es durch eine längere Ausbildungszeit oder Betreuungszeiten. Um hier die Ausgaben im Blick zu behalten, könnte man an der Einnahmendynamik drehen. Es braucht mehr Menschen in einer guten Beschäftigung. Und es braucht dafür auch gesündere Beschäftigte, die weniger oft ausfallen. Langfristig gesehen sollte das Pensionsalter an die Lebenserwartung gekoppelt werden. Hier ist Österreich in der Debatte noch etwas hinten nach.

Klug in Prävention investieren

Den Abschluss machte Alexander Biach, Direktor-Stellvertreter der WK Wien. Er wies u.a. darauf hin, die Österreicherinnen und Österreicher im europaweiten Vergleich weniger gesunde Lebensjahre haben – Frauen halten hier bei 59,3 und Männer bei 58,2 – und wir liegen damit im unteren Drittel. Auch der Pflegeanteil bei Österreichs 65-plus-Jährigen ist sehr hoch. 22,8 % der Menschen ab 65 sind hierzulande auf Pflegegeld angewiesen. In Schweden oder Dänemark sind es nur 8 %. Die Ausgaben pro Kopf sind in allen drei Ländern gleich – 5.400 Euro. Sein Appell lautet: Klug in Prävention investieren. Sich fit halten und somit rauszukommen aus der „Pflegefalle“.

Das K47 am Wiener Franz-Josefs-Kai war bis auf den letzten Platz besetzt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten danach noch die Gelegenheit zu einem persönlichen Austausch – auch mit den Vortragenden.